Die Festrednerin an der Bundesfeier 2015 auf dem Rütli heisst Simonetta Sommaruga. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), die die «Nationalwiese» am Vierwaldstättersee seit 1860 im Auftrag der Eidgenossenschaft verwaltet, hat die Bundespräsidentin offiziell eingeladen. Mitglieder der Landesregierung sind in den letzten Jahren wiederholt auf dem Rütli als Redner aufgetreten. Dabei kam es mehrfach zu Misstönen.
Seit 1996 nahmen regelmässig Rechtsradikale an der Bundesfeier auf dem Rütli teil, das sie als «heiligen Ort» betrachten. Erstmals fielen sie negativ auf, als Bundesrat Kaspar Villiger im Jahr 2000 die Festrede hielt. Sie pfiffen ihn aus und skandierten Kampfparolen wie «Hier logiert der nationale Widerstand». Villiger zeigte sich unbeeindruckt von den Störmanövern.
Moritz Leuenbergers Auftritt fand nicht am 1. August 2001 statt, sondern rund einen Monat zuvor. Anlass war der Staatsbesuch des tschechischen Präsidenten Václav Havel. Er wollte unbedingt aufs Rütli, womit Bundespräsident Leuenberger erklärtermassen Mühe hatte. Der kultivierte Stadtzürcher hätte dem Gast lieber die moderne, urbane Schweiz gezeigt.
Er habe gedacht, dass das Rütli nur als Symbol für trutzigen Widerstand gegen feindliche Mächte in einer kriegerischen Zeit stehe, sagte Leuenberger in seiner Rede. Dann aber habe er erkannt, dass es im Bundesbrief nicht in erster Linie um Abschottung vor dem Fremden ginge, sondern um die Wahrung des sozialen Friedens und um den gemeinsamen Schutz vor Bedrohungen und Gefahren. «Václav Havel, Sie haben mir das Rütli zurückgegeben», befand Leuenberger.
Zum Tiefpunkt wurde die Ansprache von Bundespräsident Samuel Schmid am 1. August 2005. Die Rechtsextremen hatten so stark mobilisiert wie nie zuvor. Sie stellten rund ein Drittel der 2000 Rütli-Besucher und störten Schmids Rede mit Sprechchören, vor allem wenn er über Integration, Ausländer und die bilateralen Verträge mit der EU sprach. Der Bundespräsident wurde auch persönlich beleidigt und als Lügner und Verräter beschimpft. «Der Rütli ist entehrt», sagte Schmid, als er nach der Rede von Sicherheitsleuten weggeführt wurde.
Der Eklat hatte Konsequenzen. Im folgenden Jahr führte die SGG ein Ticketsystem ein. Man muss im Vorfeld der Bundesfeier ein Gratisbillett bestellen, um das Schiff zum Rütli besteigen zu können. Seither herrscht am 1. August weitgehend Ruhe, die Neonazis wurden ausmanövriert.
In ihrem Präsidialjahr wollte Micheline Calmy-Rey an der Bundesfeier auf dem Rütli teilnehmen. Die Erinnerungen an den Schmid-Eklat zwei Jahre zuvor waren noch frisch, man fürchtete Ausschreitungen und hohe Kosten, weshalb die Feier in einem ersten Anlauf abgesagt wurde. Die sture Calmy-Rey aber setzte sich durch. Obwohl Neonazis versuchten, mit Gummibooten zum Rütli zu paddeln, konnte die Bundespräsidentin ihre Rede ungestört halten.
Zehn Minuten nach dem Ende der Feier aber geschah es: Wo kurz zuvor noch Menschen sassen, explodierte ein selbst gebauter, im Boden vergrabener Sprengsatz. Nur mit viel Glück wurde niemand verletzt. Als mutmasslicher Täter wurde ein Elektromonteur und Waffennarr ermittelt. Er soll einen Monat nach der Rütli-Explosion weitere Sprengsätze an Mitglieder der Rütlikommission versendet haben.
Der «Rütli-Bomber» sass zehn Monate in Untersuchungshaft, doch das Verfahren endete mit einem Debakel: Aus Mangel an Beweisen wurde es 2011 eingestellt.
Nach einer mehrjährigen Pause erschien 2013 erstmals wieder ein Mitglied der Landesregierung am 1. August auf dem Rütli. Johann Schneider-Ammann nahm an einer speziellen Bundesfeier teil, zu der der Schweizerische Fussballverband (SFV) als Gast eingeladen war.
Doch auch diese Feier verlief nicht ohne Kontroverse. Der Bundesrat hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, das Rütli für Veranstaltungen von Parteien zu öffnen. Die SGG hingegen wollte eine «Verpolitisierung» der Nationalwiese verhindern, auch wegen der negativen Erfahrungen mit Rechtsradikalen.