«Lo giuro!», sagte Ignazio Cassis mit erhobener Hand kurz nach neun Uhr am Mittwoch Vormittag. Der Tessiner zieht für die FDP in den Bundesrat ein. Besonders in der italienischsprachigen Schweiz herrscht darüber grosse Freude. Der «Corriere del Ticino» titelt:
«Es ist vollbracht: Das Tessin kehrt in den Bundesrat zurück!» In Grossbuchstaben und mit Ausrufezeichen unterstreicht die Zeitung die Freude über den Ticinese im Bern.
Weiter unten schreibt dasselbe Medium, zur Ehrung des neuen Bundesrates seien im Tessin 26 Kanonenschüsse abgefeuert worden. Wo, sei aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben worden.
Frei übersetzt wurde getitelt: «Cassis, eine Kanone: oder besser gesagt, 26 Kanonenschüsse!» Die Kanonenschüsse seien eine halbe Stunde später als geplant abgefeuert worden, schreibt das Portal. Den Tessiner Ständerat, Paolo Beltraminelli, freute es trotzdem. Auf Facebook schreibt er: «26 verspätete Kanonenschüsse...Ignazio Cassis...eine Wucht!!»
Gefeiert wurde im ganzen Tessin, doch an einem Ort ganz besonders. In Sessa strömten die Menschen auf die Strassen und kamen für eine Jubelparade zusammen. Schliesslich sind kennen die Bewohner von Sessa den neuen Bundesrat seit er ein kleines Kind ist. Denn Cassis wurde hier 1961 geboren.
Ebenfalls im «Corriere del Ticino» wird gefeiert, dass nun der Malcantone, eine geografische Region im Tessin, nun in die «Schaltzentrale» nach Bern darf. Zu Malcantone gehört auch das Dorf Sessa, Cassis' Heimatort.
In der Romandie hingegen ist man weniger in Feststimmung, der Genfer Pierre Maudet und die Waadtländerin Isabelle Moret blieben chancenlos. In den dortigen Medien wird der Bundesratswahl allgemein weniger Platz eingeräumt als in den Deutschweizer- und Tessiner-Zeitungen. Auf vielen Newsportalen werden der Wahl nur ein bis zwei Artikel gewidmet.
In einer der wenigen Analysen, die bis 15 Uhr aufgeschaltet war, schreibt eine Journalistin von «Le Temps»:
«Ein zusätzlicher Paradox: Um in den Bundesrat gewählt zu werden, ist es besser über Gesetze abgestimmt als einen Kanton geleitet zu haben.» Die Journalistin setzt damit einen klarer Seitenhieb in Richtung Cassis' Vergangenheit im Nationalrat und Maudets Erfahrung als Genfer Sicherheitsdirektor – und wirkt damit doch etwas verbittert.
Die Onlineversion der Zeitung «24 Heures» betitelt einen Abschnitt «Concurrence entre les Latins», zu Deutsch: «Konkurrenz der lateinischen Schweiz.» Darunter wird erläutert, dass es nicht das erste Mal ist, dass «ein Tessiner in den Sitz eines Westschweizers sitzt». Am Schluss des Abschnittes wird jedoch ernüchternd festgestelt: Dieses Mal wird Cassis mit zwei Frankophonen regieren: dem SVPler Guy Parlemelin und dem Sozialdemokrat Alain Berset.
Die Genfer Tageszeitung «Tribune de Genève» unterstreicht mehrfach das «exzellente» Resultat von Pierre Maudet. Weiter wird die ehemalige Genfer FDP-Regierungsrätin Martine Brunschwig Graf zitiert, die sagt, Genf habe natürlich auf seine Wahl in den Bundesrat gehofft, könne sich nun aber auch freuen, da Maudet nun dem Regierungsrat erhalten bleibe. Für Maudets sei es nur «un rendez-vous reporté», er werde seine Chance ein anderes Mal packen können.
Grosso modo scheinen aber auch die Romands mit der Wahl Cassis' zufrieden zu sein – wohl auch aus Solidarität unter sprachlichen Minderheiten.