Schweiz
Gesellschaft & Politik

Spesen: Nationalrat Jonas Fricker (GPS/AG) löst mit Hotelspesen Diskussion aus

Jonas Fricker, jetziger Praesident Gruene Aargau, spricht anlaesslich der Nominationsveranstaltung der Gruenen zu den Nationalratswahlen 2015 vom 18. Oktober, am Dienstag, 31. Maerz 2015, im Bullinger ...
Jonas Fricker von den Grünen wollte Transparenz schaffen und hat damit eine Diskussion ausgelöst.Bild: KEYSTONE

Darum kassiert Grünen-Politiker 9540 Franken für Übernachtungen, obwohl er daheim schläft

Ein Facebook-Streit zwischen Andreas Glarner (SVP) und Jonas Fricker (Grüne) entzündet sich an der Frage, ob letzterer sich eine Übernachtungspauschale auszahlen lassen darf, obwohl er während der Session gar nicht in Bern schläft. Die Antwort ist Ja – doch das könnte sich bald ändern.
22.05.2017, 11:2722.05.2017, 22:25
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Den Steilpass hat der grüne Aargauer Nationalrat Jonas Fricker selber geliefert: Im Rahmen einer «kurzen Transparenz-Aktion» stellte er eine Auflistung der Entschädigungen online, die er als Parlamentarier im vergangenen Jahr bezogen hatte. Ein gefundenes Fressen für seine politischen Gegner: «Wieso kassierst du 9540 Franken für Übernachtungen?», wollte Andreas Glarner (SVP) wissen. «Du übernachtest doch praktisch nie in Bern, sondern fährst dank dem GA immer gratis nach Hause.»

So nahm der Facebook-Fight seinen Anfang.
So nahm der Facebook-Fight seinen Anfang.Quelle: facebook

Verbale Haue musste Fricker dafür auch von der Aargauer CVP-Grossrätin Marianne Binder einstecken: Für Leistungen, die man nicht bezieht, solle man gefälligst keine Entschädigungen kassieren, massregelte sie den Grünen laut Aargauer Zeitung. Frickers Rechtfertigungsversuche und auch der Verweis auf seine drei kleinen Kinder vermochten die Kritiker nicht zu besänftigen.

Einige Stunden und 83 Kommentare später wusste sich der Grüne schliesslich nur noch mit einem Bibel-Zitat zu helfen: «Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge? (Matthaeus 7:3)», schrieb er in einem weiteren Facebook-Post an die Adresse von Andreas Glarner – mit dem Verweis, dass dieser im Nationalrat zahlreiche Transparenz-Vorstösse abgelehnt habe.

Bild
quelle: facebook
Wer – Luftlinie – weniger als zehn Kilometer vom Sitzungsort entfernt wohnt, muss auf die Pauschale verzichten.

Fakt ist: Rechtlich hat sich Fricker nichts vorzuwerfen. Hat ein Ratsmitglied an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Sitzung, darf es für die Nacht dazwischen eine steuerfreie Entschädigung von 180 Franken beziehen. So sieht es die Verordnung vor, die die Parlamentarier-Entschädigungen regelt. Einzige Einschränkung: Wer – Luftlinie – weniger als zehn Kilometer vom Sitzungsort entfernt wohnt, oder wer mit dem öffentlichen Verkehr in einer halben Stunde nach Hause kommt, muss auf die Pauschale verzichten.

Zwischen Frickers Wohnort Baden AG und dem Bundeshaus in Bern liegen laut Google Maps allerdings 88 Kilometer Luftdistanz, die Fahrt mit den ÖV dauert eine Stunde und zehn Minuten. Damit hat Fricker Anrecht auf die Pauschale, ob er nun zu Hause oder im Hotel schläft.

Allerdings ist es denkbar, dass sich der Grüne künftig umgewöhnen muss – so wie auch zahlreiche seiner Parlamentskollegen, die ebenfalls von der heutigen Regelung profitieren. Denn derzeit sind zwei parlamentarische Initiativen hängig, die das Übernachtungs-Regime ändern wollen. 

Findest du es richtig, wenn Parlamentarier Übernachtungspauschalen beziehen, obwohl sie gar nicht im Hotel schlafen?

FDP-Ständerat Joachim Eder und SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler verlangen beide, dass die Entschädigung künftig nur noch Ratsmitgliedern ausbezahlt wird, die tatsächlich extern übernachten. 

Die heutige Regelung sei «stossend» und dürfe nicht länger aufrechterhalten werden, schreibt Eder in seinem Vorstoss. Angesichts der anstehenden Spardebatten wirke das Parlament «glaubwürdiger, wenn es auch bei sich spart und damit einen Beitrag an das Stabilisierungspaket des Bundes leistet». Während er an eine Selbstdeklaration denkt, verlangt Geissbühler, dass die Ratsmitglieder nach der Session jeweils eine Quittung des Hotels einreichen müssen.

andrea geissbühler keystone
Will strengere Übernachtungsregeln: SVP-Frau Andrea Geissbühler.Bild: keystone

Fingerzeig, Ratlosigkeit, Fremdgehen: 3 Dinge, die an der Frühlingssession 2017 aufgefallen sind

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Fingerzeig, Ratlosigkeit, Fremdgehen: 3 Dinge, die an der Frühlingssession 2017 aufgefallen sind
Das wichtigste Instrument der Parlamentarier ist nicht etwas das Laptop, sondern der Zeigfinger. FDP-Präsidentin Petra Gössi (SZ) diskutiert mit ihrem Fraktionschef Ignazio Cassis (TI) am 13. März 2017 im Nationalrat in Bern.
quelle: keystone / alessandro della valle
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115 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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chnobli1896
22.05.2017 12:13registriert April 2017
Ich denke beim Spesenreglement wäre noch einiges an Sparpotenzial vorhanden. Ich meine 115 Franken Mahlzeitentschädigung pro Kommissionssitzungstag (wenn ich es richtig im Kopf habe) empfinde ich persönlich als stossend und nicht wirklich volksnah.
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Karl33
22.05.2017 12:21registriert April 2015
Diese etwas abgehoben Diskussion unter gutbezahlten Politikern ist ja das eine. Andererseits gibts aber Hunderttausende von Arbeitenden in der Schweiz, die auch 1h Arbeitsweg haben, und dafür keine 10'000 Fr Entschädigung erhalten (Kürzlich wurde den Bürgern von den Politikern sogar der steuerliche Abzug der Pendelkosten nach unten gekürzt). Je mehr sich das Politikerleben von jenem der normalen Bürger entfernt, desto unglaubwürdiger werden diese Politiker, finde ich.
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walsi
22.05.2017 11:49registriert Februar 2016
Jetzt wäre es spannend zu erfahren wer von den anderen Parlamentarier sich auch so verhält. Würde mich nicht wundern, wenn man da in allen Parteien fündig wird.
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