Als ein junger CVPler am Montagmorgen ein Zitat der ehemaligen Bundesrätin Ruth Metzler auf Twitter teilt, kann er noch nicht ahnen, dass unter seinem Tweet zwei Tage später ein regelrechter Shitstorm stattfinden wird.
Seit der parlamentarischen Beratungen zur eingetragenen Partnerschafts sind rund 15 Jahre ins Land gezogen. Alt-@CVP_PDC-Bundesrätin Ruth Metzler ist davon überzeugt, dass die Zeit nun reif ist über weitere Gleichstellungsschritte zu diskutieren. #EhefuerAlle pic.twitter.com/IC69EpaVRb
— Michael Kaufmann (@TheDudeLebovski) 6. Mai 2018
Der Grund dafür ist Christian Ineichen, der Präsident der CVP Luzern. Dieser reagiert auf die Forderung von Kaufmann nach einer Ehe für alle. Seine Antwort:
Und: Wir sollten in den Grenzen der Biologie bleiben und deren Vorsehungen anerkennen.
— Christian Ineichen (@Chr_Ineichen) 7. Mai 2018
Darauf wird Ineichen gebeten, sich konkreter zu äussern. Das tut er, indem er einen Tweet absetzt, für den er die darauffolgenden Stunden heftig angegangen werden wird.
Mann+Frau: Geht.
— Christian Ineichen (@Chr_Ineichen) 8. Mai 2018
Frau+Frau: Geht irgendwie.
Mann+Mann: Geht nicht.
Sein Tweet bezieht auf die verschiedenen Familienmodelle, von denen er das «klassische» bevorzugt. Was er davon hält, wenn zwei homosexuelle Männer gemeinsam ein Kind adoptieren, drückt er mit einem weiteren Tweet aus:
Ich halte es für Individualismus (und Gleichgültigkeit), wenn sich Menschen etwas erzwänglen wollen, das sie so einfach nicht haben können. Das machen sonst nur Kleinkinder.
— Christian Ineichen (@Chr_Ineichen) 8. Mai 2018
Die @cvpluzern zeigt ihr rückständiges stockkonservatives Gesicht. Die #ehefueralle will die Öffnung der zivilrechtlichen Ehe und den Zugang zum Adoptionsverfahren für homosexuelle Paare ermöglichen, nicht Gott spielen. Zivilehe und verwaiste Kinder sind durch Menschen verursacht https://t.co/YIAYy4ksJt
— Marco Baumann (@MarcoBume) 8. Mai 2018
Christian Ineichen spricht im Gespräch mit watson von einem heftigen Shitstorm, der über ihn hereingebrochen sei. Er betont, er werde nun zu Unrecht als stockkonservativer Politiker abgestempelt. «Ich habe nichts gegen neue Lebensformen und Partnerschaftsmodelle. Doch besteht das von mir bevorzugte Familienbild aus Frau, Mann und Kind/ern.»
Darauf angesprochen, warum Frau und Frau für ihn irgendwie geht, Mann und Mann aber nicht, meint Ineichen: «Frauen können sich eine Schwangerschaft organisieren», und spricht damit eine Samenspende an. «Eine Kindeszeugung zwischen Mann und Mann ist nun aber einfach nicht möglich.» Und die Leihmutterschaft sei in der Schweiz ja verboten.
Seine Meinung sei aber nicht in Stein gemeisselt, fährt Ineichen fort. «Ich diskutiere mit meinen Kritikern gerne bei einem Bier darüber und lasse mich allenfalls auch belehren.»
Dazu könnte es bald kommen. Ineichen wurde zur Zurich Pride am 16. Juni eingeladen. Er freue sich über die Einladung und werde hingehen, sagt der CVP-Politiker.
Die Einladung ausgesprochen hat Anne-Sophie Morand, die Leiterin des Politikressort der Zurich Pride und Mitglied der FDP. Die Tweets von Ineichen hätten sie schockiert. Morand: «Ich empfinde solche Statements als rückständig und im Ton vergriffen.» Doch es sei wichtig solche Leute nicht einfach links liegen zu lassen, sondern das Gespräch mit ihnen zu suchen. «Und sie mit genau jenen Menschen zu konfrontieren, über die sie sonst nur urteilen.»
Morand glaubt aber noch nicht daran, dass Ineichen wirklich auftauchen wird. «Es musste meine Einladung fast annehmen, sonst hätte er sich auf den Social Media Kanälen noch mehr ins Abseits manövriert . Ob er wirklich kommt, ist eine andere Sache. Warten wir einmal ab.»
René Schegg, der Geschäftsführer von Pink Cross, würde sich über sein Kommen freuen. Dann könnte er mit ihm über den Begriff Natürlichkeit debattieren. Denn weder die Medizin, noch das Keuschheitsgebot der Priester seien natürlich, führt er aus. «Natürlichkeit und biologistische Argumentationen sind nicht die Grundlage für politische oder/und ethische Entscheidungen. Das kennen wir schon lange unter dem Begriff des naturalistischen Fehlschlusses»
Und Studien würden zeigen: «Ein Kind braucht eine stabile Umgebung und emotionale Sicherheit. Ob es eine Mutter und einen Vater, zwei Väter oder zwei Mütter hat, ist total irrelevant.»