Diplomatisch? Eher im Gegenteil. Da ist zum Beispiel der Handwerker, der von einer ausländischen Botschaft in Bern mit Reparaturarbeiten betraut wurde – und bis heute auf seine Bezahlung wartet. Andere berichten vom Catering-Anbieter, der für die Köstlichkeiten, die er in eine Ländermission geliefert hatte, keinen Rappen sah. Oder vom Autovermieter, der von Botschafterinnen und Konsuln in Genf nur noch Vorauskasse akzeptiert; zu negativ waren seine Erfahrungen mit dieser Klientel.
Anekdoten über solche Auswüchse kursieren in Bern und Genf immer wieder. Sie mögen nicht die Regel sein. Dass es um die Zahlungsmoral mancher ausländischer Diplomatinnen und Diplomaten jedoch nicht zum Besten bestellt ist, zeigt sich bei den Verkehrsbussen. Manch Abgesandter verzichtet schon fast rituell darauf, diese zu begleichen. Der Polizei bleiben da faktisch die Hände gebunden. Denn Diplomaten geniessen Immunität und können gemäss internationalen Abkommen nicht belangt werden.
Doch es ist eben nicht nur der Staat, der auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleibt. Auch die Privatwirtschaft kämpft mit Zechprellern: Die gesamten offenen «Diplomatenschulden» belaufen sich im Moment auf rund 1.4 Millionen Franken. Entsprechende Angaben hat das Eidgenössische Aussendepartement (EDA) gegenüber CH Media offengelegt.
«Der Betrag pro Schuld variiert dabei durchschnittlich vom dreistelligen in den mittleren sechsstelligen Bereich», erklärt ein Sprecher. Eine Statistik dazu führt das EDA keine, und über konkrete Fälle schweigt es sich diskret aus.
Das Problem ist: Die Schulden von ausländischen Vertretungen und Diplomaten können nicht wie üblich via Betreibungsamt eingefordert werden. Das Wiener Übereinkommen schützt sie vor Zahlungsbefehlen und Zwangsvollstreckungen. So sind auch Pfändungen faktisch unmöglich.
Privaten Gläubigern bleibt nur die Möglichkeit, sich mit ihren ausstehenden Rechnungen an den Bund zu wenden. «Das EDA leitet die Anfragen an die betroffene ausländische Vertretung weiter mit der Aufforderung, die ausstehenden Beträge so rasch als möglich zu begleichen», sagt dessen Sprecher. Konkret weise man sie daraufhin, «die Gesetze und Vorschriften des Empfangsstaates zu respektieren und insbesondere ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Dritten einzuhalten».
Führe auch das nicht zum Ziel, suche man das Gespräch mit der ausländischen Vertretung. Der Sprecher betont:
Im Schnitt übernehmen die zuständigen Beamte jährlich einen neuen Schuldenfall von ausländischen Vertretungen in Bern. Mehr dürften es in Genf sein, wo Tausende Diplomatinnen und Funktionäre für internationale Organisationen und Botschaften arbeiten. Allerdings liegen für die Rhonestadt keine entsprechenden Angaben vor.
Allein: Volle Härte können die EDA-Schuldeneintreiber nicht walten lassen. Wegen unbezahlter Rechnungen gleich einen Eklat mit einem anderen Land zu riskieren, stünde auf dem diplomatischen Parkett in keinem Verhältnis. So werden die Konkursämter eigens per Kreisschreiben zur Vorsicht gemahnt und daran erinnert, dass die Nichtbeachtung der Immunitätsregeln gar «einen rechtswidrigen Akt der Schweiz» darstellen könnte.
Den Behörden bleibt so die Rolle eines höflichen Schlichters. Wie oft nach dem Austausch von diplomatischen Noten doch noch Bares aufgetischt wird, ist nicht bekannt – Insider sprechen von einer eher bescheidenen Erfolgsquote.
In besonderen Fällen könnte das EDA den zuständigen Botschafter einbestellen. Danach aber sind seine Möglichkeiten bald ausgeschöpft. Theoretisch haben Gläubiger zwar noch ein Mittel in der Hand: Vor Gericht klagen und die Aufhebung der diplomatischen Immunität verlangen. Dafür müsste ein Staat jedoch ausdrücklich auf die Sonderstellung seines Vertreters verzichten. In der Praxis ist das kaum je der Fall. Und selbst wenn das EDA einen Diplomaten zu einer «Persona non grata» erklären und ihn des Landes verweist würde, dürfte damit trotzdem nicht die Bezahlung bestehender Schulden erwirkt werden.
Etwas mehr Spielraum gibt es, wenn ausländische Vertretungen direkt in der Kreide stehen. Solche Fälle sind rechtlich von den Schulden einzelner Diplomaten zu unterscheiden. Botschaften und Konsulate besitzen selbst nämlich keine Rechtspersönlichkeit. Deshalb gelten deren Schulden immer als Schulden des jeweiligen Staates.
In diesem Fall unterliegt nur «hoheitliches Handeln», nicht aber «geschäftsähnliches Handeln» der Immunität. Die Abgrenzung ist mitunter schwierig; sie bietet wiederum Stoff für langwierige juristische Verfahren mit wenig Erfolgsaussichten.
Das Nachsehen haben am Ende die Gläubiger, die auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben. Und bei Diplomaten nicht zu ihrem Recht kommen. (aargauerzeitung.ch)
Aber als Staat die eigenen Bürger wegen Steuern und Krankenkasse in die Schuldenfalle zu treiben ist dann wieder ok.
Frechheit!