Es hätte andere Gründe gegeben, die Talksendung «Schawinski» aus dem Programm von SRF zu nehmen. Roger Schawinskis fortgeschrittenes Alter (74) konnte im vergangenen Jahr jedoch kein Argument sein, nachdem er sich fulminant für die SRG und gegen die «No Billag»-Initiative eingesetzt hatte. Auch die Rüge des Ombudsmannes in diesem Sommer, er habe im Interview die «Menschenwürde» seines Gastes Salomé Balthus verletzt, durfte nicht zum Schlussstein seiner TV-Karriere werden. Nun sind es wöchentlich 15000 Franken, die den Ausschlag geben: So viel spart SRF, wenn es «Schawinski» nach über acht Jahren einstellt.
Es ist ein Abschied der Versöhnung. Schawinski lässt ausrichten, er habe Verständnis, «vor allem weil offenbar ein extrem grosser Spardruck besteht». In Minne endet damit eine grosse Liebes- und Hassgeschichte, die ihn mit der SRG verbindet.
1969 stieg Schawinski bei der «Rundschau» in den Journalismus ein. Er hatte sich zuvor beim Leiter Information über einen, wie er meinte, «unterirdischen» Beitrag zu den Studentenunruhen an US-Universitäten beklagt. Als Dank dafür wurde er als Reporter engagiert. Vier Jahre später entwickelte er das Konzeptfür den «Kassensturz», der 1974 mit ihm als Sendeleiter und Moderator erstmals ausgestrahlt wurde. Zwei Jahre später verabschiedete er sich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, um erst 34 Jahre später wieder zurückzukehren.
In seiner langen Zeit ausserhalb der SRG war Schawinski zunächst Chefredaktor der Migros-Zeitung «Tat», bevor er selbst unternehmerisch tätig wurde. Auf «Radio 24» (1979), das ihn zum «Radiopiraten» machte, kamen «Opus Radio» (1989), «Tele Züri» (1994) und «Tele24» (1998). Er amtete in Berlin als Geschäftsführer von «Sat1» (2003–2006), um mit «Radio 1» (2008) wieder in die Schweiz und zum Radio zurückzukehren.
Sowohl mit «Radio24» als auch mit «Tele Züri» hat sich Schawinski zum eigentlichen Gegenspieler der SRG gemacht. Er nahm sich dabei Freiheiten, die er sich im Spiel des David gegen den Goliath auch zu nehmen getraute. In der Auseinandersetzung mit dem SRG-Generaldirektor Armin Walpen wurde es jedoch persönlich. Walpen habe es ihm schon als Abteilungsleiter der Bundesverwaltung schwer gemacht, als er «Radio24» gründete. Als SRG-Chef habe er dann die Entwicklung eines sprachregionalen privaten Fernsehens torpediert, schreibt Schawinski in seiner Autobiografie «Wer bin ich?», die er sich zum 70. Geburtstag schenkte.
2011 holte ihn der damalige Chef Ruedi Matter zu SRF zurück. Kurz darauf wurde mit Roger de Weck einer seiner Vertrauten SRG-Generaldirektor. In der Biografie verspricht Schawinski, «wenn es so weit ist, werde ich loslassen». Ganz loslassen muss er noch nicht. Noch immer besitzt er ein Radio, auf dem er (sich) beweisen kann, dass er es noch draufhat.