Die ältere Dame winkt am Dorfeingang zu und grüsst. Gleich daneben steht gross auf der Holzscheune: «Willkommen». Der Empfang in Böbikon könnte kaum herzlicher sein, in diesem malerischen Ort, der mehr an eine Gegend im Appenzellerland oder der Innerschweiz erinnert als an einen Flecken unweit der Agglomerationen von Zürich und Baden.
Böbikon liegt in einem Talkessel inmitten des Tafeljuras und ist auf alle Seiten abgeschlossen. Eine geschlossene Gesellschaft ist die Gemeinde, wenn es um das Stimmverhalten bei SVP-Initiativen geht. Fast vier von fünf Stimmenden waren am 9. Februar 2014 für die Masseneinwanderungs-Initiative. Noch höher lag der Wert 2010 bei der Ausschaffungs-Initiative. Böbikon zählte kantonal in beiden Fällen zu den stärksten Befürwortern einer restriktiven Ausländerpolitik.
Warum gibt es hier eine derart ablehnende Haltung gegenüber Ausländern? «Die gibt es nicht», entgegnet Adrian Thoma. Der Gemeindeammann weist den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit in seiner Gemeinde entschieden zurück.
«Das sind wir sicher nicht, wir haben kein Problem mit Ausländern. Bei uns sind alle bestens integriert», sagt Thoma. In Böbikon leben momentan 163 Personen, zwölf davon – rund sieben Prozent – sind Ausländer. «Jeder kennt hier jeden», legt Adrian Thoma wert drauf.
Das Leben nimmt an diesem Vormittag seinen gewohnten Gang. Bedächtig, frei von jeder Hektik. Jemand hat bei frühlingshaften Temperaturen die Wäsche aufgehängt. In einem Garten lächelt einem ein Gartenzwerg entgegen. In einem anderen vergnügen sich Kinder auf dem Spielplatz. Postkartenidylle. Böbikons Dorfbild lebt von gepflegten Einfamilienhäusern, Mietwohnungen sind die Ausnahme. Mit ein Grund, weshalb der Ausländeranteil tief ist.
An den Briefkästen steht Laube, Jetzer, Erne, Keller. Bei der Kirche treffen wir auf eine Frau mittleren Alters. Wie erklärt sie sich diese deutlichen Resultate? Sie hat eine klare Meinung, möchte aber nicht mit Namen erwähnt werden. «Es ist ein Grundempfinden, das sich breitgemacht hat. Es sind Ängste vor der Überfremdung und vor kriminellen Ausländern.» Sie sagt es im Wissen, dass in Böbikon tatsächlich noch ein Stück heile und vor allem sichere Welt existiert.
Nicht nur subjektiv, sondern mit Zahlen belegt. Laut dem Bundesamt für Statistik gehört Böbikon zu den sichersten Orten der Schweiz. Von den 2300 berücksichtigten Gemeinden liegt Böbikon in der Studie auf Rang 2299. «Sie können sich vorstellen, dass die Leute das bewahren möchten», sagt die Frau seelenruhig, bevor sie sich freundlich verabschiedet. Was sie abstimmt? «Das können Sie sich denken.»
Wer vermutet, die Durchsetzungs-Initiative würde in Böbikon hohe Wellen werfen, der irrt. Eine breite Debatte findet nicht statt. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es keine öffentlichen Begegnungszonen mehr hat. Es gibt keine Restaurants und keinen Dorfladen. Aber es gibt einen Jugendtreff.
Jeden Freitag treffen sich im Mehrzweckgebäude Jugendliche. Auch hier sei die Durchsetzungs-Initiative bisher kein Thema gewesen. «Es ist mir zumindest nichts bekannt», sagt Leiter Daniel Mondillo. Der Sohn eines italienischen Einwanderers zog vor zehn Jahren nach Böbikon, ist eingebürgert und längst integriert.
Vor dem Gemeindehaus stehen zwei Herren, beide Mittfünfziger und in aufgeräumter Stimmung. Was sie von der Durchsetzungs-Initiative halten? «Wer die Gesetze nicht akzeptiert, muss die Konsequenzen tragen», sind sich beide einig. Deshalb legen sie ein Ja in die Urne. In einem Dorf, in dem man eng beieinander lebe, sei es noch wichtiger als in einer Stadt, dass man sich nicht auf die Füsse trete. Deshalb reagierten die Leute wohl sensibel darauf, wenn sich jemand nicht an die Regeln halte. «Hier ist das zum Glück kein Problem.»
Werden die Böbiker die Durchsetzungs-Initiative also ebenso entschlossen unterstützen wie die Vorgängerinitiativen? «Es würde mich nicht verwundern, wenn die Vorlage am Sonntag angenommen wird», sagt Adrian Thoma. Der Gemeindeammann würde bei einem Ja zu den Verlierern zählen. «Die Vorlage zielt am eigentlichen Problem vorbei.»
(aargauerzeitung.ch)
und das ist das Problem, es ist zugleich der Erfolg der SVP, sie arbeitet nicht mit fakten, sondern schafft Ängste und bearbeitet diese.
Erst wird ein Problem herbeigeredet und dann eine Lösung verlangt (ohne selbst natürlich eine taugliche Antwort zu haben), also reines beackern der Emotionen, der Ängste, nicht der Fakten oder der Sachlichkeit.
Es macht mich traurig, dass diese Art der Themenbewirtschaftung bei so vielen auf fruchtbaren Boden fällt. :-(