Noch zweimal schlafen bis zum Schweizer Polit-Ereignis des Jahres, der Wahl eines neuen Mitglieds der Landesregierung. Auf allzu viel Schlaf dürfen sich die Strategen der Parteien allerdings nicht einstellen – denn die Bundesratswahlen versprechen Spannung bis zur letzten Sekunde.
Das heisst für die Parteispitzen: Gespräche führen mit Vertretern von anderen Parteien, mögliche Sprengkandidaten unter absoluter Geheimhaltung kontaktieren, die eigenen Schäfchen über die Strategie informieren (sofern es denn eine gibt). Die Bauern im Parlament führen heute ein Hearing mit den drei offiziellen SVP-Kandidaten durch, die SP schliesst morgen den Reigen. Kurz: Bis zum ersten Wahlgang fliesst noch viel Wasser den Rhein runter.
Gerade bei den Sozialdemokraten ist der Unmut über die Vorgehensweise der SVP weiterhin gross, wie an der samstäglichen Delegiertenversammlung der SP in St.Gallen klar wurde. Das Dreierticket, verbunden mit der Ausschlussklausel in den SVP-Statuten, wird als Erpressung des Parlaments wahrgenommen. Die Kandidaten Thomas Aeschi, Guy Parmelin und Norman Gobbi stossen auf herzlich wenig Begeisterung.
Es ist demnach die SP, die das grösste Interesse daran hat, am Mittwoch einen Sprengkandidaten zu unterstützen – zumindest in den ersten Wahlgängen. Wenn jener nämlich gleich zu Beginn eine hohe Anzahl Stimmen macht, dürfte dies manchen Bürgerlichen in den folgenden Wahlgängen dazu animieren, auf den Zug aufzuspringen. Wer aber könnte «die vierte Option» sein? Offiziell äussern sich die Parteistrategen nicht zu dieser Frage. Würden sie es tun, wäre die Person von vornherein erledigt.
Die «NZZ am Sonntag» bringt die Schaffhauser SVP-Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel als Sprengkandidatin ins Spiel, für sie spricht ihr Exekutivamt und ihre Führungserfahrung aus Wirtschaft und Militär. Dass sie für Mitte-Links eine interessante Kandidatin sein könnte, zeigt sich an ihren Positionen: In zentralen Fragen weicht sie von der Parteidoktrin ab. So war sie jüngst etwa gegen die parteieigenen Initiativen zur Masseneinwanderung und zu Steuerabzügen für Familien. Auch gegen die Bundesrats-Ausschlussklausel opponierte sie an der Delegiertenversammlung – ohne Erfolg.
Das Problem für SP, Grüne und allenfalls CVP: «Ich stehe definitiv nicht als Kandidatin zur Verfügung», sagt Widmer auf Anfrage. Für sie sei klar, dass nur dann Ruhe einkehre, wenn einer der offiziellen Kandidaten gewählt werde. Das Wohl des Landes stehe über einem allfälligen persönlichen Interesse. Überdies hätten sich keine Vertreter anderer Parteien bei ihr gemeldet.
Auch eine andere Ostschweizer SVP-Regierungsrätin, die Thurgauerin Monika Knill, winkt ab. Es freue sie, dass ihr Name mit dem Amt des Bundesrats in Verbindung gebracht werde, eine allfällige Wahl durch die Bundesversammlung würde sie aber «keinesfalls annehmen», sagt sie. Ähnlich äusserten sich in den vergangenen Tagen weitere potenzielle Sprengkandidaten, etwa Ständerat Roland Eberle (TG) oder Regierungsrat Heinz Tännler (ZG). Sein Desinteresse bereits mehrfach und glaubwürdig bekundet hat der Thurgauer Eisenbahn-Unternehmer Peter Spuhler.
Bleibt vorderhand der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter. Er wurde von der parteiinternen Findungskommission für bundesratstauglich taxiert, schaffte es dann aber nicht in die engere Auswahl – was in seinem Kanton für nachhaltigen Aufruhr sorgt. Hinzu kommt, dass der Sicherheitspolitiker gemäss Fraktionschef Adrian Amstutz eine Wahl als Sprengkandidat nie klar ausgeschlossen habe, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Hurter will sich dazu nicht äussern – wie auch nicht zu seiner Vorgehensweise im Falle einer Wahl am Mittwoch: «Kein Kommentar. Wenn man etwas sagt, wird dies sofort interpretiert.» Dass sein Schweigen die Spekulationen weiter anheizt, nimmt er ganz offensichtlich in Kauf.