Schweiz
Gesellschaft & Politik

Asylgesetz: Wie der HEV der SVP in die Hände spielt

Hans Egloff (rechts im Bild): Sowohl SVP-Nationalrat als auch Präsident des Hauseigentümer-Verbandes. 
Hans Egloff (rechts im Bild): Sowohl SVP-Nationalrat als auch Präsident des Hauseigentümer-Verbandes. Bild: KEYSTONE

Asylgesetz: Wie der Hauseigentümer-Verband der SVP in die Hände spielt

18.04.2016, 05:2918.04.2016, 08:05
Antonio fumagalli / Aargauer Zeitung
Mehr «Schweiz»

Die Schweiz ist ein Land der Mieter. Die Schweiz ist in zunehmendem Mass aber auch ein Land der Hausbesitzer – und um sie dreht sich nun das neuste Gefecht im Kampf um die Asylgesetzrevision, über die wir am 5. Juni abstimmen.

In einem «offenen Brief» an Justizministerin Simonetta Sommaruga, der seit gestern in ganzseitigen Zeitungsinseraten abgedruckt wird, warnt der Hauseigentümerverband der Schweiz (HEV), dass die Revision «den Weg für möglicherweise massive Eingriffe in fremdes Eigentum ebnet».

Stein des Anstosses ist Artikel 95b des neuen Gesetzes, der das «EJPD ermächtigt, nötigenfalls die Enteignung (von Grundstücken) durchzuführen». Beim HEV läuten die Alarmglocken: Er fürchtet, dass Schweizer Hauseigentümer womöglich «ihren Grund und Boden zwangsweise für die Lösung der Asylproblematik hergeben müssen».

Ein Szenario, das die angesprochene Justizministerin als «sehr theoretisches Argument» abklassiert. In den vergangenen fünf Jahren hätten Bund, Kantone und Gemeinden nie gegeneinander gearbeitet, sondern immer einvernehmliche Lösungen gesucht und gefunden. «Wir arbeiten in der Schweiz nicht so», sagt Sommaruga gegenüber dem «SonntagsBlick».

Enteignungen seien nur «Ultima Ratio» – so wie auch die Armee seit zwanzig Jahren dieses Recht habe, davon aber noch nie Gebrauch gemacht habe.

Jetzt auf

«Offener Brief» statt Inserate?

Die Informationsoffensive des Hauseigentümerverbandes kommt im Abstimmungskampf zu einem zentralen Zeitpunkt, die Bevölkerung beginnt sich erst eine Meinung zu bilden. Und sie spielt der SVP, die den Kampf gegen die Gesetzesrevision anführt, in die Hände.

Denn die grösste Partei der Schweiz hat entschieden, im Gegensatz etwa zur hauseigenen Durchsetzungsinitiative diesmal mit der kleinen Kelle anzurühren. Die Asylgesetz-Kampagne wolle man «im unbezahlten Raum» und nicht etwa über Zeitungsinserate oder Plakate führen, hiess es unlängst aus der SVP-Zentrale.

Da kommt es natürlich nicht ungelegen, wenn eine Drittpartei mit gleichem Ziel die Lücke auffüllt. Vor allem aber hält der Hauseigentümer-Verband den Finger auf ein Argument, das im bisherigen Abstimmungskampf nur eine untergeordnete Rolle spielte: Die SVP erwähnte in ihren Stellungnahmen stets die «Gratisanwälte», die es zu verhindern gelte, und sie stellte in Abrede, dass die Revision die Rückschaffungen beschleunigen würde. Die allfälligen Enteignungen, obwohl Teil des Argumentariums, waren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zentrales Element.

Albert Rösti will nichts von einer koordinierten Zusammenarbeit wissen.
Albert Rösti will nichts von einer koordinierten Zusammenarbeit wissen.
Bild: KEYSTONE

Soll der HEV also – sozusagen als unverdächtiger Aussenstehender – für die SVP die Kohlen aus dem Feuer holen? Der designierte neue SVP-Präsident Albert Rösti stellt dies in Abrede: Da stecke keinerlei strategische Absicht dahinter, es sei im ureigenen Interesse des HEV sich gegen Enteignungen zu wehren. «Natürlich ist es uns recht, wenn Direktbetroffene wie die Hauseigentümer Stellung beziehen», sagte Rösti gestern gegenüber der «Nordwestschweiz».

Präsident hat zwei Hüte auf

Nicht unwichtig: Der Präsident des Hauseigentümer-Verbandes heisst Hans Egloff und sitzt seinerseits für die SVP im Nationalrat. Er betont auf Anfrage, er wolle sich nicht grundsätzlich in die Parteikampagne einspannen lassen. Ihm gehe es um die «zunehmende Erosion des Begriffs ‹Eigentum›».

Als wolle er seine Unabhängigkeit unter Beweis stellen, überrascht der Zürcher mit einer unerwarteten Aussage: «Wenn es den Enteignungs-Artikel nicht gäbe, wäre die Asylgesetz-Revision eine Kröte, die man hätte schlucken können», so Egloff. Sein künftiger Parteipräsident Albert Rösti will ihm dafür nicht die Leviten lesen: «Ich bin nicht gleicher Meinung, ärgere mich aber nicht, da er das Asylgesetz ja auch ablehnt.»

Ärgern, das tut sich dafür Beat Flach, der für ein Ja zur Asylgesetzrevision eintritt. Er nimmt dem HEV die betonte Unabhängigkeit nicht ab: «Er wird als SVP-Vehikel missbraucht», so der Aargauer GLP-Nationalrat. Er sei seit über zwanzig Jahren Mitglied des Verbandes, habe aber je länger, je mehr «grosse Mühe mit der rückwärtsgewandten Politik».

So teile er dessen Positionen in der Energiepolitik nicht und die aktuelle Asylgesetz-Kampagne sei «pure Stimmungsmache und Angstmacherei». Seine Mitgliedschaft wolle er deswegen noch nicht gleich kündigen, «aber es wird immer schwieriger», so Flach.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
63 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Herbert Anneler
18.04.2016 05:50registriert August 2015
Es ist schlicht eine Frechheit, wie da Vereinsmitglieder - auch gegen ihren Willen - durch ihre Vorstände in Geiselhaft genommen und missbraucht werden - ohne sie zu fragen!!! So nun der Hauseigentümerverband, so der Gewerbeverband. Was hat das noch mit Demokratie und Freiheit zu tun?!?
3914
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alex23
18.04.2016 07:34registriert Februar 2015
Kann mich nicht erinnern, dass über potentielle Enteignungen bei Strassenbau und dergleichen bisher so ein Tamtam gemacht wurde.
3712
Melden
Zum Kommentar
avatar
dergraf
18.04.2016 09:03registriert April 2016
Das der Hauseigentümerverband durch Hans Egloff seit Jahren zugunsten seiner (SVP)Interessen missbraucht wird kommt immer wieder zum Vorschein - nicht nur jetzt mit dem vorgeschobenen, sehr schwachen Enteignungsgesetz...
Als Beispiel sei hier erwähnt, wie Egloff - ohne Zustimmung der Sektionen - die "Pistenausbau-Initiative" am Flughafen Zürich durch den Hauseigentümerverband befürworten liess. Es gab dadurch Rücktritte von Sektionspräsidenten.
Der Hauseigentümerverband wird, wie der Gewerbeverband für die Interessen der SVP missbraucht. Zum Schaden der Mitglieder!
3111
Melden
Zum Kommentar
63
IWF rechnet 2024 mit moderat festerem BIP-Wachstum in der Schweiz

Die Schweizer Wirtschaft dürfte laut dem Internationalen Währungsfonds IWF im Jahr 2024 wieder anziehen. Zugleich vergab der IWF im jährlich durchgeführten Länderexamen der Schweiz gute Noten zur Geld- und Haushaltspolitik. Wichtige Fragestellungen gilt es aber noch zur Regulierung der Megabank UBS zu lösen.

Zur Story