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Schande im Genfer Grossen Rat: Polizei muss Abgeordneten entfernen, Morddrohung gegen Ratskollegen

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Schande im Genfer Grossen Rat: Polizei muss Abgeordneten entfernen, Morddrohung gegen Ratskollegen

11.10.2014, 07:2811.10.2014, 14:16
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Premiere im Genfer Grossen Rat: Erstmals musste mit Hilfe der Polizei ein Grossrat aus dem Saal entfernt werden. Eric Stauffer vom rechtspopulistischen Mouvement Citoyens Genevois (MCG) hatte sich geweigert, einem Ausschlussentscheid nachzukommen. Er fügte sich schliesslich, ohne dass die Polizisten Gewalt anwenden mussten.

Zum Eklat im Kantonsparlament kam es während einer Debatte über eine Änderung des Gesetzes über die politischen Rechte. Stauffer geriet in Rage, als Grossratspräsident Antoine Droin (SP) es ablehnte, einen Änderungsantrag des MCG vorzulesen.

Eric Stauffer vom Mouvement Citoyens Genevois (MCG).
Eric Stauffer vom Mouvement Citoyens Genevois (MCG).Bild: KEYSTONE

MCG-Ehrenpräsident Stauffer begann darauf zu brüllen, ihm würden seine demokratischen Rechte verweigert. Droin hatte das Vorlesen verweigert, weil bereits ein gleich lautender Änderungsantrag behandelt worden war und er die Debatte nicht weiter in die Länge ziehen wollte.

Da Stauffer deswegen ausser sich geriet, verwies Droin den Politiker des Saales. Doch dieser weigerte sich. Auch eine Unterbrechung der Sitzung vermochte die Gemüter nicht zu beruhigen.

«Ein Foto, und du bist tot!»

Die Stimmung wurde zusätzlich aufgeheizt, nachdem ein anderer MCG-Grossrat bemerkt hatte, dass ein Ratskollege versuchte, die Szene verbotenerweise zu filmen. «Ein Foto, und du bist tot», schrie Carlos Medeiros (MCG) den FDP-Grossrat Daniel Zaugg an.

Schliesslich rief Ratspräsident Droin die Polizei. Als einige Minuten später sieben Polizisten das Parlament betraten, stellten sich die Mitglieder der MCG-Fraktion schützend vor Stauffer.

Regierung entschärfte Lage

Darauf griffen auch zwei Mitglieder der Genfer Kantonsregierung ein. Staatsratspräsident François Longchamp (FDP) und Staatsrat Mauro Poggia (MCG) verliessen ihre Regierungsbank und stürzten sich ins Getümmel.

Die beiden Staatsräte konnten Stauffer überreden, den Saal in ihrer Begleitung zu verlassen. Die sieben zuvor herbeigeeilten Polizisten gingen darauf ebenfalls wieder hinaus. Die Ratsdebatte wurde nach 45 Minuten wieder aufgenommen, allerdings ohne die Vertreter des MCG und der SVP.

Die Gesetzesrevision wurde mit anschliessend gutgeheissen. Künftig dürfen Listen des ersten Wahlgangs für den zweiten Wahlgang unter einem anderen Namen eingereicht werden, was die Bildung von Allianzen ermöglicht. Aus Sicht des MCG ist das Gesetz «hinterhältig» und öffnet «widernatürlichen Allianzen» Tür und Tor.

«Trauriges Spektakel»

Dass die Polizei zu Hilfe gerufen wurde, sei ein Premiere im Genfer Kantonsparlament, sagte Ratspräsident Antoine Droin am Samstag zur Nachrichtenagentur sda. In einer Mitteilung beklagte er das «traurige Schauspiel», das die Legislative geboten habe. Er bedauerte das Verhalten Stauffers. Dieser behindere so den demokratischen Betrieb.

Das Büro des Grossen Rats will nun prüfen, ob der Vorfall Konsequenzen hat. Stauffer riskiert eine Rüge. Zudem kann der Politiker maximal sechs Monate lang aus den Kommissionen, denen er angehört, ausgeschlossen werden.

Das Büro sollte gemäss Droin kommende Woche zusammentreten. An der Sitzung darf auch Stauffer teilnehmen. Der MCG-Politiker, der seit 2005 im Grossen Rat sitzt, ist dessen zweiter Vize-Präsident und damit Mitglied des Büros.

MCG fordert Droins Rücktritt

Auch der MCG verbreitete zusammen mit der SVP nach dem Zwischenfall ein Communiqué. Darin fordern sie Droin zum Rücktritt auf. Dieser habe überreagiert. Beide Parteien bezweifeln, dass der Ratspräsident in der Lage sei, auf eine «relativ banale Situation» richtig zu reagieren.

Stauffer verliert nicht zum ersten Mal seine Contenance. Im Februar 2012 bewarf er einen Ratskollegen mit einem Wasserglas. Darauf musste er fünf Monate lang den Kommissionssitzungen fern bleiben. 2011 wurde er von der Bar des Grossen Rates mit einem zwei Monate langen Lokalverbot bestraft, weil er sich mit einem Parlamentarier der Grünen geprügelt hatte. (sda)

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