Haarscharf schrammte die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft am Sonntag in Dänemark an der Sensation vorbei. Erst im Penaltyschiessen konnte sich Schweden durchsetzen und den WM-Final für sich entscheiden. Doch allein der Finaleinzug war schon ein riesiger Erfolg. Das weiss auch der Eishockeyverband: Wenige Stunden vor Spielbeginn veröffentlichte Swiss Ice Hockey auf seiner Facebook-Seite folgenden Post:
Der Einzug ins WM-Finale sei unter anderem durch die finanzielle Unterstützung aus Lotteriefonds und der Sport-Toto-Gesellschaft möglich geworden, heisst es da. Am Ende des Posts wird auf die Website des Komitees verlinkt, das sich für ein Ja zum neuen Geldspielgesetz einsetzt.
Die Meldung mit dem Jubelbild wird zwar fleissig geteilt und erhält bei 519 Likes und Herzchen bloss 13 Wut-Emojis. Doch in der Kommentaren überwiegen die negativen Reaktionen: «Bin zwar begeistert von der Nati - das so für Politik zu nutzen finde ich aber daneben. Schade.» schreibt ein User. Ein anderer meint: «Stimme trotzdem NEIN! Hier politische Werbung zur Abstimmung zu machen, finde ich echt daneben. 👎»
Auch Andri Silberschmidt zeigt sich verärgert über den Post. Der 24-jährige Zürcher ist Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz (JFS). Zusammen mit anderen Jungparteien von links bis rechts und weiteren Organisationen haben sie die Unterschriften für das Referendum gegen das neue Geldspielgesetz gesammelt. Der zweite Platz an der WM sei eine grossartige Leistung der Spieler, welche nicht für politische Zwecke eingesetzt werden sollte: «Ich finde es stossend, dass sportliche Erfolge für den Abstimmungskampf missbraucht werden.»
Dagegen wehrt sich der Eishockey-Verband: «Swiss Ice Hockey ist generell sehr zurückhaltend, was Stellungnahmen zu politischen Themen angeht», heisst es auf Anfrage von watson. Im Fall des Geldspielgesetzes seien die sportlichen Interessen des Verbandes so stark tangiert, dass man sich entschlossen habe, Stellung zu beziehen.
Auf die Frage, ob es richtig sei, die Leistung der Nationalmannschaft für politische Zwecke zu benutzen, heisst es beim Verband lediglich: «Es ist unsere Aufgabe, uns für die Interessen des Schweizer Eishockeysports einzusetzen.» Diese Interessen seien bei dieser Abstimmung direkt betroffen, «insbesondere was die Förderung des Nachwuchssports und die Aus- und Weiterbildung der Schiedsrichter und Trainer betrifft».
Die Werbeträger für ein Ja zum Geldspielgesetz, die WM-Finalhelden von Kopenhagen, wurden in diesem konkreten Fall offenbar nicht nach ihrer Meinung gefragt. Der Verband räumt auf Nachfrage von watson ein, den umstrittenen Post nicht mit der Nationalmannschaft abgesprochen zu haben: «Er gibt die Haltung von Swiss Ice Hockey wieder.»
Nicht nur Swiss Ice Hockey setzt sich für das neue Geldspielgesetz ein. Für die Ja-Kampagne engagieren sich unter anderem Aushängeschilder des Schweizerischen Turnverbands, des Schiessverbands sowie von Swiss Paralympic. Mit Video-Testimonials werben etwa die Kunstturnerin Giulia Steingruber, die Pistolenschützin Heidi Diethelm Gerber oder Rollstuhlsportler Heinz Frei für ein Ja.
Sie folgen damit dem Aufruf von Swiss Olympic, der Dachorganisation der Schweizer Sportverbände. Diese forderte seine Mitglieder bereits im April via Positionspapier dazu auf, sich für das neue Geldspielgesetz einzusetzen. Dieses stelle sicher, dass Erträge aus Geldspielen auch in Zukunft gemeinnützigen Zwecken in der Schweiz zufliessen würden, heisst es in einem Positionspapier. Der Schweizer Sport profitiere jährlich von Beiträgen in der Höhe von rund 160 Millionen Franken, welche via kantonale Sportfonds und die Sport-Toto-Gesellschaft den Sportverbänden, Sportvereinen, den Athleten und der Infrastruktur zugute komme.
Für den Jungfreisinnigen Andri Silberschmidt hingegen illustriert der Beitrag von Swiss Ice Hockey und der Rückgriff auf Spitzensportler die Hilflosigkeit der Befürworter, denen es an sachlichen Argumenten mangle. Das neue Gesetz privilegiere die einheimische Casino-Industrie gegenüber ausländischen Anbietern. In Punkto Sportförderung via Lotteriefonds würde sich hingegen gar nichts ändern. Denn Schweizer Casinos müssten sowohl bei einem Ja als auch bei einem Nein mit ihren Gewinnen lediglich einen Beitrag an die AHV leisten, nicht für andere Zwecke: «Das hat nichts mit Sport zu tun».