«Frauen sind digital zu wenig präsent. Wikipedia ist die wichtigste Informationsseite der Welt. 90 Prozent der Biografien und Editoren auf der Plattform sind jedoch männlich», sagt SRF-Wirtschaftsjournalistin und Moderatorin Patrizia Laeri.
Laeri und weitere Journalistinnen wollen das ändern. Mit dem Projekt «Frauen für Wikipedia» riefen SRF, Ringier und Wikimedia zu einem Edit-a-thon, einem Schreibmarathon, auf. Viele Schweizer Frauen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft hätten nicht einmal einen eigenen Wikipedia-Artikel – im Gegensatz zu ihren männlichen Pendants, so die Kritik.
Heute Donnerstag zwischen 16 und 20 Uhr verfassen die Initianten Wikipedia-Einträge von zahlreichen erfolgreichen Schweizer Frauen.
Ab heute Abend sind folgende Schweizer Frauen stolze Besitzerinnen eines Wikipedia-Eintrags:
Johanna Bundi Ryser ist die erste Frau an der Spitze der Polizistengewerkschaft VSPB. Die 55-jährige Bündnerin ist seit zwei Jahren das Sprachrohr der rund 26'000 Schweizer Polizisten, die im Verband organisiert sind. Aufgewachsen in einer Grossfamilie, absolvierte Bundi Ryser freiwillig den Militärdienst, bis sie mit 28 Jahren an die Polizeischule ging.
Bundi Ryser hat es sich zum Ziel gemacht, dem VSPB mehr Gehör zu verschaffen. Das ist ihr bisher gelungen. Erst im Mai dieses Jahres sorgte Bundi Ryser mit einer provokativen Frage für Aufmerksamkeit. «Muss zuerst ein Polizist sterben, bevor wir die Samthandschuhe weglegen?», wurde sie von 20 Minuten zitiert. Anlass der Frage waren Attacken auf Beamte nach einem Fussballspiel.
«Das Operieren ist wie ein Kunsthandwerk», beschreibt Stephanie von Orelli in einem SRF-Reporter-Film ihre Leidenschaft als Ärztin. Die 52-Jährige ist Chefärztin der Frauenklinik am Zürcher Triemlispital.
Von Orelli ist es ein persönliches Anliegen, dass Frauen, die Kinder bekommen, im Beruf bleiben und nicht hinter dem Kochherd verschwinden. Mit 46 Jahren und drei Kindern schaffte es von Orelli an die Spitze der Frauenklinik. Dazu brauche es Mut, eine gute Organisation, Unterstützung durch den Partner und eine Prise Humor.
Die 59-jährige Franziska Tschudi gehört laut der Handelszeitung zu den wichtigsten Frauen in der Schweizer Wirtschaft. Seit 2001 ist Tschudi VR-Delegierte und CEO der auf Isolation- und Kunststofftechnik spezialisierten Wicor-Gruppe. Zudem ist sie Verwaltungsrätin bei Swiss Life und Biomed sowie Vorstandsmitglied bei Economiesuisse und Swissmem.
Tschudi ist in einer Männerdomäne tätig. In einem Interview mit der Unternehmerzeitung erklärte Tschudi, dass Erfolg auch oft mit Verzicht zu tun hat: «Eine Führungsposition erreicht man nicht mit einem Nine-to-five-Einsatz. Ich meine das nicht nur zeitlich. Es braucht vor allem Flexibilität, beispielsweise für einen Einsatz im Ausland oder für ein zeitintensives Projekt.»
Margarita Chli leitet die Abteilung der Computervision für Robotik an der ETH Zürich. Die 34-Jährige Professorin und ihr Team entwickeln Systeme, mithilfe derer Drohnen autonom zusammenarbeiten können. Die Drohnenschwärme sollen in Zukunft helfen, Katastrophengebiete selbstständig abzusuchen oder Industrieanlagen systematisch auf Materialrisse zu überprüfen und zu reparieren.
Die aus Zypern stammende Chli studierte an der Cambridge University und entdeckte ihre Leidenschaft für Drohnen und Robotik während ihrer Doktorarbeit. 2015 erhielt Chli eine Förderprofessur des Schweizerischen Nationalfonds im Wert von 1,6 Millionen Franken zur Unterstützung ihrer Forschung.
Die bunten Farbstifte und Neocolor von Caran d'Ache kennt jedes Kind. Die 51-Jährige Carole Hübscher führt das über hundertjährige Familienunternehmen in vierter Generation. Seit 2012 leitet sie das Genfer Haus für Schreib- und Zeichengeräte.
Hübscher führt das Unternehmen durch unsichere Zeiten. Nach der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses vor drei Jahren war Hübscher geschockt. «Ich werde diesen Augenblick nie mehr vergessen», sagte sie gegenüber der Bilanz. Es sei wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Dennoch entschied sich Hübscher, dem Produktionsstandort Schweiz weiterhin treu zu bleiben.
In der Ostschweiz gilt Gabriela Manser schon lange als «Vorzeigefrau» der Wirtschaft. Die 56-jährige Appenzellerin leitet die Mineralquelle Gontenbad, kurz Goba, seit 1999 in der dritten Generation. Flauder, die Limonade mit Holunderblüten und Melisse, ist wohl das bekannteste Getränk von Goba.
Die gelernte Kindergärtnerin führt heute 60 Mitarbeitende und tüftelt gerne an neuen Produkten. Mansers Innovationswille hat sich gelohnt. Innerhalb kürzester Zeit konnte sie den Umsatz des Familienunternehmens verdoppeln. Natürlich sei das nicht immer einfach gewesen, geholfen habe ihr dabei der eigene Optimismus, erzählte sie in einem Interview der Handelszeitung.
Sie verdient mehr als eine Bundesrätin: Philomena Colatrella. 2017 waren es rund 743'766 Franken. Der Name der Chefin der Luzerner Krankenversicherung CSS ist Programm. Philomena bedeutet so viel wie «Freundin des Mutes» oder «den Eifer liebende, ungestüme Frau». Auf sie treffe beides zu, sagte Colatrella gegenüber der Aargauer Zeitung.
«Mut ist sicher eine Eigenschaft, die es in dieser Branche braucht. Es braucht auch Mut, zu sagen, ich übernehme die Verantwortung als Chefin», so die 49-Jährige. Seit 2016 steht die gebürtige Italienerin an der Spitze der CSS. Mit einem Ziel vor Augen: die Branche aufzumischen.
Liebe User, weitere Vorschläge von Frauen, die schon längst einen Wikipedia-Eintrag verdient hätten, sind herzlich willkommen!