Der Vaterschaftsurlaub hat im Parlament einen schweren Stand. Zwei Dutzend Vorstösse dazu wurden abgelehnt, mal knapp, mal sehr deutlich. Mit der Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub gelang es den Initianten, Druck aufzubauen. Zwar sieht der Bundesrat nach wie vor keinen Handlungsbedarf. Frisch gebackene Väter dürfen demnach weiterhin nur einen freien Tag beziehen. Zuletzt hat jedoch der Ständerat erklärt, dass Vätern wenigstens zwei Wochen Vaterschaftsurlaub zustehen sollen. Mit 8 zu 5 Stimmen entschieden sich die Mitglieder der zuständigen Kommission für einen Gegenvorschlag. Um diesen auszuarbeiten, muss zuerst die zuständige Kommission des Nationalrats zustimmen. Sie entscheidet morgen Nachmittag.
Dass es zu einem Ja kommt, ist zwar immer noch wahrscheinlich. Die Mehrheiten in der zuständigen Bildungskommission sind aber äusserst knapp. Zudem verdichten sich die Hinweise, dass der Unwille wieder wächst, den Vätern nach der Geburt ihre Papi-Zeit zuzugestehen.
Anschaulich zeigt dies ein Entscheid der Gesundheitskommission. Es geht um ein älteres Anliegen: Wenn die Mutter in den 14 Wochen nach der Geburt stirbt, soll der Vater den Mutterschaftsurlaub vollumfänglich erben können. Ziel soll sein, dass er sich in dieser schwierigen Zeit um das Neugeborene und auch um allfällige andere Kinder kümmern kann – und zwar ohne dadurch in finanzielle Probleme zu geraten. Obwohl dieser parlamentarischen Initiative in beiden Räten klar zugestimmt wurde, schiebt sie die Gesundheitskommission auf die lange Bank: Eine Mehrheit will die Entwicklungen bei der Vaterschaftsinitiative abwarten und das Anliegen in einem allfälligen neuen Gesetz aufnehmen. Eine nicht zu unterschätzende Minderheit will sie ganz abschreiben. Es stellt sich die Frage, wenn nicht einmal in diesem seltenen Fall ein Vaterschaftsurlaub möglich ist, wann dann?
Zweitens gab in den letzten Tagen ein Schreiben zu reden, das die Befürworter der Initiative über einen automatischen E-Mail-Generator an Kommissionsmitglieder verschickten: Dem ständerätlichen Gegenvorschlag sei zuzustimmen. Es gehe nicht, dass Väter keinen gesetzlichen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub haben, steht da. Und: die «historische Chance» sei zu packen. Das Schreiben sorgt für Verwirrung. Wieso weibeln die Initianten für den Gegenvorschlag? Schätzt man die Erfolgschancen plötzlich anders ein? Der Präsident des breit aufgestellten Initiativ-Komitees winkt ab. Es handle sich um ein «taktisches Vorgehen», sagt Adrian Wüthrich. Er verweist auf den zweiten Teil der Mail. Da steht, dass die Initianten überzeugt sind, die Volksabstimmung für vier Wochen Vaterschaftsurlaub gewinnen zu können.
Weil die vier Wochen von den Initianten als «absolutes Minimum» erklärt wurden, steht das Ja zu den zwei Wochen im Gegenentwurf trotzdem quer. Der Frauendachverband Alliance f spricht von «unglücklicher Kommunikation». Männer.ch, schreibt auf Anfrage: «Den Gegenvorschlag unterstützen wir nicht.» Beide Verbände gehören dem Initiativ-Komitee an. Arno Kerst, Präsident der Gewerkschaft Syna (ebenfalls eine Mitinitiantin), klärt auf: Es bestehe die historische Chance, dass sich das Parlament – nach ungezählten gescheiterten Versuchen – endlich für einen Vaterschaftsurlaub aussprechen könnte. Trotzdem bedauert die Berner Nationalrätin Aline Trede (Grüne), dass die Initianten ihre starke Position «so früh aufgegeben haben».
Die Zustimmung zu einem Gegenvorschlag steht aber auch wegen der FDP-Fraktion auf der Kippe. Noch in der Sommersession haben die Freisinnigen eher überraschend ein eigenes Modell eines 16-wöchigen Elternurlaubs entworfen. Allerdings verknüpfte die Fraktion ihre Zustimmung zum Vaterschaftsurlaub an die Forderung, die Anschubfinanzierung von Kindertagesstätten zu beenden. Gestern hat aber das Parlament die Finanzierung definitiv um vier Jahre verlängert (siehe Box unten). Viele Freisinnige werden den Vaterschaftsurlaub ablehnen. In der Kommission sollte es morgen dank Abweichlern trotzdem zu einer Mehrheit reichen. (aargauerzeitung.ch)