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Nach dem Rechtsrutsch im Nationalrat: Soll Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat bleiben?

Nach dem Rechtsrutsch im Nationalrat: Soll Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat bleiben?

Für die SVP rückt nach dem grandiosen Resultat vom Wahlsonntag ein zweiter Bundesratssitz in Griffweite: Die Fraktion nominiert ihren Kandidaten am 20. November.
19.10.2015, 07:0619.10.2015, 10:40
Lorenz Honegger / Aargauer Zeitung
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Der unerwartet deutliche Rechtsrutsch bei den Parlamentswahlen erhöht den Druck auf die Vereinigte Bundesversammlung, am 9. Dezember einen zweiten SVP-Vertreter in den Bundesrat zu wählen. Die Partei teilte gestern Abend mit, sie sei bereit, «zusätzliche Verantwortung in der Landesregierung zu übernehmen».

Die Wiederwahl von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf steht derweil auf der Kippe: Die Mitte-Links-Allianz ist gemäss der Hochrechnung um 21 Uhr um mehr als ein Dutzend Nationalräte geschrumpft.

Tritt BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am 9. Dezember noch einmal an?
Tritt BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am 9. Dezember noch einmal an?
Bild: KEYSTONE

Sollte die Bündnerin für eine dritte Legislatur kandidieren, müssen ihre Anhänger damit um jede einzelne Stimme kämpfen. Noch hat sie nicht kommuniziert, ob sie antritt.

Widmer-Schlumpfs Gegner im Hoch

Stark zugelegt hat das Lager der Widmer-Schlumpf-Gegner: FDP und SVP dürften laut den Hochrechnungen zusammen mit den kleineren Rechtsaussen-Parteien künftig gut 100 Nationalratssitze und damit rund die Hälfte der grossen Kammer kontrollieren.

Im Ständerat stehen in vielen Kantonen zweite Wahlgänge an, doch auch hier sieht es gut aus für FDP und SVP: Sie haben ihre bisherige Sitzzahl schon fast wieder erreicht.

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Für eine absolute Mehrheit wären bei 246 National- und Ständeräten rund 124 Stimmen nötig. Diese Schwelle dürften die SVP und ihre Mitstreiter aus eigener Kraft kaum erreichen, weshalb sie auf Abweichler von Mitte-Links angewiesen sind. Bei der Widmer-Schlumpf-freundlichen CVP haben sich etwa Nationalrat Gerhard Pfister (ZG) und Fraktionschef Filippo Lombardi (TI) im Vorfeld der Parlamentswahlen gegen die BDP-Bundesrätin ausgesprochen.

Abweichler sind aber auch bei der Widmer-Schlumpf-kritischen FDP zu finden: Vor allem die freisinnigen Abgeordneten aus der Romandie gelten als wenig erpicht auf einen zweiten SVP-Mann im Bundesrat. Weil die Vereinigte Bundesversammlung die Landesregierung in geheimer Wahl bestimmt, liegt die Hemmschwelle zur Fahnenflucht tief. Die Partei- und Fraktionschefs legen in den nächsten Wochen ihre Strategie für die Bundesratswahlen fest.

FDP-Müller will zweiten SVP-Sitz

Einen Vorgeschmack auf die kommende Debatte gab es bei der Elefantenrunde der Parteipräsidenten im Schweizer Fernsehen. Am lautesten machte sich FDP-Chef Philipp Müller für einen zweiten SVP-Bundesratssitz stark: «Es wäre nicht intelligent, wenn wir die grösste politische Kraft im Land nicht in die Verantwortung einbinden», sagte er. Ansonsten werde die Schweiz irgendeinmal zu einer Konkurrenzdemokratie mit Mehrheit und Opposition. Müller: «Die Bevölkerung will keine Mitte-Links-Mehrheit.»

Als einzige Bedingung für die Wahl eines zweiten SVP-Bundesrates nannte er die Einhaltung des Kollegialitätsprinzips: Es dürfe nicht sein, dass sich ein Mitglied der Regierung auf Kosten des Gesamtbundesrates profiliere, indem es Differenzen nach aussen trage. Die SVP-Kandidaten müssten sich auch harte Fragen zum Verhältnis mit der EU gefallen lassen. Ein Bekenntnis zu den bilateralen Verträgen will Müller der SVP jedoch nicht mehr abverlangen.

In einer ungemütlichen Lage befinden sich die Mitteparteien, deren rechnerischer Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz neben Doris Leuthard gesunken ist: CVP-Chef Christophe Darbellay sagte, ein Bundesratsmitglied, das wie Widmer-Schlumpf korrekt gearbeitet habe, müsse sein Amt nicht niederlegen. Aber auch er wisse nicht, ob sich die Bundesrätin noch einmal der Wahl stelle. BDP-Präsident Martin Landolt liess sich nicht in die Karten blicken.

Im Hinblick auf einen möglichen SVP-Bundesratskandidaten bezeichnete es Darbellay als wünschenswert, dass dieser aus der lateinischen Schweiz komme.

SVP meldet «gut zehn Bewerber»

Adrian Amstutz, Chef der SVP-Fraktion, kündigte derweil bereits am Nachmittag gegenüber der «Aargauer Zeitung» an, die SVP werde ihren oder ihre Kandidaten am 20. November nominieren.

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«Gut zehn Personen» hätten sich um die Kandidatur beworben. Für den Moment hätten die Bewerbungen aber erst provisorischen Charakter: Die Frist für die definitiven Anmeldungen laufe am 13. November ab. Bis dahin könnten die Kantonalparteien ihre Vorschläge noch einmal überdenken. Drei Tage später, am 16. November, komme die SVP-Fraktionsspitze zu einer ausserordentlichen Vorstandssitzung zusammen.

Der Vorstand wird die Resultate der Findungskommission laut Amstutz «analysieren» und gestützt darauf eine Empfehlung zuhanden der Bundeshausfraktion abgeben. Als grosser Favorit für die Kampfkandidatur gegen Eveline Widmer-Schlumpf gilt der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand. (aargauerzeitung.ch)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Wüthrich
19.10.2015 10:25registriert August 2014
Will man in vier Jahren den Gegentrend einläuten, ist der zweite SVP-Bundesrat jetzt PFLICHT. Am besten eine Person, welche die Partei selbst will. Denn spätestens dann kann man nichts mehr den Linken in die Schuhe schieben. Rechts hat dann die Mehrheit auch im Bundesrat. Ausreden sind nicht mehr erlaubt. Entscheidend sind ab jetzt Erfolge im politischen Tagesgeschäft. Vorbei die dumme Provoziererei. Wird am Volk vorbei politisiert, gibt es Referenden. Die grosse Frage: Was kann rechts, wenn es die Mehrheit hat? Man wird sehen: SVP und FDP werden es sich selbst schwerer machen, als sie denken.
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Yosh Eden
19.10.2015 10:39registriert März 2014
Bei aller Sympathie für EWS; es kann nicht angehen, dass die mit Abstand wählerstärkste Partei der Schweiz keine zwei BR hat. Egal ob man deren Haltung teilt oder nicht. So viel Anstand und Respekt vor dem Wählerwillen muss sein. Da kann Levrat noch so lange über (nicht existenten!) 'Mitte-Block' fabulieren. Wer ausser der CVP soll denn diese Mitte sein? BDP waren SVP-ler, GLP sind im Prinzip Neoliberale (mit Umweltschutz.aber nur wenns Liberalität nicht in Quere kommt), FDP ist per se rechts usw. SVP braucht 2 BR, über alle anderen kann man dskutieren.
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Bruno Wüthrich
19.10.2015 10:32registriert August 2014
Noch etwas zu Evelinde Widmer-Schlumpf: Soweit ich dies beurteilen kann (für uns Normalbürger ist es schwierig, dies zu beurteilen), ist diese Frau eine gute bis sehr gute Bundesrätin. Wegen ihrer Fähigkeiten wäre es demnach angebracht, sie im Amt zu halten. Doch nun geht es nicht mehr um sie und auch nicht um ihre Fähigkeiten, sondern um die Einkehr des politischen Friedens in der Schweiz. Es ist deshalb an der Zeit, das Frau Widmer-Schlumpf in Würde und mit aller Ehrerbietung zurück tritt. Sie hat viel für unser Land geleistet. Sie kann stolz sein. Aber es ist Zeit, Platz zu machen.
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