«Die drei Leben des Pastors Blocher» feiert am Dienstag in Bern Buchvernissage. Der historische Roman erzählt von Christoph Blochers Grossvater Eduard. Dabei wollen die Autoren Bernard Reist und Artur Kilian Vogel weder Opa noch Enkel in Sippenhaft nehmen.
Vielmehr wirft das Buch Schlaglichter auf die spannenden Themen und Persönlichkeiten, die Eduard Blochers Lebensweg bestimmt und gekreuzt haben. Pfarrer Blocher versuchte beispielsweise, in Algerien Fremdenlegionäre auf den rechten Pfad zurück zu bringen.
Er erlebte als einziger protestantischer Geistlicher im ganzen Wallis unter über 300 katholischen Priestern mit, wie das rückständige Tal an der Wende zum 20. Jahrhundert in die Zukunft aufbrach. Und die letzten 40 Jahre seines Lebens begegnete er in Zürich unter anderen C.G. Jung und Adolf Hitler.
Christoph Blocher war noch nicht einmal zwei Jahre alt, als sein Grossvater Eduard 1942 starb. Er hat ihn also nie bewusst kennengelernt. Dennoch werden Leser hie und da Gemeinsamkeiten entdecken.
Der Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz, den Pastor Blocher als Reaktion auf den verhassten Beitritt zum Völkerbund mitbegründete, erinnert beispielsweise an die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz AUNS, zu deren Gründungsmitgliedern über 60 Jahre später Enkel Christoph gehören wird.
Auch Aussprüche von Eduard wie «diese lieben und netten Intellektuellen» (die Linken) kommen einem bekannt vor. Ebenso wie die Ansicht des Pastors, die Welt wäre besser, wenn jeder dort bleiben würde, wo er geboren worden sei.
Eduard Blocher selber war ein Terzo. Sein Grossvater, der Ur-Ur-Grossvater von alt Bundesrat Blocher, wanderte aus Deutschland ein. Geboren wurde Eduard 1870 in Münchenstein (BL) als Sohn eines wohlhabenden Spinnerei-Direktors.
Als Theologiestudent in Marburg lernte Blocher Mathilde Wigand kennen, die Tochter seiner Schlummermutter. Mathilde war fast noch frommer als er. Sie war zehn Jahre älter, hatte aber ihre jugendliche Schönheit bewahrt und sich gleichzeitig ein reife Robustheit zugelegt, was dem etwas verzagten Eduard gut bekommen ist.
Gleich nach Abschluss des Studiums, Eduard war 24, wurde geheiratet und eine Bewerbung um ein Missionarsamt nach Paris geschickt. Da Eduard auch Französisch sprach wurde er angenommen. Das Paar kam ins algerische Sidi Bel-Abbès.
Der Posten dort als Pfarrer für deutschsprachige Siedler und Fremdenlegionäre war undankbar, kaum einer hatte Lust auf Gottes Wort. Nachdem Tochter Miriam und Sohn Wolfram – Christoph Blochers Vater – geboren waren, zog es die Familie in vertrautere Gefilde. Sie kam für sieben Jahre ins Wallis, wo Eduard die wenigen, weit zerstreut lebenden Protestanten betreute.
Doch die Stimmung war feindselig. Wenn Pastor Blocher einen Begräbniszug zum Friedhof führte, wurden die Trauernden von katholischen Kindern am Strassenrad verspottet. Und der Bischof von Sitten wetterte gegen die Protestanten so massiv, dass ihn die Regierung in Bern an die Kandare nehmen musste.
1905 «fliehen» die Blochers nach Zürich, wo Eduard für die Seelsorge am Kantonsspital und in der psychiatrischen Klinik Burghölzli zuständig ist. Das gibt offenbar nicht so viel zu tun, denn jetzt kann der Pastor machen, was er am liebsten macht: publizieren. Im Gegensatz zu seinem Enkel Christoph ist Eduard kein begnadeter Redner. Wenn er Gift und Galle spuckt, wie auf einer Karikatur des Künstlers Edmond Bille, dann kommen Notizblätter heraus.
Am schlimmsten stösst ihm die drohende «Verwelschung» des Deutschschweizerischen auf; alles Französische hält er für lasch und undiszipliniert, alles Deutsche für moralisch überlegen.
Eduard Blocher hilft Zeitschriften gründen und Organisationen wie den erwähnten Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz (VUS). Vor der letzten Konsequenz schreckt er allerdings zurück: Als sich der VUS dem Dritten Reich nähert, tritt Eduard 1941 aus. Er hat Adolf Hitler kennengelernt; der Mann war ihm unheimlich.
Eduard Blocher ist nicht einfach aus der Versenkung aufgetaucht, seine Biografie war bekannt und ist etwa im Historischen Lexikon der Schweiz nachzulesen. Was ihn zu einem dankbaren Buchobjekt macht, ist die Tatsache, dass er in einer sehr bewegten Zeit gelebt hat und bedeutenden Persönlichkeiten begegnet ist. (whr/sda)