Die Linke warf sich am gestrigen Abstimmungssonntag in Siegespose. Das deutliche Nein zur USR III sei ein «Aufstand gegen die Arroganz der bürgerlichen Mehrheit» im Parlament, eine Ohrfeige für SVP-Bundesrat Ueli Maurer, ein «Jetzt längt's!» der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Doch «Links gewinnt gegen Rechts» ist ein zu simples Fazit. Das Abstimmungsmuster entspricht weder dem klassischen Links-Rechts-Konflikt, der von den linken Initiativabstimmungen bekannt ist, noch dem Gegensatz zwischen liberalen und konservativen Wertehaltungen, der den Abstimmungen über rechte Migrationsvorlagen zugrunde liegt.
Die Politologen Thomas Milic und Thomas Lo Russo beschreiben das Ergebnis der Abstimmung auf politan.ch als Aufbegehren gegen die wirtschaftliche Elite und internationale Multis, das – ähnlich wie bei TTIP – links und rechts für einmal zusammengebracht hätten. Das zeige sich darin, dass die USR III in ländlichen und überwiegend bürgerlichen Regionen der Deutschschweiz abgelehnt wurde – konservative Stimmen also, die sich also gegen die Elite auf die Linke Seite schlugen.
Auf der anderen Seite lehnten einige urbane, links geprägte Regionen (Genf, Basel-Stadt) die Reform weniger deutlich ab, als zu erwarten gewesen wäre. Zudem korreliere der SP-Anteil in den Wahlbezirken nicht sonderlich stark mit dem Nein-Stimmenanteil zur USR III, schreiben Milic und Lo Russo.
Milic und Lo Russo fanden hingegen starke Ähnlichkeiten des Abstimmungsverhaltens bei der USR III und früheren Vorlagen: Auch bei der Abzockerinitiative und der Pauschalbesteuerungs-Initiative ging es um Privilegien einer kleinen Gruppe – meist internationaler – Vermögender. Manager von internationalen Multis oder ausländische Vermögende, die in den Genuss von Steuerprivilegien kommen.
«Wie schon bei der Abzockerinitiative sahen viele Stimmenden nicht ein, welchen Nutzen sie von der steuerlichen Privilegierung internationaler Grossunternehmen hätten», schreiben Milic und Lo Russo in ihrer Analyse. Deshalb sei das USR III-Votum ein «Protest gegen das Establishment, gegen die Internationalisierung und Globalisierung». So würden viele derer, die in der steuerlichen Begünstigung internationaler Konzerne ein Globalisierungsphänomen sähen, in derselben Weise über die Personenfreizügigkeit denken.
Es sei deshalb, so Milic und Lo Russo, nicht in erster Linie das Prinzip der Steuergerechtigkeit gewesen, das den Entscheid motiviert habe, sondern vielmehr Nutzenerwägungen: Damit ist auch zu erklären, weshalb die Kantone Waadt, Genf und Basel-Stadt, die bei Wirtschaftsfragen ansonsten verlässlich links stimmen, dieses Mal der USR III zustimmten, beziehungsweise sie nur vergleichsweise knapp ablehnten. (dwi)