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«Lies!»: Bundesrat fordert Kantone auf, den Koranverteilern die Bewilligung zu verweigern

«Lies!»: Bundesrat fordert Kantone auf, den Koranverteilern die Bewilligung zu verweigern

07.09.2017, 13:38
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Der Bundesrat will die Organisation «Lies!» vorerst nicht verbieten, die in Schweizer Städten Korane verteilt. Er begrüsst es aber, wenn die Kantone die Bewilligung für Standaktionen verweigern. Und er stellt eine Gesetzesänderung zum Organisationsverbot in Aussicht.

Der Bundesrat äussert sich in seiner am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf eine Motion von SVP-Nationalrat Walter Wobmann (SO). Er beantragt dem Parlament, diese abzulehnen. Wobmann will den Bundesrat beauftragen, die Organisation «Lies!» zu verbieten und Koran-Verteilaktionen zu unterbinden.

Die als salafistisch eingestufte Organisation «Lies!» werde mit der Verbreitung von dschihadistischem Gedankengut in Verbindung gebracht, argumentiert Wobmann. Die Koran-Verteilaktionen dienten dazu, junge Leute zu umwerben und für den Dschihad zu gewinnen.

Radikalisierung und Rekrutierung

Der Bundesrat stellt das nicht in Abrede. Er beurteile es als wahrscheinlich, dass die Kampagne «Lies!» zur Radikalisierung von Personen und deren Rekrutierung für dschihadistisch motivierte Reisen beitrage, schreibt er.

Zwar hätten bis heute keine direkten gewaltextremistischen oder terroristischen Tätigkeiten mit Bezug zur Kampagne «Lies!» festgestellt werden können. Ein wesentlicher Anteil von mutmasslichen oder erwiesenen Schweizer Dschihadreisenden habe aber Bezüge zu «Lies!».

Kein Beweis für Organisation

Für ein Verbot fehlten allerdings Belege für eine existierende Organisationsstruktur in der Schweiz, schreibt der Bundesrat. Sollte trotzdem ein Verbot ausgesprochen werden, müsste jeweils bewiesen werden, dass die betroffene Person Mitglied der Organisation sei.

Eine Hürde stellen auch die im neuen Nachrichtendienstgesetz verankerten Voraussetzungen für ein Organisationsverbot dar. Aus Sicht des Bundesrates ist der Artikel unklar formuliert. Er werde rasch eine Revision veranlassen, damit die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Organisationsverbotes gewährleistet seien, kündigt der Bundesrat an.

Beschluss der UNO oder OSZE

Gemäss dem heute geltenden Gesetzesartikel kann der Bundesrat eine Organisation oder Gruppierung verbieten, welche mittelbar oder unmittelbar terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten propagiert, unterstützt oder in anderer Weise fördert und damit die innere oder äussere Sicherheit konkret bedroht.

Im Artikel steht aber auch, dass sich ein Verbot auf einen entsprechenden Beschluss der UNO oder der OSZE stützen muss. Diese Bestimmung will der Bundesrat ändern.

Tätigkeitsverbote möglich

Bereits heute möglich ist ein Tätigkeitsverbot für Personen, die sich an Koranverteilaktionen beteiligen, wenn dadurch eine Bedrohung der Sicherheit entsteht und die Tätigkeit dazu dient, terroristische Umtriebe zu propagieren oder in anderer Weise zu fördern. Der Nachrichtendienst prüft deshalb laut dem Bundesrat, ob Personen diese Voraussetzungen erfüllen und beantragt gegebenenfalls Verbote.

Der Bundesrat hält auch fest, er begrüsse und unterstütze Anstrengungen der zuständigen Behörden der Kantone und Gemeinden, Standaktionen von «Lies!» zu unterbinden, indem sie die polizeilichen Bewilligungen verweigerten.

Grundsätzlich Religionsfreiheit

Gleichzeitig weist er in seiner Antwort darauf hin, dass Koran-Verteilaktionen für sich alleine genommen keine Bedrohung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz darstellten.

Die Meinungsäusserungs- und Religionsfreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit seien verfassungsmässig geschützte Rechte. Eine Einschränkung dieser Grundrechte müsse sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen, durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt werden und verhältnismässig sein. (whr/sda)

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Fragment einer Koran-Abschrift: Die Blätter, die in der Bibliothek der University of Birmingham archiviert sind, könnten zu den ältesten gehören, die es gibt.
quelle: epa/birmingham university / birmingham university / handout
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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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AfterEightUmViertelVorAchtEsser___________________
07.09.2017 14:13registriert August 2017
Schön, dass sie sich selber "Lügen" auf englisch nennen
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Angelo C.
07.09.2017 14:31registriert Oktober 2014
Der Bundesrat gefällt sich in verbal verschwommenen Gratwanderungen, und so ist ist zu hoffen, dass Wobmann zumindest das Parlament davon überzeugen kann, die transparenten Absichten salafistischer Koran-Gratisverteilungen zu unterbinden.

Es geht keineswegs nur darum, christliche oder atheistische Schweizer und Migranten von der "unerhörten Wertigkeit" dieser Steinzeitschrift zu überzeugen, sondern (siehe Winterthur etc.) auch klar, um Dienstwillige für den Djhad des IS zu gewinnen.

Hier blauäugig auf "weitere konkrete Beweise" wartend brav auf biederen Rechtsstaat zu machen, ist abstrus.
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Cachesito
07.09.2017 13:50registriert Oktober 2016
Wenn ich das nur schon höre. Vorerst nicht verbieten blablabla, begrüsst es aber blablabla. Was soll das rum eiern. Verbieten und wenn die dann doch mit ihren Pyjamas rumstehen und ihre Bücher an den Mann (und Frau) bringen, verhaften und einbuchten. Nur diese Sprache versteht dieses Clientel.
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