Ein Jahr nach dem historischen Frauenstreik vom 14. Juni 2019 lancieren Dutzende Organisationen und Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Justiz den nationalen Appell für ein «zeitgemässes Sexualstrafrecht». Sie kritisieren, dass Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht unbestraft bleiben.
«Wir fordern die Revision des Schweizerischen Strafgesetzbuches, damit alle sexuellen Handlungen ohne Einwilligung angemessen bestraft werden können», heisst es in dem Appell, den 130 Persönlichkeiten und 55 Organisationen unterzeichneten. Die Straftatbestände Art. 189 (sexuelle Nötigung) und Art. 190 (Vergewaltigung) sollten entsprechend ergänzt werden.
Heute anerkennt Strafrecht eine sexuelle Handlung gegen den Willen der betroffenen Person nur dann als schweres Unrecht, wenn das Opfer dazu – etwa durch Gewalt oder Drohung – genötigt wurde. Das teilten Amnesty International Schweiz und weitere Unterzeichnerorganisationen am Freitag mit.
Vom Opfer werde damit indirekt verlangt, dass es sich zur Wehr setzt und weitere Verletzungen in Kauf nehme, ein «Nein» allein genüge nicht, heisst es weiter in dem Appell. Und so blieben massive Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung in der Schweiz regelmässig straflos.
«Sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person darf das Strafrecht nicht tolerieren. Das veraltete Sittenbild muss aus dem Recht entfernt werden», erklärte Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin Alliance f und Nationalrätin (GLP/BE).
Eine repräsentative Erhebung von gfs.bern im Auftrag von Amnesty International legte 2019 ein schockierendes Ausmass sexueller Gewalt in der Schweiz offen. 22 Prozent der Frauen in der Schweiz haben demnach während ihres Lebens ungewollte sexuelle Handlungen erlebt, 12 Prozent erlitten Geschlechtsverkehr gegen den eigenen Willen. Nur 8 Prozent der Betroffenen erstatteten nach sexueller Gewalt Anzeige bei der Polizei.
Das Justizdepartement prüft zurzeit im Auftrag der Rechtskommission des Ständerats, wie das Schweizer Strafrecht sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person behandeln soll, wenn weder Gewalt noch Drohung vorlag.
Neun Länder in Europa stellen Vergewaltigung aufgrund fehlender Zustimmung bereits unter Strafe: Belgien, Deutschland, Griechenland, Island, Irland, Luxemburg, Schweden, Grossbritannien und Zypern. In Spanien, Dänemark, den Niederlanden und Finnland werden entsprechende Reformen diskutiert.
Zu den Initiantinnen des Appells zählen neben Kathrin Baertschy auch Tamara Funiciello, Co-Präsidentin SP-Frauen Schweiz und Nationalrätin (SP/BE), Alexandra Karle, Geschäftsleiterin Amnesty International Schweiz und Agota Lavoyer von Lantana, einer Fachstelle für Opferhilfe bei sexueller Gewalt.
Neben Alliance f und Amnesty International Schweiz haben unter anderem auch die feministische Friedensorganisation cfd, die Frauen für den Frieden und die Dachorganisation der Frauenhäuser Dao den Appell unterzeichnet. Die SP Schweiz, die Grünen Schweiz, die Juso Schweiz und die Jungen Grünliberalen Schweiz sowie die Gewerkschaft Unia unterstützen den Appell ebenfalls. (cki/sda)
ChillDaHood
Es ist natürlich immer noch nötig, das auch beweisen zu können und die Gefahr, dass Täterinnen und Täter "in dubio pro reo" davonkommen existiert. Aber ein "NEIN" muss als Abwehr reichen.
Kiro Striked
Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die Richtige Richtung, aber Aussage gegen Aussage wird leider bleiben.
Sagt die Frau "Nein" und Mann machts trotzdem, kann er sagen "sie hat nie "Nein" gesagt.
Sagt Frau "Ja" und behauptet nacher das Gegenteil, kann er sich auch nicht "richtig" wehren.
In Beiden Fällen ein Aussage gegen Aussage Fall.
Halte dies für ein so abartig schwieriges Thema um eine gute Lösung zu finden. Man gibt immer der einen oder anderen Seite das "Szepter" in die Hand. Und körperliche Beweise sind je nach Fall auch nichtssagend.
RandomNicknameGenerator
So ist von Anfang an klar: Nein heisst Nein.