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Wird zu stark gespart? Alain Berset nimmt Praxis zu IV-Renten unter die Lupe

Wird zu stark gespart? Alain Berset nimmt Praxis zu IV-Renten unter die Lupe

21.12.2019, 13:40
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EDI-Vorsteher Alain Berset nimmt die Praxis des Bundesamtes für Sozialversicherungen bei der Gewährung von IV-Renten genauer unter die Lupe.
Alain Berset.Bild: KEYSTONE

Bundesrat Alain Berset will Klarheit über die Praxis bei der Erteilung der IV-Renten. Er hat eine interne Untersuchung gegen die Aufsichtstätigkeit des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) veranlasst. Im Fokus sind die Sparvorgaben an die kantonalen IV-Stellen.

Peter Lauener, Sprecher von Innenminister Berset, bestätigte am Samstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen entsprechenden Bericht in den Tamedia-Medien. Er bestätigte zudem, dass der Vorsteher des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) eine externe Analyse zur Gutachtertätigkeit der IV-Stellen veranlasst hat. Es stehen Vorwürfe im Raum, die IV-Stellen würden sich auf teilweise fragwürdige medizinische Gutachten stützen.

Berset habe den Eindruck, dass man in diesem Bereich genauer hinschauen müsse, begründete Lauener die beiden Untersuchungen. Gemäss Zeitungsbericht besteht der Verdacht, dass die kantonalen IV-Stellen mit Sparvorgaben unter Druck gesetzt werden, möglichst wenig neue Renten zu gewähren. Das BSV lege in den Zielvorgaben jährlich für jede kantonale IV-Stelle ein Sparziel fest. Bei den meisten laute die Vorgabe «halten oder senken» der Neurentenquote.

Dies führe dazu, dass die IV nicht mehr überall offen prüfe, auf welche Leistungen ein Versicherter Anspruch habe, sondern wie das Quotenziel erreicht werde, lässt sich Alex Fischer vom Behindertenverband Procap im Zeitungsbericht zitieren. Durch den Wettbewerb unter den IV-Stellen sei die Gleichbehandlung der Versicherten gefährdet.

Drückt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) bei den IV-Renten zu stark auf die Sparbremse? Bundesrat Alain Berset will es genauer wissen und hat eine interne Untersuchung eingeleitet. (Archivb ...
Drückt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) bei den IV-Renten zu stark auf die Sparbremse?Bild: EQ IMAGES

Stefan Ritler, als Vizedirektor beim BSV zuständig für die IV, bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA die Existenz einer Tabelle mit den Leistungszielen für die kantonalen IV-Stellen. Er betonte jedoch, die IV vergleiche die kantonalen Stellen mit deren eigenen Ergebnissen aus dem jeweiligen Vorjahr. Das BSV messe sie nicht am schweizweiten Benchmark, aber dieser sei den kantonalen IV-Stellen natürlich schon bekannt.

Teil des Steuerungsprozesses

Wenn die Leistungsziele über- bzw. unterschritten werden, verlange das BSV von der kantonalen IV-Stelle eine Erklärung, wie das Resultat zustandegekommen sei. Das BSV habe indes keinerlei Möglichkeiten, die IV-Stellen abzustrafen. Die Leistungsziele seien im übrigen keine Sparvorgaben, sondern «Planwerte als Teil des Aufsichts- und Steuerungsprozesses in der IV».

Die Leistungsziele sollen laut BSV einerseits dazu führen, dass alle Versicherten die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen erhalten, andererseits die IV-Stellen aber keine Leistungen gewähren, auf die kein Anspruch besteht. Es werde in jedem Fall «ergebnisoffen» geprüft.

Wie eine im Oktober veröffentlichte Studie aufzeigte, ist die Zahl der IV-Renten seit 2005 trotz starkem Bevölkerungswachstum um 20 Prozent zurückgegangen. Der Effekt sei die Folge einer Verschärfung der Anspruchskriterien im Rahmen der letzten IV-Revisionen. Die Verweigerung von Leistungen hat laut der Studie des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) «Lives» deutlich zugenommen, derweil die einzelnen IV-Anträge deutlich schneller abgewickelt werden. (sda)

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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Franz v.A.
21.12.2019 14:26registriert August 2019
Die IV macht es sich zu einfach. Man schiebt die Leute die Hilfe bräuchten einfach zum Sozialdienst, wo diese dann vom Steuerzahler finanziert werden. Für was eigentlich bezahlen wir IV?
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Tom T.
21.12.2019 14:26registriert November 2018
Versicherungsbetrug der Versicherer am Versicherten muss schon bei Versuch strafbar werden. Dass Gefälligkeits-Ärzte grosse Teile der Patienten-Dossiers nicht berücksichtigen und Kranke wider besseres Wissen "gesundschreiben" ist arglistiger Betrug.
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Fisherman
21.12.2019 16:47registriert Januar 2019
Bersets Initiative ist zu begrüßen.
Aber leider ist das die Situation die FDP und CVP im vorauseilendem Gehorsam gegenüber der gänzlich unsozialen SVP hergestellt haben.
Die SVP will eine maximal unsoziale Politik. Und FDP/CVP machen gehorsam den Bückling.

In der Präambel BV steht:
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen

Und hat die SVP zusammen mit den bürgerlichen Parteien die BV verletzt (anstatt sie zu schützen)!

Damit steht auch fest, dass die SVP keine Ahnung hat, was Freiheit ist oder bedeutet.
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