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Drei Frauen im Bundesrat: die späte Rückkehr

Die beiden nominierten CVP-Bundesratskandidatinnen Viola Amherd, links, und Heidi Zgraggen, rechts, am Ende einer Medienkonferenz, am Freitag, 16. November 2018 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Viola Amherd oder Heidi Zgraggen: Wer folgt auf Doris Leuthard?Bild: KEYSTONE

Drei Frauen im Bundesrat: die späte Rückkehr

Vor einem Jahr hätte kaum jemand darauf gewettet, dass die nächsten zwei neuen Bundesräte weiblich sein werden. Plötzlich ist es selbstverständlich.
05.12.2018, 06:52
Anna Wanner und Fabian Fellmann / ch media
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Ein historischer Tag steht an, wenn heute Mittwoch erstmals in der Geschichte des 170-jährigen Bundesstaats das Parlament zwei Frauen aufs Mal neu in die Regierung wählt. Danach sieht es aus. Herausforderer Hans Wicki (FDP) gelang es in den vergangenen Tagen nicht, die Favoritin noch vom Thron zu stossen.

ARCHIVBILD - ZUM FDP-BUNDESRATSKANDIDATEN HANS WICKI STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Hans Wicki, Staenderat FDP (NW), spricht an der Medienkonferenz des Grimseltunnel-Komitee ...
Hans WickiBild: KEYSTONE

Vielmehr wird spekuliert, ob Karin Keller-Sutter gar im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreicht – eine seltene Ehre, die zuletzt Doris Leuthard 2006 zuteilwurde. Bei der CVP wird unabhängig vom Ausgang am Ende eine Frau als Siegerin dastehen: Viola Amherd oder Heidi Z’graggen.

Trotzdem mag am Tag dieser historischen Wahl niemand mehr über die Frauenfrage sprechen. Lieber wird über «fehlende Visionen» der Kandidatinnen gelästert. Es wird gemäkelt, dass sie sich zu weit rechts oder links positionieren oder in Sachen Umweltschutz nicht überzeugen.

Nico Franzoni an der Nacht der langen Messer:

Video: watson/Angelina Graf

Plötzlich normal

Viele erwarten eine «langweilige Wahl», weil Überraschungen ausbleiben. Auf Sprengkandidaten wettet niemand mehr, auch wenn der eine oder andere Politiker es wohl nicht lassen kann und CVP-Präsident Gerhard Pfister oder Bundeskanzler Walter Thurnherr auf seinen Zettel schreiben wird. Chancen haben sie keine.

Gerhard Pfister, CVP-Parteipraesident, unterhaelt sich anlaesslich einem Podium, am Mittwoch, 31. Oktober 2018, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Gerhard PfisterBild: KEYSTONE

So wirkt das Szenario, dass bald nur noch eine Frau im Bundesrat vertreten sein wird, aus heutiger Sicht abwegig. Dabei war das vor wenigen Wochen noch ein realer Ausgang. Spekulationen, wie Viola Amherd und Karin Keller-Sutter parteiintern noch ausgebremst werden könnten, machten die Runde. Heute ist das Szenario undenkbar. Die Frauenfrage ist geklärt und bedarf keiner weiteren Diskussion. Sogar bürgerliche Politiker wie FDP-Nationalrat Thierry Burkart freuen sich darüber, dass dies zur «Normalität» geworden ist.

Viola Amherd Bundesrat Kandidatin?

Video: srf

Die besseren Kandidaturen

Aus dem Nichts hat sich die Frauenfrage indes nicht normalisiert. Dazu beigetragen haben erstens die Kandidatinnen selbst, die sich gegen ihre männliche Konkurrenz durchsetzen konnten, weil sie schlicht qualifizierter sind. Da sind zweitens die Parteien, die geschickt agierten, indem sie die besseren Kandidaten nominierten und so Diskussionen ums Geschlecht im Keim erstickten. Stattdessen konnten die Kandidatinnen mit ihren Qualifikationen und politischen Positionen punkten.

Erfolge der Frauenbewegung

Und da ist schliesslich auch der jahrelange Kampf um Gleichberechtigung. Die frühere CVP-Nationalrätin und gescheiterte Bundesratskandidatin Judith Stamm, die sich für die Gleichstellung von Mann und Frau einsetzte, sagt heute: «Für jemanden wie mich, der das Frauenfähnchen hochhält, ist diese Wahl eine Genugtuung.»

ARCHIVE - JUDITH STAMM, SCHWEIZER JURISTIN, CVP-POLITKERIN DER ERSTEN STUNDE UND EHEMALIGE NATIONALRATSPRAESIDENTIN FEIERT AM 25. FEBRUAR 2014 IHREN 80. GEBURTSTAG. DAZU STELLEN WIR IHNEN DIESES BILD  ...
Judith Stamm 1994 mit Altbundesrat Otto StichBild: KEYSTONE

Unter dem Strich zeigt das Engagement des Frauenverbands Alliance F Wirkung. Co-Präsidentin Maya Graf (Grüne/BL) forderte vor einem Jahr eine «angemessene» Vertretung der Frauen im Bundesrat. Das tritt nun ein, wenn das Parlament heute die achte und neunte Bundesrätin wählt. Parallel dazu weibelte der Verband für die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs, für Lohngleichheit und Geschlechter-Richtwerte in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten von grossen Firmen.

Maya Graf, Co-Praesidentin alliance F und Nationalraetin GPS-BL, spricht an einer Medienkonferenz der Frauendachverbaende fuer die Rentenreform, am Donnerstag, 29. Juni 2017 im Medienzentrum des Bunde ...
Maya GrafBild: KEYSTONE

Vor zwei Tagen bewilligte das bürgerliche Parlament, dass Unternehmen mit mindestens 100 Arbeitnehmern künftig alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchführen müssen. Für den Vaterschaftsurlaub zeichnet sich eine Mehrheit für einen Gegenvorschlag ab und auch der Kampf gegen die Übervertretung von Männern in Führungsgremien ist auf Erfolgskurs.

Bloss: Ist das nachhaltig?

Ob eine «angemessene» Vertretung der Geschlechter tatsächlich zur Normalität wird, steht auf einem anderen Blatt. Zwar rückt die Schweiz laut dem weltweiten Ranking des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen auf Platz zehn vor, was die Geschlechtervertretung in der Landesregierung betrifft. Maya Graf verweist auf andere staatliche Ebenen, wo der Frauenanteil stagniert oder gar rückläufig ist: «Frauen sind nach wie vor untervertreten in National- und Ständerat und in vielen Kantonsregierungen.» Es gebe Kantone, wo keine einzige Frau mitregiert. Sie sagt: «Die Bundesratswahlen sind erst ein Anfang.»  (aargauerzeitung.ch)

Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter unter der Lupe:

Video: srf

Wer ist der wirtschaftsfreundlichste Politiker?

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Wer ist der wirtschaftsfreundlichste Politiker?
Sie belegt den ersten Platz, wenn es um die Wirtschaftsfreundlichkeit der Nationalräte geht: Margrit Kessler von der GLP St.Gallen. Um die Wirtschaftsfreundlichkeit zu testen, hat Bilanz gemeinsam mit Politnetz.ch 222 Abstimmungen ausgewertet.
quelle: keystone / lukas lehmann
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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlingel
05.12.2018 08:35registriert März 2018
Was sollen eure Beiträge bewirken? Wir hatten auch schon eine weibliche Mehrheit im Bundesrat und niemand hat sich daran gestört. Hört auf zu tun als wäre es irgendwie ein gesellschaftliches Problem, dass gerade gelöst wird, in dem Frauen im Bundesrat eingesetzt werden. Frauen im Bundesrat sind keine Neuheit und ganz bestimmt ist es nicht nötig 10 Artikel darüber zu schreiben...
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Ziasper
05.12.2018 07:48registriert September 2017
"Trotzdem mag am Tag dieser historischen Wahl niemand mehr über die Frauenfrage sprechen."

Ausser die Medien natürlich, welcher wieder mal irgendetwas aus einer verstaubten Kiste kramen.
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Hungry
05.12.2018 07:35registriert September 2018
Ich habe das Gefühl, dass wir nich weiter sind als vor 20 Jahren. Damals wurden Männer gewählt weil sie Männer sind und heute dasselbe mit den Fraueb. Dabei sollte doch ein Bundesrat ganz andere Qualitäten mit sich bringen als das Geschlecht.
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