Diese Woche sah SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner plötzlich ein ausgedrucktes Mail auf seinem Nationalratspult. Sein Betreff: «Verkehrsministerin Leuthard». «Die Dispositionen, die in unserem Departement gemacht werden, sind ausserordentlich», stand darin. «Ich befürchte, dass meine geschätzte Chefin Doris nicht mehr lange als Bundesrätin tätig ist. Bitte informiere die Verkehrsverbände, sie haben nicht lange Zeit!» Handschriftlich hatte der Überbringer des Mails noch einen Satz hingekritzelt: «Lieber Ueli, sprecht mit Parmelin! Ich glaube, es geht schnell.»
So schnell, dass Doris Leuthard in der letzten Sessionswoche zurücktritt? Die Anzeichen mehren sich, dass etwas geschehen könnte. Giezendanner erhielt noch zwei weitere Mails: eines aus dem Verkehrsdepartement und eines, über eine Drittperson, aus der SRG. Beide lassen durchblicken, dass das Verkehrsdepartement (Uvek) bald mit einer neuen Chefin oder einem neuen Chef dastehen könnte.
Klar ist: Bis Ende Oktober ist der Zeitpunkt für einen vorzeitigen Rücktritt ideal. Dann könnte Leuthards Nachfolgerin oder Nachfolger in der Dezember-Session gewählt werden. «Die Besetzung von Vakanzen erfolgt in der Regel in der Session nach dem Erhalt des Rücktrittsschreibens», heisst es in Artikel 133 des Parlamentsgesetzes. Mit einer Wahl im Dezember hätte das neue Bundesrats-Mitglied ein Jahr Zeit, sich im Amt zu bewähren. Seine Wiederwahl wäre 2019 so gut wie gesichert, unabhängig vom Wahlresultat der CVP. Tritt Leuthard bis Ende Oktober nicht zurück, dürfte sie die Legislatur beenden.
Als Indiz für einen vorzeitigen Rücktritt gilt auch der Hinweis, dass Leuthard Termine Anfang Dezember nicht entgegennimmt, die sie im Normalfall akzeptiert hätte. Und dass sie im September den Entscheid zur Postfinance noch im Bundesrat durchgedrückt hat. Diese soll künftig auch Kredite und Hypotheken anbieten dürfen. In der Herbstsession ist ein Rücktritt an zwei Tagen möglich: am Donnerstag oder am Freitag. Von Montag bis Mittwoch weilt Leuthard in New York am ersten Treffen des Panels zu Fragen digitaler Kooperation.
Unabhängig vom Datum des Rücktritts hat hinter den Kulissen bereits das Geschacher um das Uvek begonnen, ein begehrtes Schlüsseldepartement. Bei der SVP gibt es eine Devise. «Die bürgerlichen Bundesräte, welche die Mehrheit in der Regierung haben», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, «müssen dafür sorgen, dass das Uvek nicht wieder in SP-Hände fällt.» Der Geist von SP-Bundesrat Moritz Leuenberger, der das Departement von 1995 bis 2010 führte, sei noch spürbar. «Das Uvek ist sehr stark von linken Ideen und Mitarbeitern geprägt», sagt er. «Besonders die Bundesämter für Energie, für Umwelt und für Raumentwicklung, wo immer mehr Regulierungen geschaffen werden.»
Aeschi betont, die SVP selbst solle vor allem im Falle eines Rücktritts von Simonetta Sommaruga reagieren: «Dann muss ein SVP-Bundesrat den Asyl- und Migrationsbereich übernehmen und dort aufräumen.»
Ob Aeschi Guy Parmelin meint? Für den hat SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner andere Pläne. Parmelin müsse ins Uvek wechseln, sagt er. «Dann kann er die Autobahn zwischen Lausanne und Genf auf sechs Spuren ausbauen und den Bahnverkehr fördern, um Engpässe zu beseitigen.» Vielleicht, sagt Giezendanner, «wählen die Romands dann plötzlich SVP».
Parmelins Verteidigungsdepartement (VBS) hingegen will Giezendanner jener Partei zuschanzen, die es noch überhaupt nie führte: «Ich fordere, dass die SP das VBS übernimmt.» Mit Adolf Ogi (1995 bis 2000), Samuel Schmid (2001–2008), Ueli Maurer (2009-2015) und Guy Parmelin (ab 2016) besetze die SVP seit 23 Jahren das VBS. «Mit welchem Erfolg?», fragt Giezendanner rhetorisch. «Peter Bodenmann hat recht erhalten mit seiner Aussage, ‹diese Trachtengruppe› müsse man halbieren.» Heute sei die Armee halbiert. Die SP solle das Departement wieder aufbauen. Es wachsen zu lassen, darin liege ihre Stärke. Diese Strategie habe man in anderen Ländern erfolgreich verfolgt.
Und was sagt die SP? Dort will man sich nicht äussern zu den Begehrlichkeiten. Damit habe man, heisst es, schlechte Erfahrungen gemacht.