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Gesperrte Gelder können wieder in die Hände von gestürzten Diktatoren gelangen – Nationalrat sagt Ja zum Gesetz

Als die Schweiz noch als sicherer Hafen für die gehorteten Millionen ausländischer Diktatoren galt: Bundesrat Pierre Aubert empfängt 1983 den kongolesischen Machthaber Mobutu Sese Seko. 
Als die Schweiz noch als sicherer Hafen für die gehorteten Millionen ausländischer Diktatoren galt: Bundesrat Pierre Aubert empfängt 1983 den kongolesischen Machthaber Mobutu Sese Seko. Bild: KEYSTONE

Gesperrte Gelder können wieder in die Hände von gestürzten Diktatoren gelangen – Nationalrat sagt Ja zum Gesetz

10.06.2015, 08:1910.06.2015, 12:29
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Der Bundesrat will Potentatengelder rascher einziehen und rückerstatten können. Heute Mittwoch hat der Nationalrat als Erstrat über das neue Gesetz beraten. Ergebnis: 136 Ja- zu 54 Nein-Stimmen.

Er folgt damit der Empfehlung der Rechtskommission, wonach die Schweiz unrechtmässig erworbene Vermögenswerte nur dann einziehen darf, wenn die Straftaten der Potentaten nicht verjährt sind. Oft dauert es aber Jahrzehnte bis zum Abschluss eines Rechtshilfeverfahrens.

Angesichts der langwierigen Verfahren könnte die Schweiz deshalb gezwungen sein, gesperrte Gelder wieder an die gestürzten Diktatoren zurückzuerstatten. Der Bundesrat dagegen pocht darauf, die Verjährung von Strafen im Verfahren nicht zu berücksichtigen.

Gesetz schliesst Lücken

Lange Zeit galt die Schweiz als sicherer Hafen für die gehorteten Millionen ausländischer Kleptokraten. Weil darunter der Ruf des Landes und der Banken litt, haben die Schweizer Behörden die Schraube in den letzten Jahren angezogen. Seit dem Arabischen Frühling hat das Thema zusätzlich an Brisanz gewonnen.

Das neue Gesetz fasst im Wesentlichen die bestehenden gesetzlichen Grundlagen und die vom Bundesrat gestützt auf seine aussenpolitische Kompetenz angewendete Praxis in einem Erlass zusammen. In den letzten 15 Jahren konnte die Schweiz so rund 1,8 Milliarden Franken an die Herkunftsstaaten zurückerstatten.

Das neue Gesetz enthält aber zwei gewichtige Neuerungen. Diese sollen dazu beitragen, in den letzten Jahren aufgetauchte Lücken in den Verfahren zu schliessen und die Rückerstattung von Potentatengeldern zu beschleunigen.

Sperrung auch ohne Rechtshilfeverfahren

Zum einen sollen Informationen über Bankbeziehungen schon vor einem Rechtshilfegesuch an den Herkunftsstaat übermittelt werden. Aus Sicht des Bundesrates kann damit ein solches Verfahren unter Umständen überhaupt erst ins Rollen kommen.

Die zweite Neuerung geht auf die gescheiterte Rückerstattung der Gelder des kongolesischen Diktators Mobutu Sese Seko an die Demokratische Republik Kongo zurück. Im Nachgang erliess das Parlament im Eiltempo die sogenannte Lex Duvalier, um eine Wiederholung des Debakels im Fall des haitianischen Duvalier-Clans zu verhindern.

Damit gab das Parlament ab 2011 eine gesetzliche Grundlage, die eine Sperrung und Rückerstattung von Potentatengeldern ohne ordentliches Rechtshilfeverfahren erlaubte. Voraussetzung dafür ist, dass es im Herkunftsland kein funktionierendes Justizsystem gibt. (viw/sda)

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