Die Suche nach der ersten Festanstellung kann hart sein. Viele Unternehmen verlangen von den Bewerbern Berufserfahrung und wollen keine Neulinge. Und so bleibt auf dem Weg zum ersten richtigen Job häufig nur der Umweg über ein Praktikum, in dem man für den deutlich tieferen Lohn vielfach genau gleich chrampfen muss wie der festangestellte Mitarbeiter, der vis-à-vis sitzt.
Schluss mit dem Ausnützen von Praktikanten, fordern verschiedene Politiker – von links bis rechts. Doch der Bundesrat hat für diese Rufe kein Gehör, wie er diese Woche erneut unterstrich.
SP-Nationalrat Mathias Reynard will die Position der Praktikanten stärken. Denn der Walliser befürchtet, «dass Praktika zu verschleierten prekären Arbeitsplätzen verkommen». In einem Vorstoss, den er im Juni einreichte, fordert Reynard einen besseren rechtlichen Rahmen. So sollen zukünftig etwa die maximale Dauer und minimale Entschädigung im Arbeitsrecht geregelt sein.
«Ein Praktikum hat den Erfordernissen einer Ausbildung zu dienen und darf nicht den Betrieben billige Arbeitskräfte verschaffen», schreibt Reynard in seinem Vorstoss weiter.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Parlament mit Praktika auseinandersetzt. Entsprechende Vorstösse kamen bereits von links wie rechts. So forderte die SVP-Fraktion 2016, dass Praktika auf eine Dauer von einem Jahr beschränkt werden sollen. Im selben Jahr forderte Lisa Mazzone von den Grünen, dass der Bund sich einen umfassenden Überblick über die Praktikumssituation in der Schweiz verschafft, um prekäre Anstellungsverhältnisse aufzudecken.
Auf all diese politischen Anliegen hatte der Bundesrat bislang immer dieselbe Antwort parat: Er sehe keinen Handlungsbedarf. Jüngst auch wieder in seiner Abfuhr an das Anliegen von Reynard.
In seiner Stellungnahme schreibt der Bundesrat zwar, die Anzahl Praktikanten im Land steige, doch die Bedeutung von Praktika sei in der Schweiz «insgesamt relativ gering». Auch zu einem «Einfallstor für prekäre Arbeitsbedingungen» seien die Praktika nicht geworden. Lediglich sieben Prozent der Praktikanten hätten 2017 angegeben, ein Praktikum zu absolvieren, weil sie keine Festanstellung finden konnten. 2010 seien es noch 11 Prozent gewesen. Eine gesetzliche zeitliche Begrenzung von Praktikumsverträgen erachtet die Regierung deshalb als «nicht notwendig».
Die von Reynard geforderten Massnahmen würden laut Bundesrat den administrativen Aufwand für die Unternehmen erhöhen. Das könnte die Arbeitgeber abschrecken und dazu führen, dass sie schlussendlich weniger Praktikumsstellen anbieten. Auch einen Mindestlohn hält der Bundesrat für unnötig, denn der Fokus eines Praktikums liege auf der Bildung und nicht auf dem Lohn. Ohnehin unterlägen auch Praktika dem schweizerischen Arbeitsrecht und somit denselben gesetzlichen Schutzbestimmungen wie alle anderen Arbeitsverträge – die Praktikanten seien somit genügend vor Missbrauch geschützt, und es bestehe kein Handlungsbedarf.
Gleich tönt es vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Regulatorische Einheitslösungen für Praktika würden schon nur darum keinen Sinn machen, weil sie sich hinsichtlich Zweck, Dauer, Organisation, Regelung und Finanzierung stark unterscheiden.
Reynard zeigt sich wenig begeistert von diesen Erklärungen: «Die Antwort des Bundesrates ist abgehoben und fern von der Realität. Die ‹Generation Praktikum› ist eine Tatsache, das zeigen auch die Zahlen deutlich.»
Er störe sich nicht an Praktika, die innerhalb eines Studiums absolviert werden. Ein Praktikum mit konkretem Bildungsziel sei eine gute Sache. «Aber es ist nicht normal, dass junge Menschen Praktika aneinanderreihen müssen und als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden. Ich kenne Personen mit Universitätsabschluss, die vor ihrem ersten richtigen Job drei Praktika à 200 Franken Monatslohn in Kauf nehmen mussten.» Auch das Schweizer Arbeitsrecht genüge bei weitem nicht: «Da steht ja fast nichts drin.» Hoffnung, dass das Parlament seinen Forderungen nachkommt, hat Reynard aber wenig: «Mit der bürgerlichen Mehrheit im Parlament wird das schwierig.»
Das sei genau das Problem, sagt Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse. «Wir wissen es nicht. Es gibt schlicht und einfach zu wenige statistische Daten zu Praktika.»
Abgeleitet aus seiner täglichen Erfahrung hat Fischer aber den Eindruck, dass die Zahl problematischer Praktika zunimmt. Vor allem eine Unsitte fällt Travail.Suisse immer mehr ins Auge: «Wir beobachten, dass immer mehr Absolventen einer Berufsausbildung zuerst ein Praktikum machen müssen, bevor sie Chancen auf eine Festanstellung haben.» Vor allem beim KV sei diese Tendenz zu beobachten. «Einstige Einstiegsstellen werden heute von den Unternehmen mit Praktikanten ersetzt. Damit sparen sich die Firmen mehrere Tausend Franken Lohnkosten im Monat.»
Vielfach problematisch seien auch Praktika in der Kinderbetreuung. Fischer: «In dieser Branche habe ich schon von Fällen gehört, in denen drei Jahre Praktika nötig waren, bevor man überhaupt die Lehre antreten durfte.»