Es ist eine Premiere: Erstmals überhaupt wird ein Schweizer Bundespräsident von Amtes wegen im Weissen Haus empfangen. Die Einladung von US-Präsident Donald Trump an Ueli Maurer erfolgte überraschend und kurzfristig. Das Treffen beginnt um 17.45 MEZ im Oval Office und wird etwa eine Stunde dauern. Im Anschluss findet eine Medienkonferenz mit Maurer statt.
Die Erwartungen an das Treffen dürften unterschiedlich sein. Das Weisse Haus hebt in einer Mitteilung neben der Partnerschaft der beiden Länder «die Rolle der Schweiz als Vermittlerin von diplomatischen Beziehungen» hervor. Das Finanzdepartement betont «die Möglichkeit für Verhandlungen zwischen der Schweiz und den USA über ein Freihandelsabkommen».
Was ist konkret zu erwarten?
Die Schweiz vertritt seit 1980 die diplomatischen Interessen der USA in Iran. Das Schutzmachtmandat begann, als iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran stürmten und die Mitarbeiter während mehr als einem Jahr als Geiseln festhielten. Der Schweizer Botschafter Eric Lang musste in der damaligen aufgeheizten Lage als «Feuerwehrmann» agieren.
Nun droht zwischen den USA und Iran erneut eine Eskalation. Die Kriegsgefahr ist in den letzten Tagen gestiegen. Es liegt nahe, dass Donald Trump mit Ueli Maurer primär über dieses Thema sprechen will. Der US-Präsident hat seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani erst vor einer Woche einen Deal angeboten. Ruhani schloss Verhandlungen nicht gänzlich aus.
Eine Vermittlerrolle der Schweiz drängt sich auf. Trump soll der Schweizer Botschaft in Teheran laut einem CNN-Bericht sogar eine Telefonnummer gegeben haben, unter der Ruhani ihn anrufen könne. Der US-Präsident, der eine Abneigung gegen Militäreinsätze im Ausland hat, scheint sich damit von den Kriegstreibern um Aussenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton absetzen und eine diplomatische Lösung des Konflikts erreichen zu wollen.
Ein weiteres Thema dürfte Venezuela sein, wo sich Präsident Nicolas Maduro und der selbst ernannte Übergangspräsident Juan Guaido einen erbitterten Machtkampf liefern. Aussenminister Ignazio Cassis und US-Botschafter Edward McMullen haben Anfang April eine Vereinbarung unterzeichnet, wonach die Schweiz künftig die Interessen der USA in Caracas vertreten soll.
Dieses Thema dürfte Donald Trump ebenfalls am Herzen liegen. Der Handelsstreit zwischen den USA und China hat sich in den letzten Tagen zugespitzt. Ueli Maurer hingegen hat in Peking das gute Verhältnis der Schweiz zu China zelebriert. Wichtiger dürfte für die Amerikaner aber der Fall Huawei sein. Die US-Regierung verdächtigt den chinesischen Telekom-Giganten der Spionage.
Am Mittwoch hat Trump seine Regierung per Dekret ermächtigt, gegen ausländische Telekom-Firmen vorzugehen. Die Massnahme ist laut dem Weissen Haus nicht gegen ein bestimmtes Land oder Unternehmen gerichtet, doch es gilt als sicher, dass primär Huawei gemeint ist. In der Schweiz arbeitet Sunrise beim Bau des 5G-Mobilfunknetzes mit den Chinesen zusammen.
Die US-Botschaft in Bern hat im März in einem Brief die Schweiz dazu gedrängt, Vorsicht walten zu lassen. Der Bundesrat allerdings sieht bislang keinen Handlungsbedarf. Donald Trump dürfte Ueli Maurer deswegen ins Gewissen reden. Das Beispiel Deutschland könnte als Warnung dienen: Die USA drohen wegen Huawei mit einer Einschränkung der Geheimdienst-Zusammenarbeit.
Für die Schweiz steht das angestrebte Freihandelsabkommen mit den USA im Zentrum des Treffens. Martin Naville, Direktor der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, frohlockte gegenüber Tamedia, das Thema sei «auf der obersten politischen Ebene angekommen». Die Hoffnungen könnten enttäuscht werden. Donald Trump ist kein grosser Freund des Freihandels.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen schredderte er die unter Vorgänger Obama ausgehandelte Transpazifische Partnerschaft (TPP). Handel bedeutet für Trump, dass die Welt den USA Produkte abkaufen soll. Der Handelsstreit mit China und mit der EU wegen ihrer Autoexporte ist Ausdruck dieser Mentalität. Und die USA sind für die Schweiz als Handelspartner wichtiger als umgekehrt.
Bislang finden erst Vorgespräche zu möglichen Verhandlungen statt. Diese dürften Jahre in Anspruch nehmen, sofern sie überhaupt beginnen. Und es lauern Stolpersteine, allen voran die Landwirtschaft. Botschafter McMullen betonte im März, man könne sie nicht weglassen. Am Widerstand der Schweizer Bauern waren jedoch die Freihandelsgespräche 2006 gescheitert.
Update: Für Donald Trump steht offensichtlich der Iran im Zentrum des Gesprächs mit Bundespräsident Maurer. Dies berichtet CNN unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle im Weissen Haus. Der US-Präsident wolle einen Gesprächskanal einrichten, über den er mit den Iranern kommunizieren könne. Die Schweiz, die die US-Interessen in Teheran vertritt, solle dabei helfen.