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Martullos Industrie-Verband zieht gegen die SVP in die EU-Schlacht

Nationalraetin Magdalena Martullo-Blocher, SVP-GR, links, verfolgt die Rede von Ratskollege Cedric Wermuth, SP-AG, waehrend der Diskussion zum Auslaendergesetz und der Steuerung der Zuwanderung und Vo ...
Magdalena Martullo-Blocher muss es mit ihrem eigenen Verband aufnehmen. Bild: KEYSTONE

Martullos Verband zieht gegen die SVP in die EU-Schlacht

Gegen einen Rahmenvertrag mit der EU kämpft Magdalena Martullo-Blocher genauso erbittert wie ihr Vater. Allerdings hat sie dabei ihren eigenen Verband gegen sich.
26.03.2018, 09:2026.03.2018, 11:25
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Kneifen gilt nicht. Diese Message senden sie derzeit alle aus: Zuerst die CVP in einem offenen Brief, dann Bundesrat Ignazio Cassis vor über tausend Wirtschaftsvertretern in der Westschweiz. «Die Wirtschaft muss Farbe bekennen», forderte der FDP-Aussenminister in einer Ansprache an der ETH Lausanne eindringlich.

Der Appell bezieht sich auf die Europa-Debatte, welche die Schweiz demnächst in aller Heftigkeit erfassen dürfte. Cassis will die Streitfrage über ein Rahmenabkommen mit der EU noch in diesem Jahr klären. Die Gegenwehr organisiert SVP-Doyen Christoph Blocher. Er hat sogar seinen Posten in der SVP-Parteileitung aufgegeben, um sich voll und ganz auf seine Mission konzentrieren zu können.

Für den Geschmack der Befürworter verhält sich die Wirtschaft in der Frage bislang zu passiv. Die «divergierenden Meinungsäusserungen» von Verbänden und Unternehmen seien nicht dienlich, ärgerte sich die CVP in ihrem Schreiben. Und FDP-Chefin Petra Gössi sagte am Freitag in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger», die Wirtschaftsverbände seien «mit Ausnahme von Swissmem in der Öffentlichkeit noch zu wenig spürbar».

Martullos Verband geht in die Offensive

Tatsächlich jedoch laufen die Vorbereitungen für die alles entscheidende EU-Schlacht in vielen Verbänden bereits seit Monaten auf Hochtouren, wie eine Recherche zeigt. So etwa beim Industrieverband Scienceindustries – in dessen Vorstand auch SVP-Nationalrätin und EMS-Chemie-Chefin Magadalena Martullo-Blocher sitzt.

Vor zwei Wochen redete sich mit Peter Gehler ein Vertreter von Scienceindustries in der «Arena» den Frust von der Seele. «Was wirklich langsam lästig wird für die Wirtschaft, ist, dass wir seit Jahren ständig unter Attacke stehen – unter anderem von Ihrer Partei», konfrontierte er Christoph Blocher in der Sendung.

Video: watson

Gehler trat dabei nicht als Einzelmaske auf. Marcel Sennhauser, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Scienceindustries, bestätigt, der Verband habe bereits vor Monaten damit begonnen, sich für die EU-Debatte zu wappnen. So hat sich der Vorstand intensive Gedanken dazu gemacht, unter welchen Bedingungen ein Rahmenabkommen – intern ist die Rede von einem «Marktzugangsabkommen» – in der Schweiz mehrheitsfähig wäre.

«Wir brauchen Rechtssicherheit. Für uns ist deshalb klar, dass wir es nicht allein der Politik überlassen können, die Bevölkerung frühzeitig zu sensibilisieren.»
Marcel Sennhauser, Scienceindustries

Gleichzeitig hat Scienceindustries die Nein-Parole zur Kündigungs- und zur Selbstbestimmungsinitiative der SVP gefasst. Sennhauser sagt, in allen drei Fragen seien die potenziellen Folgen für die Wirtschaft weitreichend. Darum beziehe man bereits früher Position als gewöhnlich.

Keine «nordkoreanischen Verhältnisse»

«Wir brauchen Rechtssicherheit. Für uns ist deshalb klar, dass wir es nicht allein der Politik überlassen können, die Bevölkerung frühzeitig zu sensibilisieren», so Sennhauser. Ziel sei es, sowohl nach innen als auch nach aussen zu informieren. Ob sich die anderen Vorstandsmitglieder geschlossen gegen Magdalena Martullo-Blocher gestellt haben, will Sennhauser nicht sagen. Es sei das gute Recht eines jeden Vorstandsmitglieds, die eigene Position zu vertreten. «Bei uns herrschen keine nordkoreanischen Verhältnisse.»

Die Verbandsmeinung sei klar: Beim Abschluss eines Rahmenabkommens müssten die roten Linien des Bundesrats eingehalten werden – die Beibehaltung der flankierenden Massnahmen etwa. Zudem müsse ein allfälliges Schiedsgericht unabhängig sein.

«Ein Rahmenvertrag, wie es die EU will und welcher den anderen Parteien vorschwebt, geht gar nicht.»
Magdalena Martullo-Blocher im «Bündner Tagblatt»

Magdalena Martullo-Blocher und ihre Ems-Chemie liessen eine Anfrage zum Thema unbeantwortet. Allerdings machte Martullo bereits mehrfach klar, dass ihre Haltung in der Frage nicht von jener ihres Vaters abweicht: «Ein Rahmenvertrag, wie es die EU will und welcher den anderen Parteien vorschwebt, geht gar nicht», sagte sie vor rund zwei Wochen im «Bündner Tagblatt». Es könne nicht sein, dass die Schweiz künftig mit Ausgleichsmassnahmen gestraft werde, nur weil sie «eine eigene rechtliche Lösung» wolle. 

Christoph Blocher, rechts, CEO und Praesident des Verwaltungsrates der EMS-Chemie Holding AG, und seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher, links, Vize-Praesidentin des Verwaltungsrates, vor dem Fabri ...
Magdalena Martullo, kurz bevor sie 2004 die Leitung der Ems-Chemie von ihrem Vater Christoph Blocher übernahm.Bild: KEYSTONE

Zu erwarten ist, das Martullo im Kampf gegen das Rahmenabkommen eine tragende Rolle spielen wird. Sie ist nicht nur Wirtschaftsverantwortliche der Partei, sondern seit Samstag auch Vizepräsidentin der SVP.

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quelle: keystone / peter schneider
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97 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
26.03.2018 09:43registriert November 2015
Ich werde einfach den Gedanken nicht los, dass die Blochers eine eigene Fede gegen die EU austragen, noch dazu mit gut ausgestatteter Kriegskasse.
Kaum blitzen irgendwo die beiden Buchstaben "EU" auf wird scharf geschossen. Was ich total vermisse sind von Seiten der Blochers LöSUNGEN, ich erkenne nur Abwehr und dies häufig nur mit ihren eigenen unbelegten Annahmen unterlegt.
Was mich aber noch mehr wundert ist die Tatsache der ich täglich begegne: Mittlere und grössere KMUs die ganz klar die Schussrichtung der Blochers NICHT teilen, obwohl sie sonst der SVP mehr als nur nahe stehen.
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ybfreak
26.03.2018 09:36registriert Dezember 2015
Ganz ehrlich, ich verstehe einige Argumente der SVP und teile auch ein paar Bedenken mit ihnen. Was mich aber bei dem sogenannten Kampf von Blocher gegen fremde Richter stört, ist das übertriebene Verhalten. Man könnte meinen die Schweiz geht unter, alleine nur darum, dass wir überhaupt mit der EU verhandeln. Niemand weiss genau, was im Rahmenabkommen drin steht, nur unser heiliger Kämpfer für eine bessere Schweiz weiss genau, was zu tun ist. Ich denke, am Schluss wird es wohl ein Abwägen von Vor- und Nachteilen sein. Ein Vorteil sehe ich schon jetzt, es wird C. Blochers letzte Schlacht sein.
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TomasB
26.03.2018 11:51registriert Februar 2018
Wie lange wollen wir uns eigentlich von einem alten reichen Mann vorschreiben lassen, wer ein guter - und wer ein schlechter Schweizer sein soll. Die Rhetorik gleicht immer mehr seinem Bruder Gerhard und die Schimpftiraden gegenüber unserem Bundesrat haben das „Trumpsche-Niveau“ erreicht. Genug ist bereits überschritten!
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