So viel zu feiern gibt es nach einer Bundesratswahl selten: FDP und CVP begiessen ihre Bundesrätinnen, die Frauen freuen sich über die bessere Vertretung in der Regierung, und die Linke jubelt mit ihnen. Sogar die SVP verzichtet für einmal aufs Schnöden.
Der Jubel ist berechtigt. Die Frauen legten einen Siegeszug hin, der seinesgleichen sucht. Das Parlament hat Viola Amherd mit 148 Stimmen auf Anhieb in die Regierung gewählt, Karin Keller-Sutter machte 154 Stimmen – ebenfalls im ersten Wahlgang.
Die Resultate beeindrucken umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, wie die männlichen Kollegen abgeschnitten haben: Bei ihrer jeweiligen Wahl mussten sie mehrere Runden erdulden, um dann knapp das absolute Mehr von 122, 125 oder 126 Stimmen zu erreichen.
Die beiden Glanzresultate der Frauen sind auch angesichts der Niederlage vor einem Jahr ein Indiz, wie viel in kurzer Zeit passiert ist. Damals genoss die einzige Kandidatin trotz Untervertretung der Frauen kaum Support im Parlament.
In der Vergangenheit mussten Frauen fast übermenschliche Fähigkeiten mitbringen, um den Sprung in die Regierung zu schaffen. In diesen Wahlen hat sich der Anspruch gegenüber Frauenkandidaturen normalisiert. Endlich.
Zum Erfolg beigetragen hat nebst der freisinnigen Überfliegerin auch der Coup der CVP, ein doppeltes Frauenticket zu präsentieren. Die Partei kreiert sich ein Jahr vor den Wahlen ein frauenfreundliches Etikett: Von den letzten vier CVP-Bundesräten waren drei weiblich. Und die FDP könne mit ihrer Wahl «das dornenvolle Kapitel Bundesratsgeschichte der freisinnigen Frauen» beenden, sagte Keller-Sutter.
Die Wahlen erreichten auch in anderen Belangen eine neue Qualität: Auf Ränkespiele hat das Parlament verzichtet. Es wählte mit wenigen Ausnahmen die Kandidaten, die die Parteien auf ihren Tickets vorgeschlagen haben.
Auch der neue Bundespräsident Ueli Maurer erhielt bei seiner Wahl unüblich viele Stimmen: 201 von 209 gültigen. Daraufhin verkündete Maurer in seiner Rede, dass er die vielen Herausforderungen des nächsten Jahres gemeinsam mit den Kollegen anpacken wolle.
Besonders hervor hob er die Steuervorlage und die Beziehung zur EU – beide Projekte seien äusserst wichtig für das Land. Bei beiden lehnt die SVP den Weg des Bundesrats ab. Maurer bekräftigte, dass er genau diesen Weg verteidigen wolle.
Ob all der Minne drohte der Tag dann plötzlich ins Kitschige zu kippen. Allerdings darf die gute Laune nicht darüber hinwegtäuschen, dass gewichtige Probleme einer Lösung harren. Grosse Hoffnung wird deshalb in die zwei Neuen gesteckt, die in blockierten Geschäften eine neue Dynamik auslösen sollen.
Gerade in der Europapolitik, wo der Bundesrat morgen entscheidet, wie er mit dem Rahmenabkommen verfahren will, liegen die Magistraten im Streit. Dass Amherd und Keller-Sutter dereinst den Knopf lösen und die verfahrenen Diskussionen mit den Sozialpartnern in neue Wege lenken können, müssen sie bald unter Beweis stellen. Vor allem die Freisinnige steht vor ihrem Gesellenstück: Schafft es Keller-Sutter, die Situation zu deblockieren, kann sie die von ihr angestrebte Leaderrolle in der Regierung auch einnehmen.
Gleichzeitig ist es umstritten, ob die Wahl Auswirkungen auf die Politik des Bundesrats hat. In den grossen Zügen wohl nicht: Die Positionen von Amherd und Keller-Sutter ähneln jenen ihrer Vorgänger. Doch agierte der Bundesrat in vielen Geschäften ungeschickt – nicht nur beim Rahmenabkommen, auch beim UNO-Migrationspakt, bei den Waffenexporten und Unternehmenssteuern. In der Konsequenz musste das Parlament allzu oft korrigierend eingreifen.
Das Rezept für die Zukunft ist einfach: Stützt der Bundesrat seine Entscheide besser ab, enden sie seltener im Fiasko.
Freilich wäre es nun falsch, den Neuen die Verantwortung aufzubürden, eine verlorene Legislatur noch zu retten. Ihre Möglichkeiten hängen auch massgeblich davon ab, ob sie Departemente zugesprochen erhalten, wo sie auch etwas ausrichten können: Erbt Keller-Sutter das Wirtschaftsdepartement, wird ihr zugetraut, in der verkorksten Situation beim Rahmenabkommen eine Lösung mit den Gewerkschaften zu finden.
Über den inhaltlichen Fragen stand am gestrigen Tag das klare Bekenntnis, für das Land gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Zumindest auf Ueli Maurers Unterstützung können sie zählen. (aargauerzeitung.ch)