Schweiz
Gesellschaft & Politik

Das Amt des Kommissionssprechers ist bei Politikern unbeliebt.

Ruth Humbel, Nationalraetin CVP-AG, waehrend einer Medienkonferenz des Buergerlichen Komitees "Ja zur Rentenreform", am Freitag, 23. Juni 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Keine Ehre, aber Ausdruck des Vertrauens: Nationalrätin Ruth Humbel (CVP/AG) über das Amt des Kommissionssprechers.Bild: KEYSTONE

Nach den Tränen von SVP-Vogt: Warum ist das Amt des Kommissionssprechers so unbeliebt?

Bei komplexen Geschäften ist das Amt des Kommissionssprechers unbeliebt: Es bedeutet viel Aufwand für wenig Lohn. Dennoch kam es bei der letzten Wahl zu Ungereimtheiten.
08.05.2018, 05:36
Doris Kleck / Nordwestschweiz
Mehr «Schweiz»

Für viele Nationalräte ist die Vorstellung ein Graus: Kommissionssprecher zu sein, wenn eine Initiative im Plenum behandelt wird. Denn bei einer Volksinitiative ist das Mikrofon frei für alle Nationalräte – im Gegensatz zu den übrigen Debatten, die strukturiert sind. Deshalb sind die Reihen bei der Beratung von Initiativen meist stark gelichtet. Wer kann, der geht. Zum Zuhören verpflichtet ist der Bundesrat, der Ratspräsident oder sein Vize – sowie die beiden Kommissionssprecher.

In der Junisession wird der Nationalrat über die Selbstbestimmungsinitiative befinden. Für die Kommission wird FDP-Nationalrat Kurt Fluri berichten. Wie so oft. Der Solothurner gehört zu den Ausnahmen im Parlament: Er ist gerne Sprecher – weil die Sessionen sonst langweilig seien. Bei der Selbstbestimmungsinitiative macht die Kommission für Fluri gar eine Ausnahme: Es ist nicht vorgesehen, dass der Kommissionspräsident die Rolle des Sprechers übernimmt. So ist es im Geschäftsreglement festgehalten. Die Gewährung der Ausnahme dürfte den Ratskollegen leicht gefallen sein.

«Man soll keine Politik machen und die Sache in den Vordergrund stellen.»
Ruth Humbel, CVP-Nationalrätin

Der Kommissionssprecher: Er erstattet Bericht über die Beratungen und vertritt die Anträge der Kommission. Im Nationalrat gibt es einen französisch- und einen deutschsprachigen Sprecher. «Man soll keine Politik machen und die Sache in den Vordergrund stellen», sagt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Das A und O: eine gute Vorbereitung. Die Kommissionsprotokolle und alle Berichte nochmals lesen. Die Argumente der Mehr- und Minderheiten präsent haben. Das sei gar nicht so einfach, sagt SP-Nationalrat Beat Jans: «Weil die Debatten in der Kommission nicht immer offen geführt werden und die Motive unklar bleiben.»

Voten schriftlich vorbereitet

Die Kommissionssprecher bereiten ihre Voten schriftlich vor: Einerseits, weil die Dolmetscher das wünschen. Andererseits, weil man die Arbeit gründlich machen will. Der politische Gegner hört genau mit, ob der Sprecher ausgewogen berichtet. Die Voten der Kommissionssprecher sind weniger entscheidend für die Debatte als später für die Richter: Wenn sie die Gesetze auslegen müssen, greifen sie zuerst auf die Wortprotokolle der Ratsdebatte zurück, um den Willen des Parlamentes zu erkennen.

Hans-Ueli Vogt, SVP-ZH, spricht zur Grossen Kammer, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 11. September 2017 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Hans-Ueli Vogt.Bild: KEYSTONE

Letzte Woche endete eine Sitzung der Rechtskommission mit einem Eklat. SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt wurde zwar als Sprecher gewählt. Weil das Ergebnis knapp war, fragte er nach, weshalb. Linke und SVPler hatten Vorbehalte, weil seine Partei die Aktienrechtsrevision nicht unterstützt. Vogt verliess die Sitzung – und der Präsident machte Christa Markwalder (FDP/BE) zur Sprecherin.

Humbel, Fluri und Jans sagen unisono: Wahlen für das Amt des Kommissionssprechers seien unüblich. Wenn, so Humbel, komme das bei kleinen Geschäften vor. Bei komplexen Vorlagen hingegen – wie der Reform der Altersvorsorge, der Ergänzungsleistungen (EL) oder eben des Aktienrechts – sei das selten, weil die Interessenten fehlen. Dass die kleinen Geschäfte beliebter sind, hat einen pekuniären Grund: Als Kommissionssprecher bekommt man pro Tag zusätzlich 220 Franken Sitzungsgeld. Bei schwierigen Vorlagen muss man sich diesen Lohn wesentlich härter erarbeiten. So wendete Humbel zur Vorbereitung der Debatte zur EL-Reform vier Tage auf.

Die Höchststrafe

Bei den grossen Geschäften würden jene Kommissionssprecher, welche die Vorlage wesentlich geprägt haben, sagt Humbel. Bei den komplexen Geschichten kommt es aber auch immer vor, dass der Sprecher Mehrheiten vertreten muss, die er selbst nicht unterstützt. Fluri nimmt sich in solchen Situationen zurück, gibt einfach das Resultat der Abstimmung in der Kommission wieder. Spielraum erhält man dadurch, dass die beiden Kommissionssprecher, die nie das gleiche Parteibuch haben, sich absprechen und unterschiedliche Schwerpunkte setzen können.

Fluri zählt sich zu jenen Kommissionssprechern die mit Herzblut auftreten. Sich aktiv um Argumente bemühen und die Mehrheiten gründlich begründen. «Zu fest über die Schnur hauen darf man aber nicht», sagt der Freisinnige. Sonst riskiert man nämlich die Frage: «Geschätzter Kollege: In welcher Funktion haben Sie dieses Votum gehalten?» So harmlos die Frage auch klingt, es ist die Höchststrafe für einen Kommissionssprecher. Weil an seiner Objektivität gezweifelt wird.

Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen 

1 / 23
Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen (10.03.2019)
Frauen haben es bis heute schwer, in der Schweiz in politische Ämter gewählt zu werden. Insgesamt stellen sie in den Kantonen bloss 25 Prozent aller Regierungsmitglieder. Sechs Kantone werden derzeit vollständig von Männern regiert. So ist etwa der Regierungsrat von Appenzell Ausserrhoden seit dem Rücktritt von Marianne Koller (FDP) im März 2017 frauenfreie Zone.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Ein Toter und ein Verletzter bei Güllenloch-Unfall in Trubschachen BE

Am Sonntag sind auf einem Bauernhof in Trubschachen zwei Männer in einem Güllenloch verunfallt. Ein Mann verstarb noch vor Ort, ein weiterer wurde ins Spital gebracht, wie die Kantonspolizei Bern am Montag bekanntgab.

Zur Story