Männer, die ihre Freundinnen, Frauen und manchmal auch ihre Kinder töten, schockieren die Schweiz. Alleine im Kanton Zürich töteten Männer in diesem Sommer mindestens acht Frauen. Seit am Montag vor einer Woche ein 37-Jähriger seine von ihm getrennt lebende Ehefrau in Dietikon erstach, hat das Thema eine neue Dringlichkeit.
Der mutmassliche Täter hatte zuvor schon zugeschlagen, war der Polizei bekannt und hatte zeitweise ein Kontaktverbot. Hat die Polizei versagt oder stehen ihr zu wenig Mittel zur Verfügung?
In der «Schweiz am Wochenende» forderte die Präsidentin des Polizeibeamtenverbandes, Johanna Bundi Ryser, Präventivhaft für akut gefährliche Männer. In der «Sonntagszeitung» forderten linke und rechte Politiker, dass Kontaktverbote, die gegen gewalttätige Männer ausgesprochen wurden, mittels live überwachter Fussfesseln durchgesetzt werden.
Bisher wurden zwar Fussfesseln eingesetzt, diese aber nicht in Echtzeit ausgewertet.
Urs Hofmann, Aargauer Regierungsrat und Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), ist skeptisch, ob ständig überwachte Fussfesseln tatsächlich einen effektiven Schutz bieten. «In der kleinräumigen Schweiz ist es kaum möglich, Zonen zu definieren, die so weit auseinanderliegen, dass die Polizei bei der Verletzung eines Annäherungsverbotes schnell genug vor Ort wäre.» Solche Fussfesseln bergen laut Hofmann die Gefahr, dass sich bedrohte Personen in falscher Sicherheit wiegen. «Effektiver wäre es, die Möglichkeiten zur Inhaftierung bei Fortsetzungsgefahr auszudehnen», sagt KKJPD-Präsident Hofmann.
Offenbar ist es schwierig, gewalttätige Männer aus dem Verkehr zu ziehen. Fussfesseln bergen ein Restrisiko und Präventivhaft verstösst gegen die in einem Rechtsstaat gegebene Unschuldsvermutung.
In gewissen Fällen bleibt betroffenen Frauen darum nur noch die Flucht in ein Frauenhaus. Solche befinden sich meist an einem nicht weitherum bekannten Ort und verfügen über ein Betreuungsangebot für Frauen und deren Kinder. Sie sind grösstenteils gratis. Allerdings verfügt die Schweiz über zu wenig Plätze in solchen Notunterkünften. «Die Frauenhäuser in der Schweiz leiden unter Überbelegung», sagt Christine Hüttinger vom Frauenhaus St. Gallen.
Immer wieder müssen sie und ihr Team Frauen abweisen. In der Regel organisieren sie für die Frauen eine Unterkunft in einem anderen Kanton. Es komme aber auch vor, dass bedrohte Frauen in einem Hotel übernachten müssen. «Das ist problematisch, weil dort die Betreuung sowohl der Frauen als auch der Kinder fehlt», sagt Hüttinger. Zudem sei die Sicherheit nicht gewährleistet.
Die Nachfrage nach Unterbringungsplätzen nimmt laut Hüttinger tendenziell zu. Gleichzeitig würden die Fälle komplexer. Immer öfter meldeten sich Frauen, die mehrfach traumatisiert seien. «Zur Bedrohung durch den Partner kommt zum Beispiel Fluchterfahrung hinzu oder eine Traumatisierung in der Kindheit», sagt Hüttinger. Das Gleiche gelte für die Kinder der Frauen. Häufig seien sie verhaltensauffällig. Beides führe dazu, dass die Betreuung intensiver und die Aufenthaltsdauer im Frauenhaus länger wird.
Die Probleme aus St. Gallen lassen sich auf andere Kantone übertragen. Der Mangel an Frauenhaus-Plätzen bringt nicht nur bedrohte Frauen in Schwierigkeiten, er verstösst auch gegen die Istanbul-Konvention des Europarates, welche das hiesige Parlament im Juni 2017 gutgeheissen hat. Sie besagt, dass auf 10 000 Einwohner eine Unterbringungsmöglichkeit vorhanden sein sollte. Die Schweiz verfügt nicht einmal über die Hälfte der nötigen 800 Plätze.
Dabei würden mehr Frauenhäuser auch die Arbeit der Polizei erleichtern. «Fühlt sich eine Frau von einem Mann bedroht, die Polizei kann ihn aber nicht festnehmen, weil er noch keine Tat begangen hat, bieten Frauenhäuser effektiven Schutz», sagt KKJPD-Präsident Hofmann. Darum fordert der Sozialdemokrat mehr Mittel für Frauenhäuser, damit diese mehr Plätze anbieten können. (aargauerzeitung.ch)