Schweiz
Gesellschaft & Politik

Schweizer AKWs und Gefängnisse könnten von Google Maps verschwinden

«Mit Google Maps kann jeder selber herausfinden, wie man ein Kraftwerk anfliegen könnte.»: Luftaufnahme des Kernkraftwerks Mühleberg.
«Mit Google Maps kann jeder selber herausfinden, wie man ein Kraftwerk anfliegen könnte.»: Luftaufnahme des Kernkraftwerks Mühleberg.bild: screenshot google maps 

Jetzt könnten Schweizer AKWs, Militäranlagen und Gefängnisse von Google Maps verschwinden

In Frankreich, Belgien und den USA werden AKWs, Gefängnisse oder Militäranlagen auf Google Maps verschleiert – aus Angst um die nationale Sicherheit. Das müsse auch die Schweiz prüfen, fordert die CVP-Sicherheitspolitikerin Ida Glanzmann-Hunkeler.
02.10.2018, 10:2003.10.2018, 06:57
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Wer auf dem Kartendienst Google Maps nach dem Militärflugplatz in Payerne VD sucht, landet schnell direkt mitten auf dem Gelände der Schweizer Luftwaffe. Und kann sich dort in Ruhe umsehen. In der Schweiz ist das bisher kein Problem – es gibt kein Gesetz, das Bilder von «sensiblen» Orten auf dem Internet verbietet und auch keine entsprechende Abmachung mit dem Internet-Giganten Google.

Übersicht dank Google Maps und Google Street View: Aufnahme des Militärflugplatzes im waadtländischen Payerne.
Übersicht dank Google Maps und Google Street View: Aufnahme des Militärflugplatzes im waadtländischen Payerne.bild: screenshot google maps

Anders ist die Lage in Frankreich, Belgien und den USA: Dort muss Google gewisse Aufnahmen von Flugstützpunkten, Atomkraftwerken und Hochsicherheitsgefängnissen verschleiern. Die Regierungen machen den Schutz der nationalen Sicherheit geltend.

«Es kann nicht sein, dass solche heiklen Aufnahmen in einem Klick einsehbar sind.»
Ida Glanzmann-Hunkeler, Vizepräsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates

Der Präsident des Fachverbands Freiheitsentzug Schweiz, Alain Broccard, plädierte kürzlich gegenüber watson für striktere Vorgaben auch in der Schweiz: «Die Politiker sollten das Thema aufgreifen.»

Sein Wunsch wird nun von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP)  erhört. Die Vizepräsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates will einen entsprechenden Vorstoss für die Wintersession prüfen. «Es kann nicht sein, dass solche Aufnahmen in einem Klick einsehbar sind.» Eine gesetzliche Grundlage, die verankert, dass heikle Anlagen verpixelt oder geschwärzt dargestellt werden müssen, sei deshalb eine Option.

«Mit Google Maps kann jeder selber herausfinden, aus welchem Sektor, mit welchen Hindernishöhen man ein solches Kraftwerk anfliegen könnte.»
Der ehemalige Swissair-Pilot Max Tobler 2016 in einem SRF-Interview

Wie heikel Aufnahmen solcher «sensiblen» Orte sein könnten, liess der ehemalige Swissair-Pilot und heutige Flugsimulator-Instruktor Max Tobler 2016 in einem SRF-Interview durchblicken. Thema war die Sicherheit von Atomkraftwerken als Ziele für Terroranschläge: «Mit Google Maps kann jeder selber herausfinden, aus welchem Sektor, mit welchen Hindernishöhen man ein solches Kraftwerk anfliegen könnte,» sagte er damals.

Belgien reicht Klage gegen Google ein

Eine entsprechende Zensur auf dem Kartendienst – sei es auf gesetzlicher Ebene oder in Absprache mit Google – wäre jedoch schwierig umzusetzen. Der Verantwortungsbereich der «heiklen» Standorte unterliegt verschiedenen Stellen; beispielsweise den Kantonen für die Justizvollzugsanstalten und dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport für die Militäranlagen. Ausserdem bieten neben Google Maps auch weitere Unternehmen Satellitenbilder im Internet an.

Google Maps fügt sich zudem nicht immer den getroffenen Abmachungen. Das belgische Verteidigungsministerium hat im Streit über Satellitenbilder von Militäranlagen erst vor zwei Tagen eine Klage gegen den Tech-Riesen angekündigt. Google halte sich nicht daran, Aufnahmen von Flugstützpunkten oder Atomkraftwerken zu verschleiern.

Mit einem ähnlichen Vorwurf sieht sich Google in Frankreich konfrontiert. Dort müsste der US-Tech-Gigant Bilder von Hochsicherheitsgefängnissen laut Gesetz seit Ende 2017 unkenntlich machen – nur sind auch heute noch 49 von 67 Justizanstalten nicht verschleiert, wie das Nachrichtenmagazin «L'Express» berichtete. Google erklärt auf Anfrage, dass liege an externen Nutzern, die unverpixelte Fotos heraufladen würden. Diese unkenntlich zu machen, «werde Zeit brauchen», so ein Sprecher.

Pikant: Es wird vermutet, dass der spektakulärste Gefängnisausbruch der jüngsten Geschichte auch dank dem Online-Kartendienst geglückt ist. Dem Franzosen Redoine Faïd ist im Juli die Flucht aus dem Gefängnis in Réau bei Paris gelungen – per Helikopter. Ermittler gehen davon aus, dass Faïds Gehilfen den Coup mit Google-Maps-Satellitenaufnahmen der Anlage vorbereitet haben.

Häftlinge restaurieren Kult-Spielsachen

Video: srf/SDA SRF

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
02.10.2018 10:30registriert Januar 2017
Weil eine Terrororganisation sich ja keine Drohnen oder Lasermessgeräte leisten kann...
Bei gewissen Politikern fragt man sich schon, in welchem Jahrhundert sie leben.
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LubiM
02.10.2018 13:20registriert Mai 2014
Zum Glück gibt es noch map.geo.admin ... und ist erst noch Staatlich geprüft!
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In vino veritas
02.10.2018 13:29registriert August 2018
Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Dann kaufe ich halt Satellitenbilder einer privaten Firma oder lass eine Drohne steigen. Oder ich gehe auf den nächstgelegenen Höger, von dem ich ein paar schöne Aufnahmen machen kann. Militärflugplatz Payerne? Dort finden ja ständig Volksfeste statt. 🤷‍♂️ Wenn ich aufgrund von Satellitenbilder und groben Grundrissskizen ehemaliger Häftlinge ausbrechen kann hat das Gefängnis grundsätzliche Probleme. Sei es veraltete Sicherheitstechnik oder ungenügend Bewaffnetes Personal dass keine Angreifer abwehren kann...
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