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Gesellschaft & Politik

Ueli Maurer weibelt für Frontex-Ausbau – doch Köppel und Co. sagen Nein

An der Albisgüetli-Tagung von 2019 herrschte noch Freude zwischen Roger Köppel (links) und Ueli Maurer. (keystone 18. januar 2019)
An der Albisgüetli-Tagung von 2019 herrschte noch Freude zwischen Roger Köppel (links) und Ueli Maurer. Beim Ausbau von Frontex sind der SVP-Nationalrat und der Bundesrat Gegner.Bild: kestone

Maurer und Köppel sind sich uneins – kommt's jetzt zur unheiligen Allianz SVP/Linke?

Am 15. Mai stimmt die Schweiz über den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex ab. Die SVP ist gespalten. Wichtige Vertreter sagen Nein. Die Partei ist auf der Suche nach einer Parole.
19.02.2022, 10:0730.03.2022, 12:40
Othmar von Matt / ch media
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Wahlkampfleiter Marcel Dettling will den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex nicht. Auch die neue Programmchefin Esther Friedli sagt Nein. Genauso wie Lukas Reimann, SVP-Nationalrat und Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns).

Zwei prominente SVP-Vertreter haben sogar ins Nein-Lager gewechselt. Roger Köppel, Chef des Europa-Dossiers, hatte sich in der Frontex-Schlussabstimmung noch enthalten. Jetzt sagt er Nein. Und SVP-Vizepräsidentin Céline Amaudruz ging vom Ja- ins Nein-Lager.

Schon in der Schlussabstimmung war Frontex bei der SVP heiss umstritten

Damit lehnen mehrere SVP-Schwergewichte die Vorlage ab, die SVP-Bundesrat Ueli Maurer verantwortet: Die Schweiz übernimmt die neue EU-Verordnung zur Grenzschutzbehörde Frontex und zahlt 61 Millionen statt wie bisher 14 Millionen Franken pro Jahr. Zudem soll die Schweiz Frontex auch mehr Personal zur Verfügung stellen. Schon in der SVP-Fraktion war das Geschäft umstritten: In der Schlussabstimmung des Nationalrats nahm die SVP die Vorlage mit 14 zu 12 Stimmen hauchdünn an, bei 28 Enthaltungen.

Damit ist klar: Die SVP tut sich schwer mit der Parole zu Frontex. Im Parteileitungsausschuss weiss man: Der Druck aus der Basis ist hoch für ein Nein. Man geht davon aus, dass die Delegiertenversammlung vom 9. April ein Nein beschliessen könnte. Dann wäre die unheilige Allianz mit der Linken Fakt. Sie hat das Referendum ergriffen. Und das Referendum, das als chancenlos galt, hätte plötzlich gute Erfolgschancen.

Der Parteileitungsausschuss ist tief gespalten

Deshalb brüten die neun Mitglieder des SVP-Parteileitungsausschusses am Freitag und Samstag in inoffiziellen Diskussionen am Rande der Fraktionssitzung in Glarus erstmals über eine mögliche Parole zu Frontex. Ebenfalls anwesend ist SVP-Bundesrat Ueli Maurer.

Der Parteileitungsausschuss ist tief gespalten in dieser Frage. Das zeigt ein Blick in die Schlussabstimmungen vom 1. Oktober 2021. Drei Vertreter sagten Ja: Präsident Marco Chiesa, Fraktionschef Thomas Aeschi und Vizepräsidentin Amaudruz. Zwei Vertreter sagten Nein: Marcel Dettling und Thomas Matter. Die restlichen vier Mitglieder enthielten sich der Stimme: Magdalena Martullo-Blocher, Franz Grüter, Sandra Sollberger und Manuel Strupler.

Der Coup von Vizepräsidentin Céline Amaudruz

Kurz vor der inoffiziellen Sitzung landete Céline Amaudruz einen Coup: Sie wechselte vom Ja- ins Nein-Lager. Gegenüber der «Tribune de Genève» bestätigte sie, dass sie das linke Referendum zu unterstützen gedenke. «Im Laufe der Jahre hat sich die Nutzlosigkeit von Frontex klar gezeigt», sagte sie. Dass man einer Organisation höhere Summen überweise, die ohne konkrete Wirkung vor Ort bleibe, sei eine Bankrotterklärung.

Nationalraetin Celine Amaudruz, SVP-GE, links, und Staenderat Marco Chiesa, SVP-TI, rechts, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 17. September 2020 im Staenderat in Be ...
Die Vizepräsidentin sagt Nein, der Präsident Ja: Céline Amaudruz (links) und Marco Chiesa sind sich nicht einig über die Parole der SVP zum Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex.Bild: keystone

Damit liegt im Parteileitungsausschuss das Nein zum Frontex-Ausbau mit 3:2 knapp vorne, bei vier Enthaltungen. Unklar ist, ob Matter beim Nein bleibt. Er stehe Schengen/Dublin kritisch gegenüber, werde das linke Referendum aber nicht unterstützen – und wisse noch nicht, wie er stimme, sagt er.

Die 47 Millionen sollen in die eigenen Grenzen investiert werden

Die Linke ergriff das Referendum. Sie kämpft gegen Menschenrechtsverletzungen von Frontex. Das EU-Parlament hält 90 Millionen Euro an die Frontex zurück für 2022, weil es Vorwürfe abgeklärt haben will: Asylsuchende sollen illegal zurückgewiesen worden sein.

Anders argumentieren die Frontex-Gegner der SVP. Die Schweiz sollte die 47 Millionen, die sie zusätzlich an Frontex überweisen müsse, besser an der eigenen Grenze investieren, sagen SVP-Vertreter wie Esther Friedli, Marcel Dettling und Benjamin Giezendanner (AG). So könnte die illegale Einwanderung gesenkt werden.

Auns-Präsident Lukas Reimann: «Mitglieder sollen entscheiden»

Lukas Reimann, SVP-Nationalrat und AUNS-Praesident, spricht waehrend einer AUNS Polit-Tagung unter dem Titel "Souveraenitaet", am Samstag 28. August 2021, in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bild: keystone

Auns-Präsident Reimann geht noch weiter. Die Schweiz müsste selber entscheiden können, wer ein Visum für die Einreise erhalte, sagt er. Den EU-Grenzkontrollen vertraut er nicht. Als er die Grenze von ­Albanien nach Griechenland überquerte, habe es keine Frontex gegeben. «Sie ist nur an der Grenze zu Weissrussland oder zur Türkei präsent», sagt er. «Das zeigt, wie löchrig die EU-Aussengrenze ist.»

Wie Roger Köppel zum scharfen Frontex-Gegner wurde

Für die Mitgliederversammlung der Auns vom 9. April will er kontradiktatorische Referenten auftreten lassen. Reimann sagt: «Die Mitglieder sollen die Auns-Parole entscheiden.»

Besonders hart äussert sich inzwischen Roger Köppel, der sich am 1. Oktober 2021 noch enthalten hatte. Damals habe er sich zu wenig intensiv mit der Vorlage auseinandergesetzt, sagt er.

Das hat sich inzwischen geändert. «UNO-Mitarbeiter und Migrationsexperten der EU erzählen mir», sagt er, «Frontex sei ein Witz, eine dysfunktionale Behörde.» ­Köppels Folgerung: «Die Schweiz sollte dieses Fehlkon­strukt nicht finanzieren.» (aargauerzeitung.ch)

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Die neue SVP-Führung
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Die neue SVP-Führung
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quelle: keystone / peter schneider
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Diese beiden brauchen wohl noch ein paar Französisch Stunden
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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Töfflifahrer
19.02.2022 10:43registriert August 2015
Köppel ist ein Fähnchen im Wind, er hat immer die Position, die ihm am meisten nutzt. Wie bitte will die SVP mit 47 Mio. unsere Grenzen schützen? Wir haben offene Grenzen! Die Aussengrenze ist, auch für uns, die Schengen-Grenze. Aber leider wird auch dieses Poltern und Schaumschlagen bei der SVP Basis auf offene Ohren stossen.
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LURCH
20.02.2022 06:39registriert November 2019
Einfach mal hier schauen wer sich abseits der Augenwischerei der Sünnelitempler informieren will.
Es braucht keine Schweizer Steuergelder um die EU zu militarisieren, aber darum geht es den rechten Dumpfbacken ja gar nicht.
Dennoch vielen Dank für die Unterstützung des Referendums.

https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-1-februar-2022-100.html
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Cpt. Jeppesen
19.02.2022 10:50registriert Juni 2018
Lukas Reimann hat von Albanien nach Griechenland keine Frontex gesehen. Könnte vielleicht daran liegen, dass die Albaner nicht nach Griechenland flüchten? Aber dieser Gedanke könnte das Weltbild zerstören, wo doch jeder weiss, dass alle südlich der Alpen wohnenden Menschen potentielle Wirtschaftsflüchtlinge sind. Am besten wäre doch eine 10 Meter hohe Mauer um die Deutschschweiz zu errichten und Ehen mit fremdländischen Genen verbieten, oups Herr Köppel.
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