200 bis 300 Millionen Franken der stetig steigenden Prämiengelder gehen an Makler, die Versicherten eine neue Krankenkasse andrehen oder zusätzliche Versicherungsleistungen aufschwatzen. Die brisanten Zahlen hat die Nordwestschweiz gestern öffentlich gemacht. Denn die Krankenkassen halten geheim, wie viel sie für Kundenakquise ausgeben. Geld, das für die steigenden Gesundheitskosten fehlt.
Der Telefonterror der Makler ist unbestritten ein Ärgernis. Doch was lässt sich dagegen unternehmen? Zwei Wege stehen zur Diskussion: Erstens Telefonmarketing verbieten. An strengeren Regeln schraubt das Parlament schon seit Jahren; eine befriedigende Lösung gibt es aber bis heute nicht. Denn viele Anbieter operieren aus dem Ausland. Das macht die Rückverfolgung sowie die Nachweisbarkeit schwierig. CVP-Nationalrätin Ruth Humbel hat dennoch einen neuen Versuch gestartet und per Motion «geordnete Rahmenbedingungen für die Kundenakquisition» verlangt. Der Bundesrat lehnte den Antrag ab, das Parlament hat noch nicht entschieden.
Den zweiten Weg will Patientenschützerin Margrit Kessler einschlagen. Für sie ist klar: In der obligatorischen Krankenversicherung gehören Provisionen verboten. 2015 bezahlten die Krankenkassen laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) fast 27 Millionen Franken für Vermittlungsprämien. Das ist zwar im Verhältnis nicht so viel. Kessler meint aber: «Jeder Franken aus der Grundversicherung, der für Makler-Provisionen aufgewendet wird, ist einer zu viel. Mit unseren Prämiengeldern müssen wir sorgsam umgehen.» Auch Ruth Humbel hält ein Verbot für richtig. «Die Provisionen dürfen nicht mit Prämiengeldern aus der Sozialversicherung finanziert werden.»
Das Makler-Problem ist nicht neu. Bereits bei der Beratung über das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz (KVAG) kam der Antrag seitens der SP, Provisionen für Versicherungsmakler zu verbieten. Das Anliegen scheiterte. «Wir hatten einfach die Mehrheiten im Parlament nicht. Für die Versicherer ist zu viel Geld im Spiel», sagt die Solothurner SP-Nationalrätin Bea Heim.
Das Argument der Gegner: Die wirtschaftliche Freiheit der Krankenversicherer soll nicht eingeschränkt werden. Der Ausweg: Selbstregulierung. So sieht das KVAG vor, dass Versicherer die «Verwaltungskosten für die soziale Krankenversicherung auf das für eine wirtschaftliche Geschäftsführung erforderliche Mass beschränken» müssen. Dazu zählen auch Vermittlertätigkeiten und Werbung. Zudem «können» Versicherer Telefonwerbung und Provisionen selbst regeln.
Margrit Kessler reicht das nicht: «Es braucht eine Gesetzesänderung, welche die Makler einschränkt. Diese dürfen nur im Bereich der Zusatzversicherung Leistungen verkaufen.» Auch Ruth Humbel sagt, dass sie das Thema nochmals aufgreifen wolle.
Der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand hält die Aufregung für verfrüht: Die neue, auf Freiwilligkeit beruhende Branchenvereinbarung sei erst ein paar Monate in Kraft, sagt der Präsident des Branchenverbands Santésuisse. «Jetzt müssen wir den Versicherern Zeit geben, die neuen Regeln auch umzusetzen, und erst einmal abwarten, um zu sehen, ob sie die Erwartungen auch erfüllen.» Brand würde ein Verbot bedauern: «Das totale Verbot wäre ein schwerer Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit der Versicherer.» Auch sei er überzeugt, dass eine solche Änderung im bürgerlich besetzten Parlament kaum eine Chance hätte.
Dass hingegen die Selbstregulierung funktioniert, bezweifelt Ruth Humbel. «Wir haben heute schon eine Branchenlösung, nur halten sich nicht alle Versicherer daran.» Auch Bea Heim verlangt eine «gesetzliche Regelung für ein generelles Verbot von Makler-Provisionen, die keine Türen mehr offen lässt».