Schweiz
Gesellschaft & Politik

Neue Richtlinien sollen Ärzten beim Umgang mit Bodypackern helfen

Rekonstruiertes CT mit Darstellung von verschluckten Drogenpaketen in Dickdarm und Rektum
Personen, die Drogen in ihrem Körper illegal über die Grenze transportieren, gehen ein hohes gesundheitliches Risiko ein. Bild: Copyright: Hogrefe AG/Markun S, Flach PM, Schweitzer W, Imbach S. Bodypacking. PRAXIS. Juli 2013;102(15):891–901

Nach falschem Umgang mit Bodypackern: Ethikkommission stellt Richtlinien für Ärzte auf

Im Juli dieses Jahres wurde publik, dass im Wallis mutmassliche Bodypacker unnötig häufig zum Röntgen geschickt wurden. Nun sollen klare Richtlinien vor sinnlosen körperlichen Untersuchungen schützen.
19.12.2018, 08:2619.12.2018, 18:01
Helene Obrist
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Besteht bei einer Person, die eine Schweizer Grenze passiert, ein Verdacht auf Bodypacking, wird diese von den Grenzbeamten zur medizinischen Untersuchung begleitet. Dort muss festgestellt werden, ob sich der Verdacht als richtig erweist. Die geschluckten Drogenpäckchen setzen das Leben des Schmugglers aufs Spiel. Platzt ein Päckchen, befindet sich die Person in Lebensgefahr. Diese Ausnahmesituation versetzt viele Notfallärzte in eine extrem schwierige Lage. 

Was ist Bodypacking, Bodystuffing, Bodypushing?
Bodypacking: Schmuggler schlucken mehrere Drogenpäckchen. Eine Person kann bis zu 100 solcher Pakete in sich haben.
Bodystuffing: Drogen werden unmittelbar vor einer Kontrolle verschluckt, um sie vor den Beamten zu verbergen. Im Gegensatz zum Bodypacking sind die Mengen zwar meist kleiner, aber dafür nicht sorgfältig mit dichten Verpackungen umhüllt.
Bodypushing: Die Drogen werden vaginal oder rektal verborgen.

Im Juli dieses Jahres wurde publik, dass Grenzwächter im Wallis für unnötig viele mutmassliche Bodypacker Computertomographien angeordnet hatten – darunter auch eine Schwangere (wir berichteten). Das ist deshalb brisant, weil laut dem Bundesamt für Strahlenschutz Computertomographien zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen bei Embryonen führen können. 

Der Bericht schlug hohe Wellen – und verunsicherte auch die zuständigen Notfallärzte im Wallis. Diese wandten sich darauf an die Zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). «Betroffene Ärzte aus dem Wallis sind an uns herangetreten mit der Bitte um eine Stellungnahme», bestätigt Michelle Salathé, Generalsekretärin der SAMW. 

Klare Regeln für Ärzte

In enger Zusammenarbeit mit der Konferenz Schweizer Gefängnisärzte (KSG) und betroffenen Ärzten hat die SAMW darauf eine Checkliste zum Umgang mit Bodypackern ausgearbeitet. 

«Die Ärzte können nicht gleichzeitig eine Experten- und eine Therapeutenrolle wahrnehmen.»
Michelle Salathé, Generalsekretärin der SAMW

Ein grosses Problem ist der Rollenkonflikt, der für die Ärzte während einer Bodypacker-Untersuchung entstehe, erklärt Salathé. Einerseits müsse festgestellt werden, ob sich der Verdacht auf Bodypacking bestätigt. Andererseits müssen die betroffenen Personen auch gesundheitlich überwacht werden, um eine sichere Ausscheidung der Drogen zu gewährleisten. Und genau dieser Punkt ist kritisch, wie Salathé erklärt: «Die Ärzte können nicht gleichzeitig eine Experten- und eine Therapeutenrolle wahrnehmen.»

Hinzu kommt der Druck, der auf den Ärzten in einer solchen Situation lastet, erklärt Hans Wolff, Gefängnisarzt und Mitglied der zentralen Ethikkommission der SAMW. «Häufig kommt die Polizei zu zweit oder dritt in die Notfallabteilung und fordert sogleich eine computertomografische Untersuchung.» Viele Ärzte fühlen sich laut Wolff oftmals überfordert und gar gezwungen, die Untersuchung anzuordnen. «Die Ärzte müssen in einer solchen Situation aber widersprechen können, falls sie den Eindruck haben, dies sei ethisch nicht korrekt», sagt der Gefängnisarzt bestimmt. 

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Ärzte, die sich um Bodypacker kümmern müssen, sind einem hohen Druck ausgesetzt. (Symbolbild)Bild: KEYSTONE

Laut Wolff sollen die Richtlinien in Zukunft helfen, Personen mit Bodypacking gut zu betreuen. Auch können sie verhindern, bei Frauen radiologische Untersuchungen durchzuführen ohne eine Schwangerschaft ausgeschlossen zu haben.

Mit den neuen Regeln können die Ärzte zudem auch gegenüber den Polizisten klar kommunizieren, dass eine Trefferquote wie beispielsweise diejenige im Wallis (nur neun Prozent) das Verstrahlungsrisiko nicht rechtfertigt. 

Keine körperliche Untersuchung ohne Zustimmung

Die Richtlinien halten zudem fest, dass eine Person bei Verdacht auf Bodypacking über die gesundheitlichen Massnahmen nicht nur aufgeklärt werden, sondern diesen auch zustimmen muss. Heisst konkret: Verweigert die betroffene Person eine radiologische Untersuchung, darf diese nicht durchgeführt werden. 

Zudem müssen die Rollen immer klar getrennt sein. Der Arzt, der den Verdacht auf Bodypacking feststellen muss, darf nicht der gleiche sein, der sich bei Bestätigung des Verdachts um den Patienten kümmert. 

Nachweis von Mikroplastik im Wasser

Video: srf/SDA SRF
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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SparkintheDark
19.12.2018 09:06registriert Dezember 2018
Legalisiert doch die verdammten Drogen. Wir sind erwachasene, mündige Menschen und dürfen uns reinpfeiffen was wir wollen. Stattdessen generieren wir 500 Mrd (=BIP der Schweiz) jährlich an gewinnen für die Weltweite Mafia.

Echt Idiotisch!
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G. Nötzli
19.12.2018 08:56registriert Juni 2015
"Verweigert die betroffene Person eine radiologische Untersuchung, darf diese nicht durchgeführt werden."

Na viel Spass hier noch etwas gegen Bodypacker zu machen!

Die wahrscheinlich dümmste Regel des Jahres...
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Medizinerli
19.12.2018 10:27registriert September 2018
Wie wäre es mit vor die Wahl stellen ob CT-Untersuchung oder eine nette Abführung im Beisein einer überwachenden Person? ;) Klar, ein Scheissjob, aber dann darf niemand jammern wegen den Strahlen (die Armen Täter...) :)
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