Schweiz
Gesellschaft & Politik

Petra Gössis Klimakampf: FDP-Parteimitglieder sind verärgert

Die FDP Parteipraesientin Petra Goessi nach ihrer Wiederwahl zur FDP Praesidentin anlaesslich der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz vom Samstag, 24. Maerz 2018 im Casino Zug. (KEYSTONE/Urs Flueel ...
Petra Gössi sorgte innerhalb ihrer Partei mit einem Interview für Aufsehen. Bild: KEYSTONE

Der Klimakrampf der FDP: Gössis Kurskorrektur war kaum abgesprochen

FDP-Präsidentin Gössi will die Partei umweltfreundlicher machen – und provoziert damit einen Streit. Ein Blick in die aktuelle Ausgabe der Parteizeitung der «Freisinn» legt das Ringen schonungslos offen.
18.02.2019, 01:3018.02.2019, 06:50
Doris Kleck / CH Media
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Wie spektakulär das Interview von Petra Gössi war, zeigte sich am Schluss. Sie sei sich bewusst, dass sie sich weit aus dem Fenster lehne und den Totalbsturz riskiere, sagte die FDP-Präsidentin am Samstag in den Tamedia-Zeitungen. Und fügte fast schon trotzig an: «Ich will aber die Menschen an die Tradition des Freisinns erinnern.»

Petra Gössi hat eine Mission. Sie will eine grünere FDP. Der Umweltschutz gehöre zur DNA des Freisinns, man habe diese Thematik aber «etwas aus der Hand gegeben», gab Gössi zu. Die Schwyzer Nationalrätin kündigte nicht nur eine aufwendige Befragung ihrer 120 000 Mitglieder an, um herauszufinden, wo die FDP-Basis umweltpolitisch steht – im Juni widmet die Partei der Umwelt dann gar eine Delegiertenversammlung.

Gössi machte auch konkrete Ansagen zum CO2-Gesetz. Sie spricht sich neu für ein Reduktionsziel im Inland und eine Flugticket-Abgabe aus. Beides lehnte die Partei im Dezember noch ab.

FDP im Klimastress

Eine spektakuläre Kehrtwende also. Ein eigentlicher Befreiungsschlag. Er erfolgte nach schwierigen Wochen für die Partei. Die FDP steht in der Kritik, weil sie für den Absturz des CO2-Gesetzes im Nationalrat mitverantwortlich gemacht wird. Versenkt haben die Vorlage zwar SP, Grüne, GLP und SVP. Doch weil die FDP mitgeholfen hat, ein verbindliches Reduktionsziel für das Inland zu verhindern, steht sie am Pranger. Schüler protestieren mit Plakaten «FDP: Fuck de Planet».

Das ist – gerade in einem Wahljahr – unangenehm. In den letzten Wochen kam bei der FDP denn auch einiges in Bewegung. Der Öko-Flügel muckte auf und liebäugelte mit der Gründung einer Gruppe FDP Nachhaltigkeit. Auf dem Parteisekretariat häuften sich die Rückmeldungen aus den Kantonen – etwa Zürich, Graubünden, Schwyz und Luzern –, die eine umweltfreundlichere Positionierung forderten.

Ein Blick in die aktuelle Ausgabe der Parteizeitung der «Freisinn» legt das Ringen schonungslos offen. Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen verteidigt die Haltung zum CO2-Gesetz. Er fordert Lösungen statt Emotionen und prangert – wegen des Konflikts um das Inlandziel – den linken «Klimanationalismus» an. In der gleichen Ausgabe mahnt der Luzerner Ständerat Damian Müller, die Klimapolitik als «Chance» zu begreifen. Die Schweiz müsse ihre Verantwortung wahrnehmen.

Nun hat Petra Gössi öffentlich ein Machtwort gesprochen. Quasi im Alleingang. Abgesprochen hat sie sich nur mit Fraktionschef Beat Walti und einigen Kantonalpräsidenten. Nicht konsultiert hat sie das Parteipräsidium und auch nicht die dossierführenden Parlamentarier, die Mitglieder der Umwelt- und Energiekommission (Urek) sind.

ARCHIVBILD ZUR WAHL VON BEAT WALTI ZUM NEUEN FRAKTIONSCHEF DER FDP, AM FREITAG, 17. NOVEMBER 2017 - Beat Walti, Nationalrat FDP ZH, vom Komitee "NEIN zur Juso-Spekulationsinitiative" aeusser ...
Beat WaltiBild: KEYSTONE

Die Wortführer desavouiert

Dazu gehört Christian Wasserfallen, notabene auch Vizepräsident der FDP Schweiz. Er reagierte wirsch auf Gössis Ankündigungen. Auf Twitter forderte er, auch im Wahlkampf einen kühlen Kopf zu bewahren. Und er stellte klar: «Wir sind nicht für eine wirkungslose Flugticketabgabe.»

Diese lehnt auch FDP-Nationalrat Peter Schilliger ab – ebenfalls Urek-Mitglied und Wortführer. Der Luzerner verweist darauf, dass die freisinnige Haltung gerade beim Inland-Reduktionsziel zu Unrecht kritisiert werde: «Entscheidend ist nicht das deklaratorische, übergeordnete Ziel, sondern es sind die konkreten Teilziele in den Bereichen wie Gebäude oder Treibstoff.»

Nationalrat Thierry Burkart (FDP/AG) wiederum begrüsst, dass Gössi Hand zu einem Kompromiss bietet. Aber: «Die einzelnen Massnahmen lehne ich ab.» Er glaubt auch nicht, dass die Partei den Umweltschutz vernachlässigt habe. «Wir brauchen keine programmatischen Änderungen. Wir müssen aber die Nachhaltigkeit stärker betonen und die Kommunikation verbessern.»

Thierry Burkart, FDP-AG, spricht an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 1. Maerz 2018 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Der Aargauer Nationalrat Thierry Burkart.Bild: KEYSTONE

Die politischen Gegner reagierten teilweise mit viel Hohn auf Gössis Aussagen. In den sozialen Medien kursierte ein Interview ihres Vorgängers Philipp Müller. Der Aargauer stellte bereits 2013 fest: «Die FDP muss ein ökologisches Profil entwickeln.»

Diese Schüler erklären, wieso sie streiken:

Video: watson/Chantal Stäubli, Emily Engkent

Abwesenheiten Ständerat gesamte Session 2018:

1 / 7
Abwesenheiten Ständerat gesamte Session 2018
4. Platz: Paul Rechsteiner (SP): Er fehlte in 11,4 Prozent der Abstimmungen. Insgesamt in 82 von 719.
quelle: keystone / marcel bieri
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65 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pafeld
18.02.2019 01:45registriert August 2014
Ist doch schlicht gelogen.
Die FDP hat sich seit ich zurückblicken kann kein einziges mal für Umweltschutz eingesetzt. Selbst beim kleinsten Interessenkonflikt mit der Wirtschaft hat die FDP kein einziges mal im Sinne der Umwelt entschieden. Die Zustimmung zum Pariser Klimaabkommen ist ein reines Lippenbekenntnis. Die FDP hat kein einziges verbindliches Ziel forciert, das Schweizer Unternehmen irgendwie in die Pflicht nehmen würde, ausser ein bisschen Ablass zu zahlen. Und nun ist nach einer sehr entlarvenden Wintersession Wahljahr und der Partei droht Abwanderung zur GLP. Was verdient ist.
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nach gang
18.02.2019 02:53registriert Januar 2019
Einwenig heimlifeis, aber strategisch ziemlich geschickt.
Frau Gössi setzt den FDPler die Pistole auf die Brust. Wer in der FDP noch gegen den Klimaschutz ist, steht als ewiggestriger Spielverderber da.
Wasserfallen Junior wirkt genauso unsympathisch wie der selige Senior. Wenn er in Zukunft einwenig mehr Schweigen und die Profifrau aus der Innerschweiz machen lassen würde, könnte dies für den Wahlkampf der FDP förderlich sein.
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peigi
18.02.2019 06:12registriert Juni 2016
Immerhin gibt es jetzt eine Umfrage bei den eigentlichen Parteimitgliedern. Denn von denen waren wohl nicht wenige mindestens so überrascht wie jetzt Herr Wasserfällen, als man aus den Medien erfuhr, dass die Fraktion sich gegen das CO2 Gesetz stellte. Ging zumindest auch mir so...

Liberal bedeutet im Kern, dass man frei und verantwortungsvoll handeln soll. Eine verantwortungsvolle Umweltpolitik gehört entsprechend zwingend dazu, wenn man es ernst meint und einem auch die Freiheit der kommenden Generationen am Herzen liegt.
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