Am 30. April vor 50 Jahren öffnete die Expo 64 ihre Tore. Die Landesausstellung in Lausanne setzte neue Massstäbe. In einer Zeit des Aufschwungs wurden die Besucher mit der Moderne konfrontiert, aber auch mit gesellschaftlichen Fragen.
Die Expo 1964 war mit fast zwölf Millionen Besuchern in sechs Monaten ein noch nie dagewesener Erfolg. Jeder damalige Einwohner der Schweiz war im Schnitt mehr als zweimal in Lausanne. Zum Vergleich: Die Expo.02 in Neuenburg, Biel, Murten und Yverdon zählte zehn Millionen Besucher, die Landi in Zürich im Jahr 1939 10,5 Millionen, sagte Olivier Lugon, Professor der Abteilung Filmgeschichte an der Universität Lausanne, der im Juni ein Kolloquium zum Thema mitorganisiert.
Dennoch, die Anfänge waren schwierig. Das Publikum war verwirrt. «Es war die Entscheidung von Alberto Camenzind, Chefarchitekt der Expo, der Schweiz nicht nur einen Spiegel vorzuhalten, sondern die Veranstaltung auch dazu zu nutzen, das Land und die Mentalität zu verändern, auch auf die Gefahr hin, es zu destabilisieren», sagte Lugon.
«Man sah eine moderne Schweiz, die man nicht kannte. Man entdeckte eine neue Welt. Das Publikum wurde mit neuen Medienformen konfrontiert: Einem 360-Grad-Kino oder dem gewaltigen Computer Gulliver, der die Besucher befragte, um dann eine Analyse über die Schweizer Bevölkerung auszuspucken.»
Eine wichtige Rolle spielte die Technologie. Eine der Hauptattraktionen war das «Mésoscaphe», das erste touristisch genutzte U-Boot des Tiefsee-Pioniers Jacques Piccard. Nach einem langwierigen Streit zwischen Piccard und der Ausstellungsleitung nahm es den Betrieb allerdings erst im Juli auf.
Auch das Automobil wurde an der Expo gefeiert, mit der Einweihung des ersten Streckenabschnitts der Autobahn Genf-Lausanne. Attraktionen waren auch die Hochbahn «Monorail» und das «Télécanapé», zwei völlig neuartige Beförderungsmittel.
Auch zeitgenössische Kunst wurde gezeigt: Die Symphonie «Les Echanges – Komposition für 156 Büromaschinen» von Rolf Liebermann und «Heureka», die Maschine von Jean Tinguely, hinterfragten die Beziehung zwischen Mensch und Maschine.
Der Pavillon der Armee markierte gleichzeitig einen unerschütterlichen Willen zur Verteidigung, auch im Atomkrieg. Auf die «Höhenstrasse» der Landi in Zürich folgten der «Weg der Schweiz» und eine Pyramide mit den Fahnen der rund 3000 Schweizer Gemeinden. Für Folklore sorgte ein Umzug der Kantone.
Auffallend ist, dass mit der Expo 64 eine sehr breite und dynamische Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kunst beginnt, vor dem Bruch von 1968, sagte Francois Vallotton, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Lausanne und Mitorganisator des Kolloquiums.
Die Expo richtete den Blick nicht nur auf die Vergangenheit, sondern mit dem Fragebogen von Gulliver auf die Gegenwart und mit Kurzfilmen von Henry Brandt auch auf die Zukunft. Brandt thematisierte Fremdenfeindlichkeit, Umweltprobleme und die Entfremdung des modernen Lebens. Die Ausstellung benannte die Herausforderungen der Zukunft mit Fragen über soziale und politische Strukturen und die Konsumgesellschaft.
Mit diesem Blick in die Zukunft wurden die Probleme der Schweiz aufgezeigt, nicht ihre Errungenschaften. «Der Finger wurde auf einen wunden Punkt gelegt», sagte Vallotton.
Einige Themen waren brisant: Die Positionierung der Schweiz im europäischen Binnenmarkt, die Rolle der Armee unter dem Eindruck des Mirage-Skandals, die Debatten über automatische Schusswaffen, die am Rande des offiziellen Parcours auf kritische Weise präsentiert wurden, sagte der Professor.
Zu viel für die offizielle Schweiz – der Beauftragte des Bundes griff in die Ausstellung ein. Der Fragebogen von Gulliver wurde entschärft, die Ergebnisse zensuriert. Die Filme von Henry Brandt entstanden, wegen der Aufsicht, unter schwierigen Bedingungen.
Eines der wenigen physischen Überbleibsel der Expo ist das Lausanner Théatre de Vidy, entworfen von Max Bill. Der Rest der vorfabrizierten Konstruktionen wurde in der ganzen Schweiz verstreut und wieder gebraucht. Sie stehen für Anfänge einer nachhaltigen Entwicklung.
Heute verbinden viele die Expo 64 mit einer gewissen Wehmut. «Man spürt ein bisschen Nostalgie gegenüber dieser Epoche des Wohlstandes, der Vollbeschäftigung und der relativen Zuversicht in die Zukunft», sagte Lugon. (pbl/sda)