Die Fair-Food-Initianten argumentieren etwa mit den Tierfabriken, die in der ausländischen Landwirtschaft gang und gäbe sind. Häufig würden Tiere zu Zehntausenden in Käfigen gehalten, mit Antibiotika vollgepumpt und quer durch Europa transportiert, um möglichst günstig geschlachtet zu werden.
Fleisch und Eier aus solcher Produktion landeten heute auch in der Schweiz, schreiben die Grünen. «Insbesondere bei importierten Fertigmenüs und verarbeiteten Produkten, aber auch in Restaurants und Kantinen findet sich häufig Fleisch von bedenklicher Qualität.» In verarbeiteten Produkten seien Herkunft und Produktionsmethoden teilweise gar nicht deklariert. Das soll sich mit der Initiative ändern.
Erklärtes Ziel der Ernährungssouveränitäts-Initiative ist es, «neue Wege für die Agrar- und Ernährungspolitik der Schweiz» zu eröffnen. Die Initiative soll kommenden Generationen von Schweizer Bauern eine Zukunft mit gerechten Löhnen und Zugang zu Boden garantieren. Ziel sei ein Markt, der im Dienst der Bauern und der Konsumenten steht, heisst es im Argumentarium. Indem auf Exportsubventionen verzichtet wird, soll der internationale Handel fairer werden.
Ausserhalb des rot-grünen Lagers haben beide Initiativen einen schweren Stand. Die Gegner der Fair-Food-Initiative befürchten steigende Lebensmittelpreise und Konflikte in der internationalen Handelspolitik. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der an vorderster Front gegen die grüne Vorlage kämpft, warnt: «Die Initiative führt zu einer rigorosen Marktabschottung, bricht internationale Verpflichtungen und gefährdet Freihandelsabkommen.» Das «faktische Importverbot» für viele Produkte schränke den Konsumenten stark ein.
Der Bundesrat bekundet zwar «grundsätzlich» Sympathien für das Anliegen, lehnt die Initiative aber ebenfalls ab. Er verweist darauf, dass die Schweiz bereits heute viel unternehme, damit die Lebensmittel im Land sicher und nachhaltig produziert sind.
Eine noch deutlichere Ablehnung als Fair Food erfuhr die Initiative für Ernährungssouvernität im Parlament. Für Kritik sorgte insbesondere ihr protektionistischer Charakter. «Wir wollen keine Staatsbauern, wie wir auch keine Staatskonsumenten und keine Planwirtschaft wollen», sagte etwa GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. Auch diese Initiative hätte laut den Gegnern höhere Lebensmittelpreise und eine Verletzung des internationalen Handelsrechts zur Folge.
Für die Initiative stimmten lediglich die Grünen, ein Teil der SP-Fraktion sowie die zwei SVP-Vertreter Lukas Reimann und Yvette Estermann.
Diese Frage lässt sich nicht abschliessend beantworten. Während Economiesuisse vor Preisen auf Bio-Niveau für alle Lebensmittel warnt, winken die Fair-Food-Initianten ab.
Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) will sich nicht auf die Äste hinauslassen. Eine zuverlässige Prognose sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, teilt Kommunikationschefin Kathrin Naegeli auf Anfrage von watson mit. Denn die Preisentwicklung wäre letztendlich auch abhängig davon, wie das Parlament die Initiative umsetzt.
Naegeli weist lediglich darauf hin, dass künftig im Herkunftsland überprüft werden müsste, unter welchen Bedingungen die für den Import bestimmten Lebens- und Futtermittel hergestellt wurden. «Die Kosten für die Kontrollen könnten die Lebensmittel verteuern.»
Unmissverständlich äussert sich der Bundesrat in seiner Botschaft zur Ernährungssouvernitäts-Initiative: «Eine stärkere staatliche Strukturlenkung und zusätzliche Markteingriffe würden die Preisdifferenz zu den Nachbarländern erhöhen.»
Die Umsetzung ist auch hier entscheidend. Zur Fair-Food-Initiative sagt Kathrin Naegeli vom BLV: «So, wie der Initiativtext lautet, müsste der Import von Lebensmitteln, die nicht den Schweizer Vorschriften entsprechen, grundsätzlich verboten werden.»
Allerdings wäre eine solch harte Umsetzung unvereinbar mit den Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der Welthandelsorganisation (WTO) und der Europäischen Union. Und die Grünen haben im Parlament betont, dass sie sich eine Umsetzung wünschen, die im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen steht.
Denkbar wäre daher ein Modell, wie es heute bei den Käfigeiern zur Anwendung kommt. Gemäss dem WTO-Recht darf die Schweiz die Einfuhr von Eiern aus Käfighaltung nicht verbieten, obwohl die Produktionsmethode hierzulande illegal ist. Der Kompromiss besteht darin, dass solche Eier in der Schweiz klar gekennzeichnet sein müssen.
Etwas kleiner ist der Interpretationsspielraum bei der Ernährungssouveränitäts-Initiative: Sie sieht vor, dass Importprodukte mit zusätzlichen Zöllen belegt oder ganz verboten werden können, wenn sie nicht den Schweizer Standards entsprechen. «Auch wenn dadurch internationales Handelsrecht verletzt wird», wie der Bundesrat in seiner Botschaft hervorhebt.
Wir sind Weltmeister im Konsum von Bio- und Fair-Trade-Produkten. So gaben die Schweizer Konsumenten im Jahr 2016 fast 665 Millionen Franken für faire gehandelte Waren aus, wie der Dachverband Swiss Fair Trade letzten November vermeldete. Das macht rund 80 Franken pro Kopf – und entspricht einem neuen Allzeitrekord. Nur schon im Vergleich zum Vorjahr hat der Absatz um 16 Prozent zugenommen.
Auch beim Kauf von Bio-Produkten macht uns so schnell niemand etwas vor: Letztes Jahr konsumierten die Schweizerinnen und Schweizer pro Kopf biologische Lebensmittel im Wert von 320 Franken. Auch dies ist weltweit ein Spitzenwert, wie der Dachverband Bio Suisse mitteilte. Dass es allerdings durchaus noch Luft nach oben gäbe, zeigt ein anderer Wert: So beträgt der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln in der Schweiz insgesamt 9 Prozent – das ergibt einen Nicht-Bio-Anteil von 91 Prozent.