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Sogar der bekannteste Befürworter gibt der Ecopop-Initiative keine Chance

Thomas Minder sieht sich als Volksversteher.
Thomas Minder sieht sich als Volksversteher.Bild: KEYSTONE
Thomas Minder hat den Glauben verloren

Sogar der bekannteste Befürworter gibt der Ecopop-Initiative keine Chance

Geht es um die Ecopop-Initiative, redet er sich schnell in Rage: Thomas Minder ist der bekannteste Befürworter der Ecopop-Initiative. «Jeder Löli sieht, dass es so nicht weitergehen kann», sagt er. Doch Abstimmungslokomotive will er keine sein.
07.10.2014, 06:1421.10.2014, 16:38
Doris Kleck / Aargauer Zeitung
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Aargauer Zeitung

Das Ecopop-Initiativkomitee befindet sich in einem Kampf David gegen Goliath: Bundesrat, Parlament, alle Parteien, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Entwicklungshilfe- und Umweltorganisationen wenden sich gegen das Volksbegehren, das die Nettoeinwanderung auf 0,2 Prozent der Bevölkerung beschränken will. 

Damit könnten netto nur noch 16'000 Menschen pro Jahr einwandern – derzeit sind es 80'000. Zudem soll ein Zehntel der Entwicklungshilfegelder des Bundes für die Familienplanung eingesetzt werden. 

Heute startet das Initiativkomitee seine Kampagne für die Abstimmung vom 30. November mit einer Medienkonferenz. Die Referentenliste liest sich wie ein Ausbruchsversuch aus dieser Isolation: Die Referenten sind Mitglieder von GLP, SVP, CVP, EVP und der Grünen Partei – die Initianten demonstrieren Überparteilichkeit. Mensch und Natur seien viel zu wichtig, um es dem gewohnten ideologischen Links-Rechts-Händel zu überlassen, sagt Präsident Benno Büeler. 

Der Volksversteher

Dazu passt, dass sich heute auch der parteilose Ständerat Thomas Minder für Ecopop ins Zeug legen wird. Er ist mit Abstand der bekannteste Befürworter. Und seit seine Abzocker-Initiative mit 68 Prozent der Stimmen angenommen wurde, gilt der Schaffhauser auch ein bisschen als Volksversteher. Ein Image, das er im Stöckli kultiviert. 

Kein anderer erklärt seinen Ratskollegen so oft und mit absoluter Gewissheit, wie das Volk angeblich tickt. Er nennt sich selbst den unabhängigsten Parlamentarier der Schweiz, weil er parteilos ist und keine Mandate hat. 

«Parteilose spüren die Volkstemperatur besser.»
Thomas Minder

«Parteilose spüren die Volkstemperatur besser», sagte er der «Aargauer Zeitung» nach seinem Abstimmungssieg im Frühling 2013. Das Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative hat er kommen sehen: «Thomas Minder ist am 9. Februar nicht erschrocken wie die politische Elite im Land», sagt Minder über Minder – wie so oft in der dritten Person Singular. 

Thomas Minder: «Parteilose spüren die Volkstemperatur besser».
Thomas Minder: «Parteilose spüren die Volkstemperatur besser».Bild: KEYSTONE

Der Abstimmungstrumpf 

Für die SVP-Initiative hatte der Unternehmer zusammen mit Christoph Blocher an vorderster Front gekämpft. Dass er dabei selbst in die Schlagzeilen geriet, weil er für seine Firma Trybol Fachkräfte in Deutschland sucht, hat ihm nicht geschadet. 

Selbstbewusst erklärt er, dass gewisse Stimmen den Abstimmungssieg vom 9. Februar seinem Engagement zuschreiben würden. 

Minder ist von sich selbst als glaubwürdigem Abstimmungstrumpf überzeugt. Dennoch will er in der Ecopop-Kampagne nicht die Lokomotive sein. Fast schon entschuldigend sagt er, das Volk müsse verstehen, dass er sich nicht bei jeder Initiative zuvorderst engagieren könne. Er habe lediglich ein paar Auftritte an Podien und spreche mit den Medien, redet der Ständerat seine Rolle klein. 

Werbung für die Ecopop-Initiative.
Werbung für die Ecopop-Initiative.Bild: KEYSTONE

Der Aussenseiter 

Auch wenn es nur wenige sein werden, ist gewiss: Die Auftritte werden wortgewaltig sein. Geht es um die Ecopop-Initiative, redet sich Minder schnell in Rage. 

«Jeder Löli sieht, dass das so nicht weitergehen kann.»
Thomas Minder zur Ecopop-Initiative

Die durchschnittliche Zuwanderung in den EU-Staaten liege zwischen 0,16 und 0,18 Prozent, in der Schweiz bei 1,3 Prozent: «Jeder Löli sieht, dass das so nicht weitergehen kann.» Das seien Wachstumszahlen wie in Indien. Es sind markige Worte und Vergleiche, die sitzen. Vorgetragen mit einer absoluten Gewissheit, die ihn nach drei Jahren im Stöckli immer noch zum Aussenseiter macht. Auch dies eine Rolle, die er sucht und gerne kultiviert. 

Der Sohn 

Minder wurde berühmt als Robin Hood, der hohe Managergehälter bekämpft. Doch das Thema Migration hält er für wichtiger als die Abzockerei. Schon sein mittlerweile verstorbener Vater Hans Minder war Vorstandsmitglied von Ecopop. Zwar war er Mitglied der FDP, doch Parteipolitik missfiel ihm wie seinem Sohn, zu dem er ein offenes, aber kein enges Verhältnis pflegte. 

Hans Minders Kanäle waren Leserbriefe und Kleinanzeigen, in denen er das Wachstum, die Zuwanderung und die Überbevölkerung anprangerte. Die Einwände in seinen «Ja, aber-Anzeigen», könnten von Thomas Minder stammen: «Ja, aber … 100'000 Einwohner mehr jedes Jahr in der Schweiz, alle aus Einwanderung. Das macht doch unser Land kaputt.» 

Der Misstrauische 

Thomas Minder hatte im Frühling in der Debatte im Ständerat der Initiative noch zugetraut, eine Mehrheit im Volk zu finden. Mittlerweile hat er seine Meinung gekehrt: «Die Ecopop-Initiative hat keine Chance.» 

Die Masseneinwanderungs-Initiative habe ihr den Wind aus den Segeln genommen. Das Volk werde sich sagen: «Jetzt schauen wir erst einmal, wie die SVP-Initiative umgesetzt wird.» 

Jetzt auf

Er selbst glaubt indes nicht, dass in Bundesbern irgendjemand den Willen hat, die Einwanderung massiv zu reduzieren. 

Schliesslich habe der Bundesrat nach dem 9. Februar keine einzige Sofortmassnahme ergriffen. Es brauche deshalb bei der Ecopop-Initiative einen möglichst hohen Ja-Anteil, um Druck auf die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zu machen. 

Seit 2011 politisiert der Quereinsteiger Minder nun im Parlament. Sein Misstrauen gegenüber den Institutionen hat nicht abgenommen. Minder erinnert wieder einmal an seinen Vater: «100'000 Einwanderer jedes Jahr. Sie verursachen Arbeitslosigkeit und wachsende Überbevölkerung. Ja, aber … sind der Bundesrat und das Parlament unfähig, diese Misswirtschaft abzustellen?», fragte Hans Minder schon vor sechs Jahren in einem Inserat. 

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