Besteht bei einer Person, die eine Schweizer Grenze passiert, ein Verdacht auf Bodypacking, wird diese von den Grenzbeamten zur medizinischen Untersuchung begleitet. Dort muss festgestellt werden, ob sich der Verdacht als richtig erweist. Die geschluckten Drogenpäckchen setzen das Leben des Schmugglers aufs Spiel. Platzt ein Päckchen, befindet sich die Person in Lebensgefahr. Diese Ausnahmesituation versetzt viele Notfallärzte in eine extrem schwierige Lage.
Im Juli dieses Jahres wurde publik, dass Grenzwächter im Wallis für unnötig viele mutmassliche Bodypacker Computertomographien angeordnet hatten – darunter auch eine Schwangere (wir berichteten). Das ist deshalb brisant, weil laut dem Bundesamt für Strahlenschutz Computertomographien zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen bei Embryonen führen können.
Der Bericht schlug hohe Wellen – und verunsicherte auch die zuständigen Notfallärzte im Wallis. Diese wandten sich darauf an die Zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). «Betroffene Ärzte aus dem Wallis sind an uns herangetreten mit der Bitte um eine Stellungnahme», bestätigt Michelle Salathé, Generalsekretärin der SAMW.
In enger Zusammenarbeit mit der Konferenz Schweizer Gefängnisärzte (KSG) und betroffenen Ärzten hat die SAMW darauf eine Checkliste zum Umgang mit Bodypackern ausgearbeitet.
Ein grosses Problem ist der Rollenkonflikt, der für die Ärzte während einer Bodypacker-Untersuchung entstehe, erklärt Salathé. Einerseits müsse festgestellt werden, ob sich der Verdacht auf Bodypacking bestätigt. Andererseits müssen die betroffenen Personen auch gesundheitlich überwacht werden, um eine sichere Ausscheidung der Drogen zu gewährleisten. Und genau dieser Punkt ist kritisch, wie Salathé erklärt: «Die Ärzte können nicht gleichzeitig eine Experten- und eine Therapeutenrolle wahrnehmen.»
Hinzu kommt der Druck, der auf den Ärzten in einer solchen Situation lastet, erklärt Hans Wolff, Gefängnisarzt und Mitglied der zentralen Ethikkommission der SAMW. «Häufig kommt die Polizei zu zweit oder dritt in die Notfallabteilung und fordert sogleich eine computertomografische Untersuchung.» Viele Ärzte fühlen sich laut Wolff oftmals überfordert und gar gezwungen, die Untersuchung anzuordnen. «Die Ärzte müssen in einer solchen Situation aber widersprechen können, falls sie den Eindruck haben, dies sei ethisch nicht korrekt», sagt der Gefängnisarzt bestimmt.
Laut Wolff sollen die Richtlinien in Zukunft helfen, Personen mit Bodypacking gut zu betreuen. Auch können sie verhindern, bei Frauen radiologische Untersuchungen durchzuführen ohne eine Schwangerschaft ausgeschlossen zu haben.
Mit den neuen Regeln können die Ärzte zudem auch gegenüber den Polizisten klar kommunizieren, dass eine Trefferquote wie beispielsweise diejenige im Wallis (nur neun Prozent) das Verstrahlungsrisiko nicht rechtfertigt.
Die Richtlinien halten zudem fest, dass eine Person bei Verdacht auf Bodypacking über die gesundheitlichen Massnahmen nicht nur aufgeklärt werden, sondern diesen auch zustimmen muss. Heisst konkret: Verweigert die betroffene Person eine radiologische Untersuchung, darf diese nicht durchgeführt werden.
Zudem müssen die Rollen immer klar getrennt sein. Der Arzt, der den Verdacht auf Bodypacking feststellen muss, darf nicht der gleiche sein, der sich bei Bestätigung des Verdachts um den Patienten kümmert.