Frauen sind am Bundesgericht deutlich untervertreten – sie machen nur 37 Prozent aller Richter aus. Die Sonntagszeitung hat 79'000 Rechtssprüche aus den Jahren 2007 bis 2018 ausgewertet. Fazit: Bei 48 Prozent aller Urteile hat keine einzige Frau mitgewirkt. Umgekehrt war nur in zwölf Prozent kein Mann beteiligt.
Folglich urteilten in vielen Fällen nur Männer über Sexualdelikte, Scheidungen, Sorgerechte oder Gleichstellung. Das könnte durchaus einen Einfluss auf Urteile haben. So hat sich beispielsweise ein fünfköpfiges – rein männliches – Komitee gegen die Schaffung einer Fachstelle für Gleichstellung im Kanton Zug ausgesprochen. Dies, obwohl zuvor «gewichtige Ungleichheiten» zwischen den Geschlechtern bei Löhnen oder Bildung festgestellt wurden.
Regula Kägi-Diener, Ehrenpräsidentin der Vereinigung Juristinnen Schweiz, stört sich an der unausgeglichenen Verteilung am Bundesgericht. Ob Richterinnen anders urteilen als ihre männlichen Kollegen, ist umstritten. Kägi-Diener vertritt den Standpunkt, dass die Sozialisierung der Richter einen viel grösseren Einfluss auf ein Urteil hat als das Geschlecht. Es geht ihr mehr ums Prinzip: Frauen sollen am obersten Gericht gleich vertreten sein wie Männer – es mangelt allerdings an Chancen.
Bislang stellten die Parteien ihre Richterinnen und Richter. Aber: Frauen sind im Gegensatz zu Männern innerhalb einer Partei weniger gut vernetzt und werden somit weniger wahrgenommen. Kägi-Diener will dies ändern: Sie fordert, dass Bewerbungen ohne den Einfluss von Parteien über Stelleninserate laufen. Das Thema wird aktuell unter Juristinnen und Juristen diskutiert.
Laut der Sonntagszeitung sind mehr Frauen als Männer an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten Schweizer Universitäten immatrikuliert. Möglich ist, dass sich viele Frauen wegen ihrer Familie und der damit verbundenen fehlenden Flexibilität gegen ein solches Amt entscheiden. Dieses entspricht einem Vollpensum und kann nur in Luzern oder Lausanne ausgeübt werden. (vom)