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SRF-Arena: So kämpfte Sommaruga gegen SVP-Vogt

Zanken sich in der SBI-«Arena»: Hans-Ueli Vogt, Magdalena Martullo-Blocher, Simonetta Sommaruga und Philippe Müller (von links).
Zanken sich in der SBI-«Arena»: Hans-Ueli Vogt, Magdalena Martullo-Blocher, Simonetta Sommaruga und Philippe Müller (von links).bild: screenshot srf

Wie Sommaruga den SVP-Professor in der Selbstbestimmungs-«Arena» vor den Richter zerrt

Rettet die Selbstbestimmungsinitative unsere Volksrechte? Oder gefährdet sie die Schweiz? In der Abstimmungs-«Arena» wirft Bundesrätin Sommaruga der SVP vor, sie greife die «eigenen» statt die «fremden» Richter an.  Das lässt SVP-Professor Hans-Ueli Vogt nicht auf sich sitzen. 
10.11.2018, 06:5311.11.2018, 05:35
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Soll das Schweizer Recht über das Völkerrecht gestellt werden? Mit der Selbstbestimmungsinitiative (SBI) steht eine der wichtigsten Abstimmungen der letzten Jahre vor der Türe, das Rennen ist laut den jüngsten Umfragen offen. Dementsprechend angespannt steigen die Protagonisten am Freitagabend in die Sendung. 

«Arena»-Dompteur Jonas Projer knöpft sich sogleich – mit einem unschuldigen Grinsen auf dem Gesicht – Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) vor. Diese betont, dass das Schweizer Volk dank der direkten Demokratie so oder so das letzte Wort habe – und nennt als Beispiel die Personenfreizügigkeit, über deren Kündigung wir wegen einer weiteren SVP-Initiative bald abstimmen. «Wollen sie mir wirklich sagen, dass alle Verträge dem Referendum unterstehen? Die werden vom Bundesrat und von Diplomaten gemacht», stichelt Projer.

«Das ist jetzt der grösste Chabis, den ich jetzt schon paar Mal gehört habe», entgegnet Sommaruga cool und sorgt gleich mal für das erste grosse Lachen im Publikum, in das sich übrigens unerlaubt eine Gruppe SVP-Sympathisanten geschlichen hat. 

Sommaruga: «Das ist der grösste Chabis!»

Video: streamable

Die Zuschauer müssen sich richtig konzentrieren, denn die SBI ist eine höchst komplexe Vorlage: 5000 internationale Verträge ergänzen aktuell das Schweizer Recht, darunter fallen etwa die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Bei künftigem Widerspruch mit dem Landesrecht müssten diese bei einem Ja zur SBI «nötigenfalls» gekündigt werden.

Grund genug für FDP-Ständerat Phillipp Müller den Zweihänder gegen die SVP-Initianten auszufahren. «Nur dank internationalen Verträgen geht es der Schweiz gut. Mit der SBI knallt die SVP einen Schrotschuss ins Kornfeld. Und zerstört alles das, was unser Land aufgebaut hat», feuert der Aargauer gegen SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, die nicht nur wegen ihrem roten Veston die Blicke auf sich zieht.

Der Schrotschuss von FDP-Müller

Video: streamable

Die Tochter von SVP-Übervater Christoph Blocher «stampft» im Studio umher. Im Gegensatz zu den zahlreichen Arena-Auftritten ihres Papas bleibt sie aber im Ton meist ruhig und sachlich. Sie betont, dass keiner der 5000 Verträge, ausser der Personenfreizügigkeit, bei einer Annahme angepasst werden müsste. «Das Volk ist nicht dumm!»

Die «Anti-Menschenrechtsinitiative», wie die SBI den Linken genannt wird, lehnen Hilfsorganisationen und Kirchen durchs Band ab. «Es geht um Menschen, es geht um die Menschenrechte in diesem Paragraphensalat», sagt Andrea Huber von der Allianz der Zivilgeselllschaft. Die Gegner der SBI argumentieren inbesondere, die SVP habe es auf eine Kündigung der EMRK abgesehen. Diesen Vorwurf wies Martullo-Blocher kategorisch von sich: «Wir sind kein Willkürstaat. Wir bleiben bei der EMRK dabei.»

Martullo-Blocher: «Wir bleiben bei der EMRK»

Video: streamable

Der Kern der Diskussion dreht sich dann um eine angebliche «Revolution» im Bundesgericht, wie es Hans-Ueli Vogt, Nationalrat SVP und Rechtsprofessor, ausdrückt. 2012 hoben fünf Bundesrichter die Ausschaffung eines kriminellen Mazedoniers auf und hielten nebenbei fest, dass die EMRK im Konfliktfall nicht nur Bundesgesetzen, sondern auch der Bundesverfassung vorgehe. Die SVP fühlte damals sich und den «Volkswillen» verraten. Ohne das Urteil wäre die SBI womöglich nicht lanciert worden.

Vogt: «Das ist eine Palastrevolution»

Video: streamable

«Das Bundesgericht sagte, dass internationale Verträge über den Stimmbürgern stehen. Das war eine Revolution. Die Richter wussten ganz genau, dass sie sich damit auf dünnes Eis begehen», so Vogt, der mit der Bundesverfassung in der Hand herumfuchtelte. «Arena»-Recherchen hingegen zeigen, dass der Entscheid keine Revolution, sondern bloss ein Zeichen war, wie man die Ausschaffungsinitiative umsetzen sollte.  

Der putzmuntere FDP-Müller warf ein, dass wegen eines Bundesgerichtsurteils, das «einem nicht passe», nun nicht gleich die Verfassung geändert werden müsse. 

«SVP greift das Bundesgericht an»

Video: streamable

Bundesrätin Sommaruga – trotz unzähligen Auftritten in bester Angriffslaune – konterte Vogt mit nachdenklicher Miene. Der damalige Entscheid bestätige bloss, dass sich die Schweiz an internationale Verträge halte, wie sie dies seit 1870 tue. Und zieht ein deutliches Fazit: «Die Selbstbestimmungsinitiative geht gar nicht gegen die fremden Richter, sondern gegen die eigenen Richter. Die SVP greift das Bundesgericht an!»

Gegen Ende der erstaunlich sachlichen Arena nimmt Moderator Projer Rechtsprofessor Vogt auf den Prüfstand. Minarett-, Ausschaffungs- und Masseneinwanderungsinitiative: Diese drei Initiativen hat die SVP in den letzten zehn Jahren durchgebracht. Es sei wie verhext, so Projer, denn die Initiativen entfalteten kaum Wirkung. «Das Parlament macht Obstruktion», erklärt  Vogt.  Mit der SBI gebe es wieder eine unklar formulierte Initiative, die kaum umsetzbar sei. «Wollen wir wieder fünf Jahre lang ein Gstürm?», so Projer zu Vogt.

Der SVP-Nationalrat entgegnet, mit der SBI werde dieser Diskussion endlich ein Ende gesetzt. Ein für alle Mal werde dem Parlament gesagt, dass die Einwanderung zu kontrollieren sei und keine Minarette mehr gebaut würden. «Die SBI ist doch vielmehr eine Selbstbeschäftigungsinitiative», bilanziert Projer und hat die Lacher auf seiner Seite. 

«Was ist für Sie das Schönste am Herbst?»: Ganz am Ende der Sendung wirft Projer noch eine lockere Frage in die Runde.  Als einziger Diskussionsteilnehmer antwortet Bundesrätin Sommaruga nicht mit einer verkappten politischen Botschaft: «Mein selbstgemachtes Vermicelle», erklärt die Bernerin und schmunzelt.

SBI-Instagram-Live-Debatte: Wermuth vs Reimann

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196 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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praxis
10.11.2018 08:30registriert Mai 2015
Ich weiss nicht mehr, wer das bereits gesagt hat, aber es trifft für mich den Nagel auf den Kopf: Der SVP gehen die Feindbilder aus, jetzt gehen sie halt gegen unsere Verfassung und unseren Rechtstaat. Ich will mich aber gegen allfällige Willkür meines Staates, der Eidgenossenschaft, wehren können. Dafür brauche ich eine höhere Instanz, also Strassburg. Deshalb Nein zu dieser Initiative.
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Don Sinner
10.11.2018 10:12registriert Januar 2015
Klassischer Anschauungsunterricht Blocherscher Kernpolitik. Motor: Rache. Für politische Niederlagen gegen Institutionen mit dem Ziel, diese zu schwächen. Auch rein persönliche Heimzahlungen auf dem Buckel der Politik. Hier gegen die Gewaltentrennung (Bundesgericht). Und also Unterminierung der Säulen des demokratischen Staates.
Vorwand als Rechtfertigung: Berufung aufs Volk ("Volkswille", "Selbstbestimmung"). Personal: willfährige, besessene, von der angeblichen Sache überzeugte Lakaien an der Kriegsfront. Die Bauern auf dem Schachbrett (Mörgeli, Vogt, Köppel).
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Luke1879
10.11.2018 10:30registriert Mai 2018
Ich denke, dass die SBI ein für die Schweiz typisches Phänomen sehr gut beschreibt: Wir wissen nicht, wie gut es uns geht:
- Wir nerven uns über vier Minuten Verspätung, obwohl wir die weltweit pünktlichste Bahn und das dichteste Streckennetz haben.
- Wir sorgen uns um „Ernährungssicherheit“ und gehen gleichzeitig in den prallgefüllten Coop einkaufen
- Wir fühlen uns aufgrund vier Minaretten bedroht und verankern ein Bauverbot in der Verfassung.
- Und wir sehen die Demokratie in Gefahr, obwohl in der Schweiz in einem Jahr mehr abgestimmt wird als in allen anderen europäischen Ländern zusammen.
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