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Wie Albert Rösti vom SVP-Wasserträger zum Favoriten auf den Bundesratssitz wurde

Wie Albert Rösti vom SVP-Wasserträger zum Favoriten auf den Bundesratssitz wurde

Er war wie einst Ueli Maurer SVP-Präsident, wurde dann abgesetzt. Jetzt hat auch Albert Rösti gute Chancen, Bundesrat zu werden – wiederholt sich die Geschichte?
03.10.2022, 07:40
Henry Habegger / ch media
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Die private Webseite von Albert Rösti (55) ist nicht ganz aktuell. «Ich danke ganz herzlich für die grosse Unterstützung und Stimmen bei den Nationalratswahlen vom 20. Oktober 2019. Sie haben mir mit 128'252 Stimmen zur Wiederwahl und zum schweizweit besten Resultat verholfen», steht da zuoberst.

Albert Roesti, SVP-BE, spricht waehrend der Debatte um den indirekten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative, waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 26. September 2022, im Bu ...
Albert Rösti scheint der logische Kandidat für die Nachfolge von Ueli Maurer zu sein.Bild: keystone

In der Tat, dem gebürtigen Berner Oberländer Rösti gelang bei den letzten Nationalratswahlen der grosse Coup. Er schaffte es, mehr Stimmen zu machen als seine SVP-Mitbewerber im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, Zürich. So distanzierte der leise Albert Rösti den lauten Zürcher Nationalrat Roger Köppel um mehr als 7000 Stimmen.

Auf der Schattenseite des «Sünneli»

Der Höhenflug des promovierten Agronoms ETH, beruflich als Landwirtschaftsfunktionär im Kanton Bern gross geworden, war aber paradoxerweise auch ein Tiefpunkt. Rösti war bei den Wahlen 2019 seit gut drei Jahren Präsident der SVP, Nachfolger des «Sünneli» Toni Brunner, der sich ins Toggenburg zurückgezogen hatte. Während Rösti selbst obenaus schwang bei den Wahlen 2019, tauchte seine Partei: Sie verlor zwölf Sitze und 3.8 Prozent Wähleranteil.

Das war zugleich Röstis Ende als Chef der SVP-Schweiz: Er wurde, das ist ein offenes Geheimnis, vom Partei-Patriarchen von Herrliberg Christoph Blocher abgesetzt. Man konnte es Rösti damals ansehen, dass es ihn wurmte, zum Sündenbock gemacht zu werden – für falsche Themensetzung am Klimawandel vorbei, für Flops im Wahlkampf wie die an Nazi-Symbolik erinnernde Plakatkampagne, in der «Linke und Nette» als Ungeziefer, als Würmer dargestellt wurden, die die Schweiz zerstörten.

Christoph Blocher, Komitee-Praesident und alt-Bundesrat, Mitte, Nationalrat Albert Roesti, Praesident SVP, rechts,und Stelio Pesciallo, Tessiner Komitee, links, vor der Medienkonferenz des Komitees &q ...
Stets zu Diensten: Bis zur Wahlniederlage 2019 genoss Rösti die Unterstützung von Parteivater Christoph Blocher. (Archivbild von August 2016).Bild: KEYSTONE

Einer wie Rösti ist nicht der, der in dieser Partei das Sagen hat und Kurs und Tonalität bestimmt, das sind andere, das sind Zürcher, die Namen wie Blocher oder Matter tragen und das nötige Kleingeld haben, diese Partei und ihre Kampagnen zu finanzieren. Aber Rösti schluckte den Ärger hinunter und trug seinen Abgang von der SVP-Spitze ohne lautes Murren. Er wusste: Wer schweigt, fällt weich.

Alle mögen Albert Rösti

Jetzt ist er plötzlich gefühlt ganz oben, hat beste Aussichten, am 7. Dezember Nachfolger von Ueli Mauer als Bundesrat zu werden. Wen man auch fragt derzeit in Bundesbern, den meisten gilt Rösti als Anwärter Nummer eins. Der sympathische und auch im Umgang mit politischen Gegnern stets höfliche Albert Rösti ist wohlgelitten in anderen Parteien, auch Mitte-Links, ihm verzeiht man vieles.

Zwar polterte auch er tüchtig als SVP-Chef, aber irgendwie nahm ihm niemand ab, dass er das von sich aus und aus Überzeugung tat. Auch innerhalb der SVP, in der nur vorwärts kam, wer sich anpasste, erkannten wohl viele in Rösti eine Art Leidensgenossen. «Ich staune, wie gut er auch in der SVP verankert ist», sagt ein einflussreicher Nationalrat einer anderen Partei.

Andreas Aebi, SVP-BE, spricht waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 15. Dezember 2021 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Der Berner Parteikollege Andreas Aebi (li.) findet nur lobende Worte für Albert Rösti.Bild: keystone

In der Tat erhält Rösti offenen Support aus seiner Partei. Sein Berner Parteikollege Andreas Aebi, Nationalratspräsident 2021, etwa sagt: «Albert Rösti ist gereift in den letzten Jahren, hat an Statur gewonnen, er kann führen, er kann zuhören, er kann auch komplizierte Sachverhalte gut erklären. Er ist anerkannt im Parlament». Für den Aebi steht fest: «Er ist für mich ganz vorne bei der Nachfolge von Ueli Maurer. Gut platziert sehe ich auch noch Gregor Rutz. Ich sehe Rutz oder Rösti, aber Vorteil Rösti.»

Rösti selbst gab in der SRF-Samstagsrundschau an: Er müsse sich zuerst überlegen, ob er kandidiere, denn Maurers Rücktritt sei auch für ihn überraschend gekommen.

Wiederholt sich eine ähnliche Geschichte wie bei Ueli Maurer?

Aber es zweifelt niemand, dass der Geschäftsführer der Büro Dr. Rösti GmbH seine Chance nutzen wird. In gewisser Hinsicht erinnert seine Ausgangslage an jene von Maurer im Jahr 2008. Gerade war er von Blocher als Parteipräsident abgesetzt und durch Toni Brunner ersetzt worden, als Samuel Schmid dem Druck nachgab und seinen Bundesratssitz räumte.

Maurer nutzte seine Chance und setzte sich im Dezember 2008 gegen Blocher, der von der Partei ebenfalls nominiert worden war, sowie haarscharf gegen den Sprengkandidaten Hansjörg Walter durch. Obwohl sich Maurer als Bundesrat aus Blochers Schatten löste, ist die SVP mit ihm insgesamt gut gefahren. Er war in den entscheidenden Fragen ein kollegiales Mitglied im Bundesrat und trug dessen Entscheide mit, positionierte sich aber öffentlich auch als unbeugsamer Verfechter der SVP-Politik.

Ähnlich wie Maurer, der sich laut NZZ «vom Saulus zum Paulus» wandelte, ist Rösti anpassungs- und wandlungsfähig. Allerdings war und ist Rösti sachpolitisch aktiver und engagierter als Maurer, in erster Linie in der Energiepolitik.

Rösti, der Super-Lobbyist

In der Klimapolitik stand er tief im Schützengraben; noch vor den Wahlen 2019 relativierte er als SVP-Präsident den Klimawandel. Per 2017 war der Agronom nicht nur SVP-Vormann, sondern auch Präsident der Atomlobby «Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz» (Aves), des Brennstoffhändler-Verbands Swissoil sowie des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands (SWV).

Rösti ist eine Art Super-Lobbyist. Als Swissoil-Präsident ist er, vielleicht wohlweislich, im letzten Mai zurückgetreten, dafür wurde er Präsident der Autoimporteure Auto Schweiz. Der Mann ist vielbeschäftigt und polyvalent: So ist Rösti derzeit auch Präsident der Gesundheitskommission des Nationalrats, eines Recyling-Verbands, des Freibergerverbands, der Begleitgruppe «Räumung ehemaliges Munitionslager Mitholz», sitzt in der Parlamentsgruppe Gastrosuisse wie auch im Verwaltungsrat des Grand Casino Kursaal in Bern.

Er ist auch Vize der SVP-Stiftung für bürgerliche Politik in Zug, was seinen Rückhalt in der SVP dokumentiert. Laut Verzeichnis der Interessenbindungen übt Rösti derzeit 13 bezahlte und drei ehrenamtliche Mandate aus.

In der Energiedebatte konnte er sich profilieren

Gerade ist Rösti im Nationalrat ein Coup gelungen: Er war es, der in der vorberatenden Kommission den Antrag stellte, nicht nur für Grosssolarkraftwerke, sondern auch für Wasserkraft die Bewilligungsverfahren teilweise auszusetzen. Damit soll unter anderem die Grimsel-Staumauer erhöht werden können. Rösti, der der Energieoffensive damit zusätzlichen Schub verleiht, setzte sich damit laut «Tages-Anzeiger» gegen Widerstand in der eigenen Fraktion durch: Fraktionschef Thomas Aeschi wollte gar nicht erst auf die Vorlage eintreten.

Aber Rösti setzte in den letzten Wochen alles daran, in der Energieoffensive, im Rahmen des runden Tischs Wasserkraft, überparteilich Mehrheiten zu schaffen. Das ist es, was derzeit weitherum honoriert wird und ihm eine gute Ausgangslage verschafft. Mit Wasserkraft voraus, sozusagen.

Und das ist wohl das, was sein Berner Kollege Aebi meint, wenn er sagt, Rösti habe an Statur gewonnen. Er ist nicht mehr einfach nur der Wasserträger.

Aber noch geht es zwei Monate bis zur Bundesratswahl, parteiinterne Gegnerinnen und Gegner gibt es noch genug. Und erfahrungsgemäss warten auf viele Fallstricke auf die Papabili. Gerade auf solche, die früh als Favoriten gehandelt werden. Und, auch das gilt in Bundesbern als ausgemacht, die Zürcher SVP wird «ihren» Bundesratssitz nicht kampflos aufgeben. (aargauerzeitung.ch)

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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
03.10.2022 09:17registriert Oktober 2019
Ein Bundesratssitz für die Öl-Lobby, was kann da schiefgehen?
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Junge mit Früchtekorb
03.10.2022 08:53registriert Oktober 2014
Rösti ist Funktionär, Verwalter, Lobbyist. Alles gut, aber nicht das, was wir im Bundesrat brauchen.
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Tomtschi
03.10.2022 10:12registriert März 2019
Rösti hat als SVP-Chef alle (!!!) Abstimmungen verloren, insofern ist er ein guter Kandidat denn er wird wie Maurer im Bundesrat nichts bewirken können.

Andererseits würde es der Schweiz nicht schaden fähige Menschen in der Regierung zu haben.
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