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Dieses Flussdiagramm zeigt, weshalb Filippo Lombardi nie Bundesrat wird

Bundesrat Didier Burkhalter, links, und Filippo Lombardi, CVP-TI, rechts, sprechen kurz vor Beginn der Von-Wattenwyl-Gespraeche, am Freitag, 12. Mai 2017, im Von-Wattenwyl-Haus in Bern. An den traditi ...
Nach Didier Burkhalters Rücktritt ist CVP-Fraktionschef Filippo Lombardis (rechts) Weg in den Bundesrat endgültig verbaut.Bild: KEYSTONE

Dieses Flussdiagramm zeigt, weshalb Filippo Lombardi nie Bundesrat wird

Die Wahl von Didier Burkhalters Nachfolge hat Auswirkungen darauf, wessen Chancen auf einen Bundesratssitz bei der nächsten Vakanz steigen und wer seinen Traum begraben muss – wie etwa CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi.
22.07.2017, 11:2602.08.2017, 09:58
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Voraussichtlich am 20. September entscheidet die vereinigte Bundesversammlung, wer für den FDP-Aussenminister Didier Burkhalter in den Bundesrat nachrückt. Auch wenn der Tessiner Ignazio Cassis der grosse Favorit ist: Bundesratswahlen sind immer für eine Überraschung gut. Fest steht lediglich: Der Sitz wird in den Händen der FDP bleiben – und in der lateinischen Schweiz.

Mit seinem Rücktritt hat Burkhalter die Schweiz überrascht. Der Neuenburger ist erst seit acht Jahren im Bundesrat. Experten hatten eher damit gerechnet, dass Doris Leuthard als amtsältestes Regierungsmitglied bald zurücktritt. Auch über einen Rücktritt von Burkhalters Parteikollege Johann Schneider-Ammann ist spekuliert worden. Der Berner ist zwar erst seit 2010 Bundesrat, hat aber das Pensionsalter erreicht und mit dem Präsidialjahr 2016 die Krönung seiner politischen Karriere hinter sich.

Die beiden nächsten Vakanzen im Bundesrat dürften also bei der CVP und der FDP entstehen. In den Medien wurden schon zahlreiche Politiker als geeignete Nachfolger für Leuthard und Schneider-Amman genannt. Aber: Bei Bundesratswahlen beachtet das Parlament Faktoren wie die regionale Herkunft, das Geschlecht und die politische Positionierung der Kandidaten.

Dieses Gleichgewicht wird durch die Burkhalter-Nachfolge jetzt neu tariert. Somit hat der Rücktritt des Aussenministers manchem Politiker mit Bundesratsambitionen einen Strich durch die Rechnung gemacht, während er anderen erst die Tür zum höchsten Amt geöffnet hat. Unser Flussdiagramm zeigt, wer profitieren und wer verlieren könnte.

Szenario 1: Wer wird auf Doris Leuthard (CVP) folgen?

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Bild: watson.ch/cbe
  • Graber als Cassis-Ausgleich: Die SP hätte keine Freude an einer Wahl von Ignazio Cassis. Sie kritisierte das Engagement des FDP-Fraktionschefs gegen die Rentenreform. Eine Wahl von Cassis würde Konrad Graber helfen. Der Luzerner Ständerat war Präsident der Einigungskonferenz, in der sich eine Mitte-links-Allianz bei der Rentenreform durchgesetzt hat. CVP-Mann Graber würde von SP und Grünen als Ausgleich zu Cassis gesehen, der bei Wirtschaftsfragen weiter rechts steht als der zurücktretende Burkhalter. 
  • Pfister fürs Gleichgewicht: Schafft die Tessiner Alt-Staatsrätin Laura Sadis die Wahl, wäre einer von zwei FDP-Sitzen in der Hand des Linksfreisinns. Damit stiegen die Chancen, dass der CVP-Sitz an einen klar bürgerlichen Kandidaten gehen würde – etwa Parteipräsident Gerhard Pfister. Wie Konrad Graber stammt auch Pfister aus der Zentralschweiz, die seit 2003 nicht mehr im Bundesrat vertreten war.
  • Engler gegen West-Dominanz: Eine Kandidatur als Burkhalter-Nachfolgerin prüft auch Nationalrätin Isabelle Moret (VD). Ihre Wahl würde die Chancen des Bündner CVP-Ständerats Stefan Engler steigern. Er würde als Vertreter der Südostschweiz das regionale Ungleichgewicht entschärfen. Bei einer Wahl Morets würden weiterhin fünf von sieben Bundesräten in der westlichen Landeshälfte leben. Das schadet dem Solothurner CVP-Ständerat Pirmin Bischof.
  • Amherd mit Frauenbonus: Folgt auf Burkhalter ein Mann, sitzen nur noch zwei Frauen in der Regierung. Der Druck, Doris Leuthards Sitz in Frauenhand zu lassen, würde damit grösser werden – insbesondere, sollte Schneider-Ammann schon vorher zurückgetreten und die Frauen bereits bei seiner Nachfolge übergangen worden sein. Damit stiegen die Chancen der Walliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd. Sollte auf Burkhalter der Genfer FDP-Staatsrat Pierre Maudet folgen (Spitzname «Mister Sicherheit»), wären rechte CVP-Männer wie Gerhard Pfister im Nachteil. 
  • Lombardi ist raus: Schon jetzt ist klar: Filippo Lombardi wird nie Bundesrat. Denn Burkhalters Sitz wird in der lateinischen Schweiz bleiben, die somit ihre drei Sitze behält. Bei einem Leuthard-Rücktritt wird die Deutschschweizer Mehrheit im Parlament auf keinen Fall einen zusätzlichen Vertreter der sprachlichen Minderheiten wählen.

Szenario 2: Wer wird auf Johann Schneider-Ammann (FDP) folgen?

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Bild: watson.ch/cbe
  • Keller-Sutter in der Pole Position: Setzt sich Favorit Cassis durch, führt bei der Schneider-Ammann-Nachfolge kaum ein Weg an der St.Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter vorbei. Der Druck auf die FDP, endlich wieder eine Frau in den Bundesrat zu entsenden, wäre riesig. Die damalige Regierungsrätin wollte bereits 2010 Bundesrätin werden, unterlag aber gegen Schneider-Ammann. Seit 2011 sitzt sie im Ständerat und hat sich auf Bundesebene profiliert, wo ihr rundherum Bundesratsformat attestiert wird.
  • Schmid fürs Gleichgewicht: Setzt sich mit Laura Sadis eine linksfreisinnige Frau durch, profitieren klar bürgerliche FDP-Männer, wie etwa der Bündner Ständerat Martin Schmid. Für ihn sprechen als Vertreter der Südostschweiz auch regionalpolitische Gründe. Bei einer Wahl von Sadis wäre Christa Markwalder hingegen aus dem Rennen: Die FDP würde keinesfalls auf eine zweite Frau vom linken Rand der Partei setzen.
  • Caroni gegen West-Dominanz: Folgt Isabelle Moret auf Didier Burkhalter, bleibt die westliche Landeshälfte im Bundesrat deutlich übervertreten. Gleichzeitig schwinden die Chancen von Karin Keller-Sutter, weil die FDP bereits eine Frau im Bundesrat hätte. Die Konstellation würde Ostschweizer FDP-Männern helfen: Etwa Ständerat Andrea Caroni aus Herisau oder dem Bündner Martin Schmid.
  • Maudet öffnet Tür für Noser: Eine Wahl von Staatsrat Pierre Maudet würde Unruhe in die Reihen der Deutschschweizer Papabili der FDP bringen. Maudet ist als Genfer Sicherheitsdirektor bekannt für seine «Law and Order»-Politik. Damit ist sein Profil jenem von Karin Keller-Sutter sehr ähnlich. Doch auch die Chancen von FDP-Männern am rechten Rand der Partei wie Martin Schmid würden bei Maudets Wahl schwinden. Eine Türe würde sich hingegen für den Zürcher Ständerat Ruedi Noser eröffnen – er politisiert in der Parteimitte und geniesst auch bei der Linken Anerkennung.

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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The_ugly_truth
22.07.2017 12:12registriert April 2017
Verrückte Idee: einfach mal die fähigsten Leute in den Bundesrat wählen, ganz abgesehen von Herkunft, Geschlecht usw.
6013
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Zum Kommentar
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goschi
22.07.2017 12:50registriert Januar 2014
Schöne Aufstellung die interessante zusammenhänge offen legt, danke dafür und bitte gerne mehr hintergrund-Artikel zur schweizer Politik.
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