Seine Zeiten als aktiver Politiker in Bundesbern sind zwar längst vorbei, doch mit seinen Aussagen erregt Ex-SP-Nationalrat Rudolf Strahm noch immer Aufmerksamkeit. So auch an diesem Dienstag: In seiner Kolumne, die er regelmässig für die Tamedia-Zeitungen schreibt, zerpflückt der studierte Ökonom die Argumente der Gegner der AHV-Vorlage. Dabei kommt Strahm zum Schluss:
Und er ergänzt: «Ich habe kein Verständnis, wenn im Zusammenhang mit der AHV-Vorlage vom September von «Sozialabbau» oder «Raub an den Frauen» geredet wird.» Das sitzt.
Wer die Kolumne zu Ende liest, wird keinen Zweifel haben: Strahm empfiehlt hier gerade seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern implizit, die AHV-Vorlage anzunehmen. Es ist ebendiese Vorlage, die von seiner Partei mit aller Kraft bekämpft wird. Die Sozialdemokraten haben schon früh den Abstimmungskampf lanciert, sie sprechen von einem «AHV-Abbau auf dem Rücken der Frauen» und einer «einseitigen Rentenkürzung» – verwenden also genau jene Argumente, die Strahm in seiner Kolumne als nicht haltbar bezeichnet.
Zur Erklärung: Das Schweizer Stimmvolk entscheidet am 25. September darüber, ob das Rentenalter für Frauen schrittweise auf 65 Jahre erhöht und damit jenem der Männer angeglichen werden soll. Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen, sollen dabei von Ausgleichsmassnahmen in Form von Rentenzuschlägen oder tieferen Kürzungssätzen beim frühzeitigen Rentenbezug profitieren. Zudem sieht die Vorlage eine Flexibilisierung des Rentenalters vor. Um die Finanzen der AHV bis 2030 zu sichern und das Rentenniveau halten zu können, soll die Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte erhöht werden.
Die SP, flankiert von Grünen und Gewerkschaften, hat gegen die AHV-Reform erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie ist der Ansicht, die vorgesehene Kompensation für die Frauen der Übergangsgeneration sei ungenügend, die Reform ein Rentenabbau auf Kosten der Frauen, weil diese ein Jahr länger arbeiten müssten. So sagte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer vergangene Woche an einer Medienkonferenz:
Ganz anders sieht das Rudolf Strahm. Die AHV benachteilige weder aktuell noch nach der geplanten Revision die Frauen. «Denn dank ihrer höheren Lebenserwartung beziehen Frauen rund vier Jahre länger ihre AHV-Rente», begründet Strahm. Zudem sei die AHV so ausgestaltet, dass alle eine Mindestrente erhielten, also auch jene, «die zuvor wenig oder nichts verdient hatten». Der 78-Jährige begrüsst daher das stufenweise Vorgehen und die Kompensation für die Übergangsgeneration.
Dass Strahm in gewissen Themen eine konservativere Haltung vertritt als seine Partei, ist längst bekannt. «Doch dass er bei dieser sozialpolitischen Vorlage von der Parteilinie abweicht, ist aussergewöhnlich», sagt Politologe Michael Hermann vom Forschungsinstitut Sotomo. Denn: «Ging es um die Sozialwerke, teilte er bislang meist die Meinung der Partei», so Hermann.
Der Politologe zeigt sich überzeugt: «Gerade weil Strahm als politische und publizistische Stimme nach wie vor Gewicht hat und eine hohe Glaubwürdigkeit geniesst, dürfte seine öffentlich geäusserte Haltung Kontroversen auslösen.»
Hermann rechnet denn auch mit einem knappen Abstimmungsresultat, das Einfluss haben dürfte auf die Entwicklung der SP. Er sieht die Sozialdemokraten unter Druck: «Bei der Altersvorsorge konnten sie mit ihren Referenden bisher die Politik wesentlich bestimmen. Mit einer erstmaligen Abstimmungsniederlage würde sie in diesem Kernthema die Aura der Unbesiegbarkeit verlieren».
Mit der Kritik am Kurs der Partei steht Strahm nicht alleine da. Dem Vernehmen nach unterstützen auch mehrere Vertreterinnen und Vertreter des sozialliberalen Flügels der SP die AHV-Vorlage. Das bestätigt der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr, der zugleich Präsident der «Reformplattform» ist - ein Verein bestehend aus rund 700 sozialliberalen Vertreterinnen und Vertretern der SP.
Die andere Hälfte lehne sie ab. Und wie steht Fehr selbst zur Vorlage? «Dazu möchte ich mich aufgrund meiner Funktion als Präsident der Plattform angesichts der Patt-Situation nicht öffentlich äussern.»
Ebenfalls nicht äussern wollte sich das SP-Co-Präsidium. Meyer und Wermuth liessen über ihr Zentralsekretariat ausrichten, sie hätten keine Zeit für eine Stellungnahme. Ein Mediensprecher der Partei teilte am Dienstagabend lediglich mit, dass Strahm selbstverständlich frei sei und eine persönliche Meinung haben dürfe. Nichtsdestotrotz werde sich die SP in den kommenden Monaten für ein zweifaches Nein einsetzen. (aargauerzeitung.ch)
Die alte Leier vom Rentenklau zu Lasten der Frauen wurde von allen, die nicht rot verblendet sind, schon längst fortgeschafft.
Wenn überhaupt, so steht die AHV in ihrer heutigen Form auf dem Buckel der Jungen - und je länger wir zuwarten, desto grösser wird die Last. Deshalb JA!
Damit gibt es ein Argument weniger, warum man das Rentenalter nicht (flexibel..) sollte anheben können. Die Lebenserwartung steigt ja auch stetig.
Warum sollten Frauen früher in Rente gehen können, als Männer? Nicht einzusehen!
Die MwSt-Erhöhung finde ich nicht gut, aber 0,4% finde ich vertretbar.