Die Schweiz ist Ausschaffungs-Europameisterin. Führten die EU-Länder 2017 im Durchschnitt lediglich 36,6 Prozent der Wegweisungen erfolgreich durch, so betrug dieser Wert in der Schweiz 56,8 Prozent. Die Zahl der hängigen Ausschaffungen hat sich in den letzten Jahren denn auch deutlich verringert.
So stark, dass die jungen Grünen vor zwei Jahren den Rücktritt von «Ausschaffungsministerin» Simonetta Sommaruga forderten. Die SP-Bundesrätin leitet unterdessen das Verkehrs- und Energiedepartement.
Wenig Freude dürften die Kritiker von Sommarugas Ausschaffungspraxis an ihrer Nachfolgerin im Justizdepartement haben: Karin Keller-Sutter zieht die Schraube weiter an. Im Auftrag der FDP-Magistratin präsentierte das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Montag Massnahmen, um die Ausschaffungen zu forcieren.
Für den Wegweisungsvollzug sind die Kantone zuständig. Mit ihnen will das SEM die Zusammenarbeit in besonders schwierigen Fällen verstärken, wie Staatssekretär Mario Gattiker sagte.
Das ist etwa der Fall bei Zwangsausschaffungen, gegen die sich die Betroffenen bisweilen mit Händen und Füssen wehren. Das SEM wird am Tag der Abreise am Flughafen präsent sein. Zuvor wird es den Ablauf mit der Flugzeuggesellschaft, der Crew und den kantonalen Polizeikorps besprechen.
«Salopp gesagt, fügen wir die verschiedenen Puzzleteile einer schwierigen Rückführung schon vorher zusammen», sagt SEM-Sprecher Reto Kormann. Erste positive Erfahrungen haben das SEM und die Kantone mit dieser Methode in den letzten Monaten bereits gemacht. Es gelang, vermehrt Personen nach Algerien zurückzuführen, bei denen zuvor Versuche gescheitert waren.
Der Bund zählt heute auf die Dienste von sieben Verbindungspersonen. Die sogenannten Immigration Liaison Officers wirken in den Schweizer Vertretungen in Tunesien, Somalia, Senegal, Libanon, Sri Lanka, Sudan und der Türkei. Von dort aus betreuen sie zum Teil zusätzliche Länder. Zwei bis drei weitere Officers will das SEM an noch nicht definierten Orten installieren.
In Frage kommen etwa Afghanistan oder der Irak. Die Verbindungspersonen sprechen die Abläufe bei Wegweisungen mit den lokalen Behörden ab, sie helfen mit bei der Identifizierung von Asylsuchenden und klären auch ab, ob Rückführungen überhaupt zumutbar sind. Kurzum: Sie helfen, Wegweisungen möglichst reibungslos zu vollziehen. Schliesslich möchte das SEM die Rückkehr und Reintegrationshilfe ausbauen – um abgewiesene Asylbewerber zu einer freiwilligen Rückkehr zu motivieren.
Als potenziell wirkungsvolles Instrument bezeichnete Gattiker die neuen Visa-Regeln, die ab nächstem Februar in Kraft treten. Die Schweiz und die EU werden künftig Staaten bestrafen, die im Rückkehrbereich unkooperativ sind – indem sie Visa-Anträge verzögert beantworten oder höhere Gebühren verlangen.
Keller-Sutters Ausschaffungsoffensive ändert nichts an der Tatsache, dass einige Staaten nach wie vor gar nicht oder mehr schlecht als recht zusammenarbeiten. Algerien, Marokko, der Iran und Äthiopien befinden sich auf einer entsprechenden SEM-Problemliste.
Algerien zum Beispiel akzeptiert weiterhin keine Bürger, die in vom Bund gecharterten Sonderflügen repatriiert werden. Mit etwas schlechtem Willen können Algerier ihre Ausschaffungen mutwillig verhindern. Sie müssen sich auf einem Linienflug bloss derart renitent verhalten, dass sich der Pilot weigert, abzuheben.
In der Schweiz sind rund 4800 Wegweisungen von abgewiesenen Asylbewerbern und Ausländern ohne Bleiberecht hängig. Knapp ein Drittel davon betreffen Personen von Ländern, die auf der SEM-Problemliste figurieren. Die meisten Wegweisungen – im letzten Jahr waren es 6137 von 6439 – erfolgen via Flugzeug. Die Polizei begleitete dabei 560 Personen bis in ihren Herkunftsstaat.
Das SEM und die kantonalen Migrationsämter tauschen sich regelmässig aus zum Thema Rückkehr. Die Kantone drängten schon seit längerer Zeit auf Verbesserungen. Entsprechend positiv nehmen sie die Bemühungen des SEM beim Wegweisungsvollzug auf. «Wir begrüssen das sehr», sagt Marcel Suter, Präsident der Vereinigung der kantonalen Migrationsämter.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter reagiert auch auf die sinkenden Asylzahlen. Das SEM reduziert temporär einen Teil seiner Plätze in den Bundesasylzentren. Die Zentren in Muttenz (BL) und Kappelen (BE) werden vorläufig sogar ganz stillgelegt.
Bereits am 1. September hatte der Bund ein Zentrum für renitente Asylbewerber in Les Verrières geschlossen. Ab Anfang nächsten Jahres wird der Bund über 2200 Plätze verfügen. Damit können jährlich 16'000 Asylgesuche bewältigt werden. In diesem Jahr rechnet das SEM mit 14 500 Gesuchen. Am Ziel, 5000 Plätze zur Durchführung der beschleunigten Verfahren aufzubauen, hält das SEM aber fest. «Im Migrationsbereich ist nichts so konstant wie die Veränderung», sagte Gattiker.
Wenn jemand die Kriterien für Asyl nicht erfüllt, muss sichergestellt werden, dass er wieder geht. Ansonsten müsste der ganze Asylprozess gar nicht durchgespielt werden und alle die Einreisenden könnten gleich bleiben und integriert werden.
Wenn man der Meinung ist, dass Leute die ein Anrecht auf Asyl haben kein Asyl erhalten, muss man die Richtlinien für die Asylsprechung anpassen
und nicht diejenigen die das Gesetz anwenden behindern.