Schweiz
Gesellschaft & Politik

Die Schweiz will in den Uno-Sicherheitsrat – heute wird abgestimmt

Kommt die Schweiz in den Uno-Sicherheitsrat? Heute wird in New York darüber abgestimmt

09.06.2022, 04:4909.06.2022, 09:16
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Die Schweiz strebt zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen der zehn nicht ständigen Sitze im Uno-Sicherheitsrat an. Am heutigen Donnerstag fällen die 193 Mitgliedsländer der Generalversammlung in New York ihren Entscheid – die Chancen der Schweiz stehen gut.

Neben der Schweiz bewirbt sich nur noch Malta um einen der zwei Sitze, die in der westlichen Regionalgruppe in den Jahren 2023 bis 2024 frei werden. Damit gibt es keinen direkten Gegenkandidaten, wie der Bund in den Unterlagen zur Kandidatur festhält. Die Wahl voraussichtlich ab 16.00 Uhr (Schweizer Zeit) wird anonym durchgeführt und muss mit einer Zweidrittel-Mehrheit erfolgen.

Die Hintergründe der Kandidatur

Der Bundesrat hatte 2011 entschieden, sich um den Sitz im Sicherheitsrat zu bewerben. Im Falle einer Wahl will der Bundesrat in den Jahren 2023 und 2024 vier Prioritäten in diesem Gremium setzen. So soll der nachhaltige Frieden gefördert, die Zivilbevölkerung geschützt, die Klimasicherheit angegangen und die Effizienz gestärkt werden.

Was erhofft sich die Schweiz vom Sitz?

«Der Sitz bringt der Schweiz Glaubwürdigkeit, weil sie zeigen kann, was sie für Frieden und Stabilität leistet,» sagte Bundespräsident Ignazio Cassis am Mittwochabend in New York.

Die Prioritäten der Schweiz im Rat seien nachhaltiger Frieden, der Klimawandel, die Sicherheit sowie der Schutz der Zivilbevölkerung, sagte Cassis. Zudem wolle die Schweiz die Effizienz des Rates und der Uno insgesamt steigern. «Wenn wir hier etwas vorwärts kommen, ist schon viel geleistet,» sagte der Bundespräsident.

Die Schweiz setzt sich seit langem für eine Reform des Sicherheitsrats ein, da das Gremium durch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien regelmässig blockiert ist.

Ständerat lehnte SVP-Motion ab

Bundesrat und Parlament sind klar für die Schweizer Kandidatur – unumstritten ist sie aber nicht. Die SVP ist aus neutralitätspolitischen Gründen dagegen. Nach dem Nationalrat hat im März jedoch auch der Ständerat eine SVP-Motion klar abgelehnt, die den Verzicht auf die Kandidatur verlangte.

Bundespräsident Ignazio Cassis betonte mehrfach, ein Sitz im Sicherheitsrat sei mit der Neutralität vereinbar und im Interesse der Schweiz. Die Schweiz sei die Stimme der Minderheiten und Kompromisse, sagte er etwa im Ständerat. Sie habe im Sicherheitsrat viele Kompetenzen zur Verfügung zu stellen.

epa09991519 President of the Swiss Confederation Ignazio Cassis speaks during the Swiss Economic Forum SEF in Interlaken, Switzerland, 02 June 2022. EPA/ANTHONY ANEX
Für Bundespräsident Ignazio Cassis stellt ein Sitz im Uno-Sicherheitsrat kein Problem für die Neutralität dar.Bild: keystone

Positive Reaktionen im Ausland

Im Ausland begrüssten Politiker mehrerer Länder die Schweizer Kandidatur. Sie waren vor allem der Meinung, dass das Profil der Schweiz in dieser Zeit der Spannungen für den Sicherheitsrat produktiv sein könne. Die Schweiz «kann viel beitragen», sagte etwa der kolumbianische Präsident Ivan Duque Ende Mai am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.

Gespannt darf man dennoch darauf sein, wieviele Länder für die Schweiz stimmen werden. Rekordhalter ist Vietnam, das 2019 mit 192 von 193 möglichen Stimmen gewählt wurde, gefolgt von Polen, das 2017 187 Stimmen erreichte.

Die beiden Vorgänger der Schweiz in der Gruppe der Westeuropäischen und anderen Länder – Irland und Norwegen – wurden mit 128 respektive 130 Stimmen nur knapp gewählt. Die nötige Zweidrittelmehrheit lag bei 127. «Es ist wie bei jeder Wahl,» sagte Cassis, «das Wichtigste ist, dass man gewählt wird.»

Die Brisanz wegen Russland

Die Kandidatur der Schweiz um einen nicht ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat hatte zuletzt aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine Brisanz erhalten. Cassis wies darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine die Uno verändere. «Wir erleben ein grosses Spannungsfeld in der Aussenpolitik. Die Rückkehr des Krieges in Zentraleuropa ist eine neue Situation. Umso vorsichtiger müssen wir sein, unseren eigenen Weg zu suchen,» sagte der Bundespräsident.

Das anerkenne auch Russland. «Wir wollen offene Kanäle zu allen Staaten haben. Die Schweizer Botschaft in Moskau ist offen und hat ständigen Kontakt mit dem russischen Aussenministerium,» sagte Cassis. «Russland existiert – auch wenn es verurteilt wird für seine militärische Aggression.»

Russland ist eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats neben den anderen Siegermächten des Zweiten Weltkriegs USA, China, Grossbritannien und Frankreich. Neben diesen fünf ständigen Mitgliedern treten zehn Staaten für zwei Jahre dem Gremium bei, zwei aus jedem Regionalblock.

Der 15-köpfige Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist das Organ, das über Krieg und Frieden entscheiden kann. Er kann den Artikel aktivieren, der ihm das Recht gibt, Uno-Soldaten zu entsenden, die den Frieden erhalten oder bewahren sollen. Er ist es auch, der über Sanktionen abstimmt, die bei Verstössen gegen das Völkerrecht verbindlich gegen einen Mitgliedsstaat angewendet werden können.

Die fünf ständigen Mitglieder – und damit auch Russland – können bei jeder Entscheidung ihr Veto einlegen. Dieses Vetorecht hat die Arbeit des Rats seit dem Kalten Krieg oft blockiert. Viele Uno-Mitgliedsländer wünschen sich darum eine Reform des Gremiums, darunter auch die Schweiz, die seit 2002 Uno-Mitglied ist. (sda)

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29 Kommentare
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Joscha66
09.06.2022 10:04registriert September 2019
Das Vetorecht muss abgeschafft, und durch ein demokratisches Recht aller 193 Länder ersetzt werden.
Zur Revision dieser Charta kann eine allgemeine Konferenz der Mitglieder der UNO zusammentreten. Änderungen der Charta erfordern eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Generalversammlung, darunter die Zustimmung aller fünf UN-Vetomächte. Sollte eine Änderung abgelehnt werden, sollen die friedliebenden Staaten ihre Mitgliedschaft sistieren und mit dem Austritt drohen. Es darf nicht sein, dass ein einziges Land, oder deren Präsident, die ganze Welt in Sippenhaft nehmen kann.
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