Tiergehege werden geschlossen. Spielplätze verlottern. Fussballclubs können sich keine neuen Bälle kaufen.
Es ist ein düsteres Szenario, das die Befürworter des Geldspielgesetzes von unserer Zukunft zeichnen, falls die Mehrheit der Schweizer Stimmbürger am 10. Juni ein Nein in die Urne legt.
Bereits wurden massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kampagne laut – zumal die Schweizer Lotterien im Jahr 2016 den höchsten Umsatz aller Zeiten einfuhren. Dass die Gelder für gemeinnützige Projekte ausgehen, scheint also eher unwahrscheinlich.
Es ist nicht das erste Mal, dass Abstimmungskomitees mit gewagten Szenarien operieren. Wir machen den Check: Welche Prognosen sind eingetroffen, welche nicht?
Abstimmung vom 5. Juni 2005: An der Urne wird über das Abkommen von Schengen/Dublin entschieden. Mit zwei bilateralen Verträgen zwischen der EU und der Schweiz soll die Zusammenarbeit in den Bereichen Polizei, Asyl, Justiz und Visa verstärkt werden. Darunter der Verzicht auf systematische Passkontrollen innerhalb des Schengenraums.
Die Augen weit aufgerissen, die Hände in Abwehrhaltung vor dem Gesicht. Ein Schrei. Die Botschaft des Plakates eindeutig: Der Beitritt zum Schengen-Raum würde zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, zudem wären die Menschen in der Schweiz weniger sicher.
Mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen wurde am 5. Juni 2005 das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der EU vom Stimmvolk bewilligt.
Behauptung 1: Weniger Arbeit
Die Arbeitslosenquote nahm in den letzten Jahren tendenziell ab, wie die Zahlen von Seco zeigen. Zum Zeitpunkt der formellen Umsetzung von Schengen/Dublin (März 2008) betrug die Arbeitslosenquote 2,6 Prozent. Aktuell liegt sie bei 2,7 Prozent.
Behauptung 2: Weniger Sicherheit
Kurz nach der Umsetzung des Abkommens stieg die Zahl der begangenen Straftaten tatsächlich an. So verzeichnet die Kriminalstatistik für 2009 553'421 Straftaten, vier Jahre später betrug die Zahl 611'903. Seither sinkt sie aber wieder. Im letzten Jahr wurden 439'001 Straftaten registriert. Diese Entwicklung gibt es auch bei den Einbruchszahlen. 51'758 (2009), 61'128 (2012), 32'534 (2017).
Abstimmung vom 12. Februar 2017: Die Stimmbürger müssen darüber entscheiden, ob Ausländer, deren Grosseltern bereits in die Schweiz eingewandert sind, sich erleichtert einbürgern lassen können.
Ein Komitee um SVP-Hardliner Andreas Glarner griff im Vorfeld der Abstimmung in die Schublade und zog ein altbekanntes Sujet heraus – eine Frau mit schwarzer Burka. Damit warnte die Partei die Bevölkerung vor «Masseneinbürgerungen», die bei einem «Ja» zu erwarten wären.
Mit 60,4 Prozent der Stimmen nahm das Stimmvolk die erleichterte Einbürgerung überdeutlich an. Seit Mitte Februar dieses Jahres ist dieser Weg für die dritte Generation von Ausländern frei.
Bis Ende April haben 185 Personen um eine erleichterte Einbürgerung ersucht, wie eine Auswertung des Staatssekretariat für Migration zeigt. Infrage kämen aber über 25'000 junge Ausländer. Sprich: Bislang haben sich weniger als 1 Prozent der potenziellen Kandidaten dafür interessiert. Von Masseneinbürgerungen keine Spur. Auch das Bild der Niqab-Trägerin erwies sich als falsch. Der Grossteil der Einbürgerungswilligen, die sich bisher gemeldet haben, stammt aus Italien.
Am 10. Juni 2001 steht die Teilrevision des Militärgesetzes zur Abstimmung. Dabei ging es in erster Linie um eines: Sollen sich Schweizer Friedenssoldaten, die im Ausland im Einsatz sind, zu ihrem eigenen Schutz bewaffnen dürfen?
Mit der Bewaffnung der Schweizer Soldaten würde die Schweiz ihre über 200-jährige Friedenstradition aufgeben, so die Argumentation der Gegner der Gesetzesrevision. So war für den damaligen Co-Präsident des Nein-Komitees, Christoph Blocher, klar: «Die Schweiz würde in fremde Kriegshändel hineingezogen. Sie würde zur Konflikt- und Kriegspartei.» Und Konflikte und Kriege seien immer verbunden mit Kampf, Zerstörung, Toten und Verwundeten.
Die Vorlage wurde mit knapper Mehrheit angenommen und so brach im Oktober 2002 erstmals eine Truppe zu einem bewaffneten Ausland-Einsatz auf. 170 Männer und 8 Frauen reisten dabei für einen halbjährigen Einsatz in den Kosovo.
Heute sind rund 300 Schweizer Soldaten im Ausland aktiv. Zu den schlimmsten Zwischenfällen zählt ein Anschlag auf ein Restaurant in Mali, bei dem zwei Schweizer Soldaten verletzt wurden. Zudem starb ein Schweizer Soldat bei einem Unfall mit einem Schützenpanzer im Kosovo, bei dem auch fünf Insassen verletzt wurden. Tödliche Unfälle bei Auslandeinsätzen gab es aber auch bereits vor der Gesetzesänderung, sprich vor der Bewaffnung. So kamen 1992 und 1993 Schweizer während dem Friedenseinsatz ums Leben – bei Verkehrsunfällen.
Mehrmals wurde in der Schweiz über die kontrollierte Abgabe von Heroin abgestimmt. So auch am 26. September 2004 in der Stadt Zürich. Es geht dabei um die Frage, ob die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe weitergeführt werden darf.
«Mehr Drogen. Mehr Süchtige.» Mit dieser Botschaft empfahl die Zürcher SVP die Vorlage abzulehnen und somit die staatliche Abgabe von Rauschgift zukünftig zu unterbinden. Sie war die einzige Partei, die sich gegen die Vorlage aussprach.
Die Stimmbürger winkten die Vorlage durch (75 Prozent Ja-Stimmen) – der Anstieg von Heroinsüchtigen blieb aus.
Studien zeigen, dass Heroin vor allem von Menschen konsumiert wird, die bereits seit vielen Jahren abhängig sind. So hat die Zahl Heroinkonsumenten in der Schweiz in den letzten Jahren leicht abgenommen. 2002 haben noch 0,9 Prozent der Befragten schon einmal Heroin konsumiert (sogenannte Lebenszeitprävalenz), 2016 waren es noch 0,7 Prozent.
Abgenommen haben aber auch die Drogenbedingten Todesfälle. 2004 starben 210 Menschen in der Schweiz wegen Drogen, 2015 waren es 132.
Vor ziemlich genau einem Jahr stimmten die Schweizer und Schweizerinnen einer Änderung des Energiegesetzes zu. Ziel der Revision ist es, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen und die Potenziale der neuen erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Geothermie und Biomasse auszuschöpfen.
Unter Federführung der SVP verschickte das Nein-Komitee vor der Abstimmung an alle Schweizer Haushalte einen 12-seitigen Prospekt. Darin warnten die Gegner des Energiegesetzes unter anderem davor, dass die Bevölkerung künftig auf Bananen, Kaffee und Fleisch verzichten muss. Zudem drohten wegen Stromausfällen Züge auszufallen und Fussballspiele abgesagt zu werden.
Das totalrevidierte Energiegesetz trat Anfang 2018 in Kraft. Seither ist noch kein Bananenmangel eingetreten, auch Fleisch und Kaffee sind weiterhin verfügbar. Allerdings soll die angestrebte Reduktion des Energieverbrauchs um 43 Prozent erst im Jahr 2035 erreicht werden – es ist also noch zu früh für eine abschliessende Beurteilung.
Verschiedene Abstimmungen zwischen 1919 bis 1971: Über 50 Jahre lang stritten sich die Schweizer Männer darüber, ob Frauen auch abstimmen und wählen dürfen.
Heutzutage klingen die Argumente, die jahrelang gegen das Frauenstimmrecht ins Feld geführt wurden, doch eher abenteuerlich. So wurde etwa argumentiert, dass der Dorffrieden in Gefahr sei, wenn sich auch noch die Frauen in die heftigen Abstimmungsdebatten einmischen würden.
Auch die Abstimmungsplakate warnten den Stimmbürger vor düsteren Zukunftsprognosen bei einem «Ja».
Am 7. Feburar 1971 war es so weit: Die Schweizer Männer machten den Weg frei für die politische Partizipation der Frauen. 68 Prozent der Stimmbürger legten ein «Ja» in die Urne.
Behauptung 1: «Wollt ihr solche Frauen?»
Empirisch nicht überprüfbar. Aber: Ähm, ja.