Der Aargauer SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (74) macht mit einer parlamentarischen Initiative zugunsten von Senioren am Steuer Furore. Er fordert, ältere Automobilistinnen und Automobilisten nicht mehr wie bisher ab 70, sondern erst ab 75 Jahren alle zwei Jahre zur vertrauensärztlichen Kontrolluntersuchung aufzubieten.
Die Automobilisten auf Schweizer Strassen würden ungleich behandelt, so Reimann. In Deutschland, Frankreich und Österreich gebe es nämlich keine solche Vorschrift für 70-Jährige. «Vielmehr setzen diese Länder auf die Eigenverantwortung ihrer älteren Verkehrsteilnehmer hinsichtlich der Frage, wann sie von sich aus mit Autofahren aufhören wollen.» Die Unfallstatistik weise zudem keine nennenswerten Unterschiede auf, was die Senioren-Autofahrer über 70 in der Schweiz und den Nachbarländern betreffe.
Die Schweizer Vorschrift sei für einheimische Autofahrer im Vergleich zu ausländischen Nutzern von Schweizer Strassen eine verfassungswidrige Diskriminierung von Alters wegen, sagt Reimann. National- und Ständerat sehen dies inzwischen mehrheitlich ebenso. Die federführende Verkehrskommission des Nationalrats hat bereits eine entsprechende Gesetzesänderung in die Vernehmlassung gegeben.
Jetzt zeigt sich: Die Aargauer Regierung hält nichts von der von Reimann initiierten Vorlage. Sie schreibt in ihrer Vernehmlassungsantwort, dass rund 20 Prozent der aargauischen Führerausweisinhaberinnen und -inhaber zwischen 70 und 75 den Führerausweis abgeben. Jährlich seien dies 1 600 Personen. In rund einem Drittel aller Fälle habe gestützt auf die medizinischen Abklärungen, eventuell verbunden mit einer Kontrollfahrt, ein Entzug ausgesprochen werden müssen.
Bei einer grossen Zahl von Automobilisten zwischen 70 und 75 habe der Führerausweis «unter adäquaten Bedingungen wie einer sogenannten Brillenauflage oder regelmässigen ärztlichen Kontrollen weiterbelassen werden» können. Die ersten drei Kontrolluntersuchungen im Alter von 70, 72 und 74 Jahren veranlassen die Betroffenen, sich rechtzeitig und regelmässig mit ihrer Fahreignung zu befassen, argumentiert die Regierung. Die ärztlichen Feststellungen seien für die Betroffenen eine wertvolle Orientierungshilfe.
Zudem komme es zwischen dem 70. und 75. Altersjahr zu einer markanten Zunahme von Demenzerkrankungen und von Einschränkungen beim Sehvermögen. Insbesondere bei Hirnerkrankungen und Sehproblemen funktioniere die Selbstverantwortung nicht mehr, «da bei diesen Krankheiten die Einsichtsfähigkeit fehlt oder stark eingeschränkt ist». Bei einer höheren Limite würden sich viele auch erst mit 75 mit ihrer Fahreignung befassen, befürchtet die Regierung.
Die Erstuntersuchung mit 75 würde dann zu einer wesentlich strengeren Zäsur. Aus all diesen Gründen lehnt sie die höhere Alterslimite ab.
«Die Vernehmlassungsantwort des Regierungsrates nach Bern überrascht mich keineswegs», sagt Maximilian Reimann auf Anfrage der az. Nicht zuletzt «wegen der besonders rigorosen Haltung des kantonalen Strassenverkehrsamtes uns Aargauer Seniorenautofahrern gegenüber hatte ich in der Sommersession 2015 meine parlamentarische Initiative lanciert».
Angeführt vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, das notabene namhafte Honorareinnahmen aus den verkehrsmedizinischen Untersuchungen generiere, bekämpfe man «im Verwaltungsapparat unter Verweis auf die Sicherheit die angestrebte Lockerung zugunsten der Seniorenautomobilisten».
Natürlich sei auch für ihn die Verkehrssicherheit erstrangig, betont Reimann. Aber das Kontrollalter 70 stamme von Anfang der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Inzwischen sei das Schweizervolk geistig und physisch rüstiger geworden. Reimann: «Wenn das der Regierungsrat nicht wahrhaben will, soll er doch dafür besorgt sein, dass keine älteren Autofahrer mehr in die Schweiz aus Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Österreich einfahren, wo es überhaupt keine solchen obligatorischen Medizinalchecks gibt!»