Schweiz
Gesellschaft & Politik

Sozialdemokraten taxieren die Inflation in der Schweiz – mit diesem Plan

SP-Plan gegen hohe Preise: Jede Person soll 260 Franken bekommen, falls …

Die Sozialdemokraten taxieren die Inflationsgefahr in der Schweiz als «besorgniserregend». Sie haben dazu ein Massnahmenpapier erarbeitet, das der «Schweiz am Wochenende» vorliegt. Kernpunkt: Ein «Check fédéral».
03.06.2022, 21:49
Othmar von Matt / ch media
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910 Franken bekäme eine Familie mit drei Kindern einmalig ausbezahlt – falls die Teuerung in der Schweiz auf über 5 Prozent steigt. Je 260 Franken für die Mutter und den Vater und je 130 Franken pro Kind.

Dieser sogenannte «Check fédéral» ist das Kernelement des Pakets der SP Schweiz zur «Entlastung der Haushalte und zum Schutz der inländischen Kaufkraft».

Les deux Co-presidents du PS Suisse, Mattea Meyer, gauche et Cedric Wermuth, droite, posent, lors de l'assemblee du congres du Parti socialiste (PS) Suisse, ce samedi 5 fevrier 2022 a Palexpo Gen ...
Die SP-Co-Präsidenten Mattea Meyer und Cédric Wermuth legen ein Papier vor gegen die Inflation.Bild: keystone

80 Prozent der Wohnbevölkerung sollen von dieser Massnahme profitieren, unter der Bedingung einer Teuerung von mindestens 5 Prozent. Aktuell beträgt sie 2.9 Prozent, Tendenz steigend. Jede Einzelperson erhielte einmalig 260 Franken und jedes Kind 130 Franken – in Haushalten mit einem Bruttoeinkommen bis 90'000 Franken.

80 Prozent der Bevölkerung würden profitieren

Damit würden 80 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung von dieser Massnahme profitieren, welche die SP verschlägt. Und zwar progressiv: Je weniger ein Haushalt verdient, desto stärker fällt der «Check fédéral» in Sachen Kaufkraft ins Gewicht. Die Idee dahinter: Die Kaufkraft der Haushalte soll sofort temporär geschützt werden.

«Die Situation ist besorgniserregend und könnte sich in den kommenden Monaten weiter zuspitzen», sagt SP-Nationalrätin Samira Marti. «Der Schutz der Kaufkraft ist zentral, um die Konjunktur zu stabilisieren und die Haushalte zu entlasten.»

ARCHIV -- Samira Marti, Kandidatin als neue JUSO-Praesidentin, vor der Delegiertenversammlung der JUSO in Zuerich am Samstag, 18. Juni 2016. Die 24-jaehrige Baselbieter SP-Politikerin Marti rueckt in  ...
SP-Nationalrätin Samira Marti.Bild: KEYSTONE

Marti (28) hat das SP-Paket zusammen mit SP-Nationalrat Samuel Bendahan (41) verfasst. Marti ist Ökonomin und Vize-Fraktionschefin. Bendahan unterrichtet als Wirtschaftswissenschafter an der Universität Lausanne und berät Konzerne und Banken.

Nationalrat Samuel Bendahan, VD aeussert sich zu den internationalen Enthuellungen im Rahmen von SuisseSecrets rund um die Grossbank Credit Suisse und fordern Massnahmen, am Montag, 21. Februar 2022,  ...
SP-Nationalrat Samuel Bendahan.Bild: keystone

«Die inländische Teuerung droht weiter anzusteigen», sagt Marti. «Das hängt zusammen mit der von steigenden Energiepreisen ausgelösten internationalen Inflation, mit den Lieferketten-Problemen und mit dem Prämienschub bei den Krankenkassen im Inland.»

Die Anzeichen verdichten sich, dass die Kaufkraft auch in der Schweiz immer stärker schwindet. Bei den Krankenkassenprämien wird im Herbst ein Kostenschub von 5 bis 10 Prozent erwartet. Für eine fünfköpfige Familie, die 1000 Franken Prämie bezahlt, bedeutet das bei 7 Prozent Teuerung 840 Franken Zusatzkosten pro Jahr.

Auch der Strompreis steigt im nächsten Jahr um 20 Prozent

2023 wird auch der Strompreis im Schnitt um 20 Prozent steigen, wie die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) am Donnerstag bekannt gab. Dies zeigte eine Umfrage im Mai bei 613 Energieversorgungsunternehmen. Für eine fünfköpfige Familie, die in einer Fünfzimmerwohnung lebt, bedeutet das eine Erhöhung des Strompreises um 180 Franken pro Jahr – weil der Strompreis von 21 auf rund 25 pro Kilowattstunde ansteigen dürfte.

Mit den um 840 Franken höheren Krankenkassenprämien und dem um 180 Franken höheren Strompreis liegt die fünfköpfige Familie mit 1020 Franken höheren Kosten bereits über dem «Check fédéral» der SP von 910 Franken. Die Erhöhung der Lebensmittelpreise noch nicht eingerechnet.

Die Schweizer Bevölkerung hat dabei noch Glück: Die Energieunternehmen dürfen Erhöhungen des Strompreises nicht wie in anderen Ländern direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Sie werden erst auf nächstes Jahr wirksam.

Deutschlands Strom ist schon heute 40 Prozent teurer

In Deutschland ist die Situation schon heute dramatisch. Die Energie verteuerte sich im Mai im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 Prozent. Und die Inflationsrate liegt mit 8 Prozent so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Bundesfamilienministerin Lisa Paus will nun verhindern, dass der Strom bei jenen abgestellt wird, die ihn sich nicht mehr leisten können. Zudem erwägt sie einen Familienbonus – als Einmalzahlung an Familien. Auch in den USA lag die Teuerung im April bei 8.3 Prozent.

«8 Prozent Teuerung wie in Deutschland, das ist besorgniserregend», sagt SP-Nationalrätin Marti.

«Der Bundesrat muss jetzt handeln. Der Schutz der inländischen Kaufkraft ist absolut prioritär.»

Denn 60 Prozent der Wirtschaftsleistung der Schweiz stamme aus dem privaten Konsum. Die grösste Belastung für die privaten Haushalte sieht Marti bei den Wohnkosten und den Krankenkassenprämien. Mit dem indirekten Gegenvorschlag zur SP-Initiative für bezahlbare Prämien werden voraussichtlich ab 2024 zwei Milliarden mehr für Prämienverbilligungen verfügbar gemacht.

Den Prämienschock bei den Krankenkassen vom Herbst möchte die SP mit einer Sofortmassnahme mildern. Der Bundesrat solle in Zusammenarbeit mit den Kantonen bereits im Herbst die Prämienverbilligungen erhöhen, um die Kaufkraft zu stabilisieren, schreibt sie im Papier.

Unter Druck dürften aber auch die Nebenkosten der Mieten geraten, befürchtet die SP. Deshalb fordert sie als Sofortmassnahme die Einführung eines temporären Nebenkostendeckels. Damit sollen alle Schweizer Miethaushalte gegen Erhöhungen des Erdöl- und Gaspreises geschützt werden, die im Vergleich zu den drei letzten Jahren über 30 Prozent gehen. Den Miethaushalten drohten happige Erhöhungen bei den Nebenkosten von bis zu 1200 Franken, schreibt die SP in ihrem Papier.

Drei mittelfristige Massnahmen

Im Papier listen die Genossen auch mittelfristige Massnahmen auf. So wollen sie eine Senkung der Ticketpreise des öffentlichen Verkehrs erreichen. Diese seien in den letzten dreissig Jahren doppelt so stark angestiegen wie die Kosten des motorisierten Individualverkehrs. Vergünstigungen brauche es vor allem beim Halbtax und bei den Familientarifen, heisst es.

Jacqueline Badran fordert zudem mit einer parlamentarischen Initiative, dass eine periodische Revisionspflicht eingeführt wird, um die erzielten Renditen auf Mietzinsen zu überprüfen. Badran will damit missbräuchliche Mietzinse verhindern.

Bei der Energie setzt die SP bei den Heizungen an. Fossile Heizungen und Elektrowiderstandsheizungen sollen beschleunigt durch Heizungen aus erneuerbaren Energien ersetzt werden. Dafür will die SP zusätzliche Fördermittel. (bzbasel.ch)

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109 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hans Tom
03.06.2022 22:38registriert Juni 2021
Diese Verteilung von billigem Geld in den USA ist ja unter anderem Schuld an der Teuerung. Inflation ist ein monetäres Problem, nicht mehr, nicht weniger. Noch mehr “freies” Geld in den Umlauf zu bringen, wäre in etwa so, als würde man Feuer mit Feuer bekämpfen. Aber es sind ja auch keine Ökonomen bei der SP.
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Rodger
03.06.2022 22:26registriert November 2020
Sorry aber das Gleiche machen wie die USA wie dämlich ist den diese Idee, da gibt es bessere Maßnahmen.
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Sir Konterbier
04.06.2022 00:16registriert April 2017
Ganz clever wirklich!👏👏👏 Auf diese Art und Weise kriegt man die Inflation ganz sicher unter Kontrolle😂

Nein im Ernst: Hört auf solche unfähigen Leute zu wählen, sonst hört das nie mehr auf…
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