In der Affäre um den grünen Politiker Geri Müller, dessen Nacktselfies an die Medien gelangten, gibt es viele offene Fragen. Eine davon, und wohl eine der brennendsten, ist: Wie gelangten die Nacktselfies an die Medien?
Dem «Tages-Anzeiger» liegen Informationen aus der Einvernahme der Chat-Partnerin von Geri Müller vor. Die 33-jährige Gymnasiallehrerin wurde am vergangenen Donnerstag von der Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland zum Fall befragt.
Demnach sei die Frau aus eigenem Antrieb auf den PR-Berater Sacha Wigdorovits zugegangen, weil er ihr als politischer Gegner von Müller aufgefallen sei. Sie habe sich mit Wigdorovits persönlich getroffen, der sie danach gebeten hatte, ihm ihr Handy mit den Chats und den kompromittierenden Fotos von Müller zu übergeben. Weiter schreibt der «Tages-Anzeiger», dass die Frau dies ablehnte, mit der Begründung, dass auf dem Telefon ihr ganzes Leben gesammelt sei. Laut Informationen der Zeitung insistierte Wigdorovits jedoch, worauf die Frau schliesslich Audiomaterial und Fotos herausgab.
Sacha Wigdorovits dementiert diese Version im «Tages-Anzeiger». Die Zeitung schreibt: «Am 22. April habe er von ihr erstmals ein SMS erhalten: Sie schrieb, sie habe ‹brisantes Material›, das Geri Müller ‹für immer aus der Politik katapultieren› werde. Zudem schrieb sie, Müller habe ihr Dokumente der Bundesanwaltschaft über Sacha Wigdorovits in die Hand gedrückt.»
Etwas beunruhigt habe er die Frau dann getroffen. Die Dokumente über ihn erwiesen sich aber als unproblematisch. Zugleich empfahl er der Frau, die Chats mit Müller einem Anwalt zu zeigen. Die Frau hatte angeblich Angst vor dem Politiker, so Wigdorovits gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Er empfahl ihr Josef Bollag, den er persönlich kenne. Er habe sie ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit der Aufzeichnung der Telefonate wohl illegal gehandelt hätte. Gleichzeitig stellte er auf Bitten der Frau den Kontakt zur «SonntagsZeitung» her, aber nicht, wie bisher kolportiert wurde, zur «Weltwoche» und «Schweiz am Sonntag».
Offenbar wollte Wigdorovits nichts mit der Sache zu tun haben. So schreibt der «Tages-Anzeiger»: «Im letzten SMS vom 28. April schreibt er: ‹Wie ich Ihnen schon letzte Woche gesagt und geschrieben habe (...), möchte ich nicht in die Angelegenheit hineingezogen werden.› Nach dieser Nachricht habe er nichts mehr von der Frau gehört.»
Ein Screenshot einer Chat-Unterhaltung zwischen Wigdorovits und Müllers Chat-Partnerin, der 20 Minuten vorliegt, widerspricht dem allerdings: Noch am vergangenen Mittwoch sollen sich die beiden über den Club des Schweizer Fernsehens unterhalten haben. So schreibt Wigdorovits der Frau: «Haben Sie den Club gesehen? War nicht schlecht. Und der Blick hat Ihre Aussagen von TeleZüri telquel übernommen». Worauf sich die Frau über ein Interview in der Aargauerzeitung beklagt: «Aber das Interview mit der Aargauer Zeitung ist eine Katastrophe, alles verdreht, falsch zusammengefasst.» Wigdorowits beruhigt sie, das habe sie sehr gut gemacht.
Wigdorovits bestätigt gegenüber 20 Minuten die Echtheit des Chats, will sich aber nicht als Berater der Frau verstanden wissen. Auf Anfrage des «Tages Anzeigers», weshalb Wigdorovits falsche Aussagen gemacht habe, sagt der PR-Berater im Interview: «Für mich war damals der Fall zwar erledigt, aber die Frau hat mir von sich aus und völlig ungefragt später weitere SMS geschickt und mich kontaktiert. Das hätte ich präzisieren müssen.» Als die Frau ihm anschliessend diverse Nachrichten geschickt hätte, in denen sie sich über die Medien beklagte, habe er versucht, sie zu beruhigen.
Die Frau habe sich dann mit Josef Bollag in Zug an seinem Arbeitsort getroffen. Die Frau sagte in der Einvernahme, dass Wigdorovits und Bollag zusätzlich Chat-Informationen wollten. Wigdorovits und Bollag streiten diese Forderungen gegenüber dem «Tages-Anzeiger» ab.
Der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister wurde von Bollag kontaktiert, weil die Lehrerin eine Stelle suchte. Pfister sitzt im Verwaltungsrat eines Zuger Privat-Internats, konnte der Frau allerdings nichts anbieten. Er habe sich von der Frau auch manipuliert gefühlt, so Pfister.
Wie genau die Frau ihre Kontakte zur Presse herstellte – auch die Verbindung zur «Schweiz am Sonntag», die die Geschichte am Sonntag publiziert hatte, ist unklar. Wigdorovits spricht von möglichen Drittpersonen. Oder die Frau selbst sei letztlich zur Presse gegangen.
Und Geri Müller selber? Der Badener Ammann ist gemäss seinem Anwalt Andreas Meili abgetaucht. «Herr Geri Müller ist zurzeit krank geschrieben», so Meili im «Blick». (dwi/kub)