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Revision abgeschmettert: Parlament will Kriminellen weiterhin bedingte Geldstrafen aufbrummen statt sie ins Gefängnis zu stecken

Revision abgeschmettert: Parlament will Kriminellen weiterhin bedingte Geldstrafen aufbrummen statt sie ins Gefängnis zu stecken

08.06.2015, 18:12
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Gross war vor einigen Jahren die Empörung darüber, dass Kriminelle mit bedingten Geldstrafen davonkommen. Doch von der Revision des Sanktionenrechts, die das Parlament in aufgeheizter Stimmung beim Bundesrat bestellte, ist nach drei Jahren Arbeit wenig übrig.

Schon bald war klar geworden, dass es für die Abschaffung der umstrittenen bedingten Geldstrafen keine Mehrheit gibt. Der Ständerat versuchte zwar durchzusetzen, dass mindestens die Hälfte der Geldstrafe unbedingt ausgesprochen wird, scheiterte aber am Widerstand des Nationalrats.

Geldstrafe statt Gefängnis: Die Regelung soll auch die immer überlasteten  
Geldstrafe statt Gefängnis: Die Regelung soll auch die immer überlasteten  Bild: KEYSTONE

Immerhin dürfen Geldstrafen nur noch bis 180 Tagessätze statt wie bisher bis 360 Tagessätze ausgesprochen werden. Das wird dazu führen, dass auch bei mittelschweren Delikten wieder vermehrt auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird. Zudem kann unter bestimmten Umständen schon ab drei Tagen eine Freiheitsstrafe verhängt werden, Geldstrafen behalten aber Vorrang. Bisher wurden bis zu einer Dauer von einem halben Jahr in der Regel nur Geldstrafen ausgesprochen.

Nationalrat gibt nach

Zuletzt stritten die Räte noch um die Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens. Heute dürfen Staatsanwälte Verfahren bis zu einer Strafe von sechs Monaten per Strafbefehl erledigen. Der Nationalrat wollte dies auf Strafen bis zwölf Monate ausweiten, wenn in dem Verfahren gleichzeitig eine bedingte Strafe widerrufen wird.

Am Montag folgte er dann aber dem Antrag der Einigungskonferenz, an der heutigen Regelung festzuhalten. Eingelenkt hat er auch bei der Begründungspflicht für kurze Freiheitsstrafen. Da er mit seinen Beschlüssen auf den Kurs des Ständerats einschwenkte, steht einer Einigung nichts mehr im Weg. Die Vorlage geht nun noch an die kleine Kammer, dann ist sie bereit für die Schlussabstimmung.

Schon früher hatten sich die Räte über die Mindesthöhe des Tagessatzes geeinigt. Der Ständerat beharrte zunächst auf 10 Franken, der Nationalrat wollte 30 Franken und handelte sich damit den Vorwurf ein, einer Zweiklassen-Justiz Vorschub zu leisten.

Eine Art Härtefallklausel machte schliesslich den Weg frei für eine Einigung: In der Regel beträgt der Tagessatz 30 Franken. Doch wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse es gebieten, kann der Tagessatz auf 10 Franken gesenkt werden.

Revision nach Empörung

Die elektronische Fussfessell: Einsatz bald im Gesetz verankert.
Die elektronische Fussfessell: Einsatz bald im Gesetz verankert.Bild: KEYSTONE

Überarbeitet wurde auch der Vollzug. Der Strafvollzug mit elektronischer Fussfessel, der heute nur in einigen Kantonen möglich ist, wird im Gesetz verankert. Freiheitsstrafen sollen auch in Form von gemeinnütziger Arbeit vollzogen werden können. Im geltenden Recht handelt es sich dabei um eine eigene Strafe, was sich aber nicht bewährt hat.

Das Parlament hatte die Geldstrafen erst 2007 eingeführt, um den Strafvollzug von den vielen kurzen Freiheitsstrafen zu entlasten. Die Strafvollzugsbehörden meldeten schon vor Inkrafttreten des neuen Sanktionenrechts Zweifel an. Medien kolportierten den Spott der Verurteilten über die bedingten Geldstrafen.

Die eidgenössischen Räte nahmen diese Kritik auf und verlangten vom Bundesrat, Geldstrafen wieder abzuschaffen oder zumindest zurückzudrängen. Dieser legte 2012 einen Revisionsentwurf vor. Darin waren bedingte Geldstrafen nicht mehr vorgesehen gewesen. (sda)

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