Rushit kann aufatmen: Der 45-jährige Kosovare, der seit 27 Jahren in der Schweiz lebt und im richtigen Leben anders heisst, muss das Land nicht für fünf Jahre verlassen. Das entschied das Bundesgericht, das damit die vom Bezirksgericht Laufenburg verfügte und vom Obergericht bestätigte Landesverweisung aufhob.
Was war passiert? Rushit, der während des Kosovo-Krieges in die Schweiz geflohen war, verlor Ende 2017 seine Stelle und bezog seither Arbeitslosengelder. Ende Juli 2018 fand er einen neuen Job, den er bereits am 1.August mit einer zweimonatigen Probezeit antreten konnte. Gegenüber der Arbeitslosenversicherung gab er allerdings an, den Job erst ab Oktober zu haben.
Vor Gericht begründete er diese Diskrepanz damit, dass er in den Formularen irrtümlich nicht angegeben habe, im August und September gearbeitet zu haben, weil er geglaubt habe, erst mit dem erfolgreichen Absolvieren der Probezeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er bestritt also nicht die Täuschung, sondern machte geltend, er habe ohne Arglist gehandelt.
Das Obergericht habe die Irrtumserklärung zu Recht als Schutzbehauptung beurteilt, schreibt das Bundesgericht in seinem Urteil, «zumal der Beschwerdeführer auch gegenüber dem RAV-Berater ausdrücklich angab, die Festanstellung gelte, anders als zunächst gedacht, nicht ab August 2018, sondern ab Oktober 2018». Da Rushit bis dahin tadellos mit dem RAV zusammengearbeitet hatte, bestand für die Behörden laut Bundesgericht auch kein Anlass, die Richtigkeit der Angaben in Zweifel zu ziehen. Das RAV forderte Rushit zudem umgehend auf, den Arbeitsvertrag einzureichen - was Rushit nicht tat.
So kam es, dass die Leistungen für August und September falsch berechnet wurden und 212 Franken zu Unrecht ausbezahlt wurden. Wären die wahrheitswidrigen Angaben nicht rechtzeitig bemerkt worden, so hätte laut Obergericht ein Gesamtschaden von 10'082 Franken resultiert.
Das Bezirksgericht verurteilte Rushit neben der Landesverweisung wegen mehrfachen, teilweise versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 80 Franken. Die Geldstrafe fiel deshalb eher hoch aus, weil Rushit bereits früher wegen Urkundenfälschung und Fälschung von Ausweisen zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt wurde. Diese Strafe wurde wegen der zweiten Straftat widerrufen und eine Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen gebildet.
Die Beschwerde gegen die Geldstrafe – die Verteidigung forderte hier einen Freispruch – wies das Bundesgericht ab, hiess aber jene gegen eine Landesverweisung gut. Damit dürfte der ganzen Familie ein Stein vom Herzen fallen. Rushit lebt mit einer Schweizerin zusammen und hat zwei Kinder aus erster Ehe, zu denen er einen guten Kontakt pflegt. Er hat auch fast immer gearbeitet, eine Sozialhilfeabhängigkeit bestand nie.
Der Beschwerdeführer moniere zu Recht, dass die Anordnung einer Landesverweisung unter den gegebenen Umständen als unverhältnismässig erscheine, urteilt das Bundesgericht. «Angesichts der Tatsache, dass er während nunmehr 27 Jahren in der Schweiz lebt, somit den weitaus grössten Teil seines Lebens hier verbracht hat und verwurzelt ist, kann den Kinder- und Jugendjahren im Kosovo – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – keine überragende Bedeutung mehr zukommen.»
Sodann wiege die unbestrittenermassen enge Beziehung zu den Söhnen, insbesondere zum erst Zehnjährigen, schwer. Nach Ansicht des Bundesgerichts hat die Vorinstanz «einen Härtefall mithin zu Unrecht» verneint. Einen solchen machte Rushit vor Gericht geltend.
Schliesslich ist für das Bundesgericht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Fernhaltung des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Die ihm zur Last gelegten Verfehlungen, die mit 40 respektive 60 Tagessätzen Geldstrafe geahndet wurden, bewegen sich laut Bundesgericht im «untersten möglichen Bereich des Strafrahmens sowohl bezüglich der Urkundenfälschung (Vorstrafe) als auch des Betruges».
Mit Bezug auf letztere Straftat spricht das Bundesgericht von einer geringen kriminellen Energie und einen kleinen Schaden, der vom Beschwerdeführer entstanden ist respektive in Kauf genommen wurde. «Jedenfalls aber kann nicht gesagt werden, die Katalogtaten würden einen derartigen Schweregrad erreichen, dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erschiene.» (bzbasel.ch)